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Bavvaria123

Bewertungen

Insgesamt 52 Bewertungen
Bewertung vom 15.09.2024
Ein anderes Leben
Peters, Caroline

Ein anderes Leben


gut

Hanna hat Beerdigungen gehasst


Das Cover vermittelt zunächst eine Art Leichtigkeit.
Seifenblasen, die nach dem Davonschweben dann aber doch platzen. Seifenblasen, die uns an unsere Kindheit erinnern vermögen. Seifenblasen, die wir als Erwachsene kennen, sind meist flüchtige Ereignisse, die kommen und gehen. Sich selten erfüllen, nur plötzlich nicht mehr da sind. Seifenblasen, die übermitteln, dass das geschehen ist, eben geschehen ist. Es ist nicht rückgängig zu machen.

Die Inhaltsangabe und auch die Kommentare auf der Rückseite des Buches haben mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Und natürlich auch die Autorin. Caroline Peters, eine bekannte und sympathische Schauspielerin nicht nur in ihrer Rolle der Sophie Haas in der Serie "Mord mit Aussicht".

So freute ich mich auf das Buch, dass auch ein wenig Biografisches suggerierte.
Aber ich hatte ein wenig Probleme, so richtig in das Buch herein zu finden. Die Ich-Erzählerin ohne Namen erzählt von ihren Schwestern Laura und Lotta, deren Vätern Klaus und Roberto, ihrem Vater Peter, der auch Bow genannt wird und ihrer Mutter Hanna, die schon verstorben ist und deren Asche in einer Flaschenpost mittels Blei versenkt wurde. Und das ganze beginnt bei der Beerdigung von Peter bzw. Bow.

Und ganz ehrlich so richtig angenehm zu lesen wird es eher weniger. Klar, da sind so wunderbare Gedanken, wie die auf Seite 64. Da geht es darum, wie kleinere Kinder ihre Eltern bewundern und die größte Diskussionsbasis die Karotten und Kartoffeln auf dem Teller sind. Einfach herrlich beschrieben.
Oder auf Seite 163 über das Leben, wenn die Eltern geschieden sind.
Oder ganz zum Schluss: Menschen machen Fehler, aber wie soll man das seinen Kindern erklären.

Diese immer mal wieder auftauchenden Gedanken und Reflektionen, die daher kommen, wie eine schwebende Seifenblase sind so schön. Aber auch so schnell vorbei.

Keine der beschriebenen Personen ist so richtig nahbar, keine löst Empathie oder mehr aus. Auch sie treiben dahin wie Seifenblasen im Wind.

So ein wenig Biografie steckt dann auch wirklich in dem Roman. So hat ihre Mutter, die Literaturwissenschaftlerin Johanne mit Büchern zu tun, wie eben auch Hanna. Und zwei Geschwister gibt es auch, wenn auch einen Bruder und eine Schwester.

So richtig kann ich nicht sagen, wem ich das Buch empfehlen würde. Die drei Sterne vergebe ich aufgrund dieser ab und an auftauchenden tollen Gedanken.

Bewertung vom 01.09.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


ausgezeichnet

Nach der Schlacht bei Crécy

Ich mag historische Romane und ich mag die britische Geschichte.
Dan Jones war mir zunächst als Populärhistoriker und Journalist bekannt. Als ich hörte, das er nun auch sein Debüt als Autor von historischen Romanen gegeben hatte, war ich natürlich gespannt.

Den ersten Band der Trilogie, "Die Essex Dogs" habe ich kaum aus der Hand legen können. Mit "Winterwölfe" ist nun also der zweite Band erschienen.

Die im ersten Band beschriebene Schlacht bei Crécy liegt nun hinter den Protagonisten. Nach dieser mit einem Triumph für die Engländer gewonnenen Schlacht ist vor der Belagerung der strategisch wichtigen Stadt Calais.

Das Buch beginnt Ende August 1346 und endet im Dezember 1346. Die Wege einiger Personen aus dem ersten Band kann man nun weiter mitgehen. Diese Wege führen durch die nächsten Begebenheiten in dem 100jährigen Krieg. Sie sind gekennzeichnet von Entbehrungen, Schmutz, Blut, Schmerz, Hunger und Tod. Aber es gibt auch Spuren von Menschlichkeit, Liebe und Sehnsucht.

Der Autor versteht es brillant, die belegten historischen Fakten mit den fiktiven Erfahrungen seiner Gestalten zu verweben. "Winterwölfe" ist Geschichtsunterricht der allerbesten Form.
Auch bei diesem immerhin 426 Seiten umfassenden Buch fiel es mir schwer, es aus der Hand zu legen.
Gelungen empfinde ich auch die Einteilung in die drei Abschnitte Flamen, Piraten und Bürger sowie die Landkarte zu Beginn.

Manche Passagen sind wirklich brutal und gehen unter die Haut. Manchmal riecht man förmlich den Unrat, hört die Schreie. Aber das bringt Krieg mit sich. Und gerade mit dieser Darstellung schreibt Dan Jones unterschwellig auch eine Apologie für den Frieden.

Ich empfehle das Buch mit fünf Sternen gerne weiter und ärgere mich höchstens darüber, dass es mit einem Cliffhanger endet und es sicher noch Zeit braucht, bis der letzte Band zu bekommen ist.

Bewertung vom 01.09.2024
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


sehr gut

Faulige Gassen, Pinkeleimer und Ratten

Martin, ein Junge von elf Jahren, lebt in ärmlichsten Verhältnissen in einem Dorf mit seinem schwarzen Hahn, der ihm Freund und Beschützer zugleich ist. Aus der Dorfgemeinschaft hebt er sich heraus, da er klüger, liebenswürdiger und damit auf eine Weise heller ist, als die anderen.
Als ein Maler in das Dorf kommt, ändert das auch viel in Martins Leben.

Das Cover ist so typisch für Diogenes. Ich liebe diese weißen Untergründe mit dem einen immer zum Buch passenden Bild. Hier ist es eines von Pablo Picasso.

Mit den ersten Sätzen fühlte ich mich förmlich in das Buch hinein gezogen. Das liegt an den schrecklichen Dingen, die beschrieben werden. Die dunkle Zeit in die man als Leser geschickt wird. Es liegt aber auch an dem reinen Gemüt des Protagonisten. Martin, der bisher in seinem kurzen Leben nicht viel Gutes kennen lernen konnte. Und es liegt an dem so gar nicht zum Dunklen passenden wunderbaren, poetischen Schreibstil der Autorin.

In welcher Zeit der Roman spielt bleibt etwas ungewiss. Ich vermute, es ist das 15. oder 16. Jahrhundert. Aber so ganz wichtig ist das auch nicht, denn eigentlich entpuppt sich der Roman immer mehr als Märchen mit vielerlei Andeutungen.
Und so meine ich auch, auf die Apokalyptischen Reiter zu treffen, die 1498 von Albrecht Dürer als Holzschnitt erschaffen wurden.

Der schwarze Hahn ist zum einen ein treuer Freund für Martin, andererseits ist er aber auch derjenige, der Martin zu seiner Bestimmung führt.

Ich vermute, Stefanie vor Schulte nutzt hier viele Metaphern und Sinnbilder. Alle habe ich nicht verstanden. Vielleicht ist mir deshalb das Buch dann auch ein ganz klein wenig überfrachtet. Als später noch eine Fürstin auftaucht, erklärt das zwar einiges, bringt aber für mich auch wieder viele neue Aspekte ein.

Ich empfehle "Junge mit schwarzem Hahn" sehr gern aufgrund der wunderbaren Sprache, der gelungenen Umsetzung der Idee zu diesem Roman und weil man gerade auch in unseren Zeiten wieder jemanden braucht, der ein wenig Liebenswürdigkeit, Klugheit und Licht in unser graues Leben mit Pandemien und Katastrophen bringt.

Bewertung vom 18.08.2024
Unsere Jahre auf Fellowship Point
Dark, Alice Elliott

Unsere Jahre auf Fellowship Point


ausgezeichnet

An der Küste von Maine

Erst auf den zweiten Blick gefällt mir das Cover, aber dann richtig gut. Und es passt zu der Geschichte, zwei Frauen am Meer kurz vor Sonnenuntergang.

Alice Elliot Dark nimmt uns mit an einen fiktiven Landstrich an der Küste von Maine, dem Fellowship Point. Und damit wir uns ein richtiges Bild davon machen können, befindet sich zu Beginn des Buches eine Landkarte. So etwas mag ich ausgesprochen gern und blättere während des Lesens dann auch immer mal wieder dahin zurück.

Die Autorin, die 17 Jahre an diesem Werk geschrieben hat, erzählt von den langjährigen Nachbarinnen und Freundinnen Agnes Lee und Polly Wister. Die beiden können auf eine lebenslange Freundschaft zurück blicken, trotz ihrer sehr unterschiedlichen Lebensläufe. Während Polly mit ihrem Mann Dick, einem Philosophieprofessor, drei Söhne hat, war die erfolgreiche Kinderbuchautorin Agnes nie verheiratet. Als Agnes dann von ihrer Lektorin wahrlich gedrängt wird, ihre Memoiren zu verfassen, kommt so manches Verdrängte wieder zum Vorschein.

Ich hatte schon Respekt vor einem Buch mit 726 dicht bedruckten Seiten. Da muss schon rasch zu Beginn ein Funken überspringen, damit ich den Roman nicht bald wieder abbreche. Und genau das ist hier gelungen. Schon nach dem ersten von 42 Kapiteln war ich förmlich in das Buch eingetaucht, und das nicht nur, weil es ein verregnetes Wochenende war.

Alice Elliott Dark deckt die Vergangenheit der beiden Protagonistinnen unter anderem durch einige gehaltvolle Monologe oder Briefe auf. Das ist sehr einfühlsam, rhetorisch gelungen und bringt die Lesenden zum Nachdenken.

Das Buch handelt von Freundschaft, Familie, Ungerechtigkeiten, wunderschöner Natur und Feminismus und vielem mehr. Und dabei ist es nicht überfrachtet und glaubhaft.
Die Personen sind gut charakterisiert und die Landschaftsbeschreibungen absolut bildhaft.

Ich habe "Unsere Jahre auf Fellowship Point" gern gelesen und es wird noch einige Zeit in mir nachhallen. Ich kann es auf jeden Fall mit allen 5 Sternen empfehlen - nicht nur an verregneten Wochenenden.

Bewertung vom 30.07.2024
Im Nordwind / Nordwind-Saga Bd.1
Georg, Miriam

Im Nordwind / Nordwind-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Freiheit ist Liebe

Der Blick auf das schön gestaltete Cover verrät: es geht nach Hamburg und es geht ein wenig in die Vergangenheit.
Erzählt wird die Geschichte von Alice, die im Arbeiterviertel Uhlenhorst mit ihrer Tochter Rosa und ihrem Mann Henk lebt.

Wenn ein Buch rund um die 600 Seiten hat, ist es mir wichtig, dass ich nicht erst mühsam einen Einstand finde, sondern am besten von Anfang an direkt mitgenommen werde. Das ist Miriam Georg auf jeden Fall gelungen.

Geschrieben hat die Autorin "Im Nordwind" in zwei Zeitebenen, zum einen um 1896 und zum anderen 1912/1913.

In dieser Zeit hatten Frauen gelinde gesagt wenig Rechte. Sie durften kein Land besitzen, nur mit Zustimmung eines Mannes Geld verdienen und beispielsweise auch nicht wählen. Frauen waren vorwiegend unmündig, im Prinzip stellungsgleich mit einem Kind. Erst 1958 wurde das Letztentscheidungsrecht des Ehemanns in allen Eheangelegenheiten ersatzlos gestrichen. Das ist noch gar nicht so ewig lange her, aber trotzdem mittlerweile schwer zu ertragen.

Und deshalb ist es auch nicht einfach, dass Alice sich von ihrem brutalen Mann Henk scheiden lassen möchte. Sie trifft sich dazu mit dem Anwalt John Reeven, der versuchen will, ihr zu helfen.

Die Protagonisten sind herrlich charakterisiert. Alice und ihrer niedlichen Tochter Rosa möchte man sofort helfen und von Henk befreien.
Aber auch die Nebenfiguren sind vielfältig und interessant gestaltet. Da mochte ich Johns Schwester Blanche gern, die so warmherzig ist.

Miriam Georg schildert das Leben im armen, dunklen Arbeiterviertel Uhlenhorst hervorragend und stellt dem das Gebiet am Feenteich gegenüber, in dem John mit seiner Verlobten Evelyn lebt.

Es werden viele Themen aufgegriffen. Das Sehnen und Hoffen, die Freiheit und Menschenrechte, die Menschlichkeit, Brutalität und Liebe. Trotzdem ist das Buch nicht überfrachtet. Eingewoben wird alles in die Stadtgeschichte, was mir richtig gut gefällt. Der Schreibstil ist lebendig, bildhaft und teilweise emotional.

Einzig ein Kritikpunkt wäre für mich der fiese Cliffhanger am Schluss. Wie gut, dass der zweite und finale Band schon im Oktober erscheinen soll. Gegen ein Personenregister hätte ich auch nichts gehabt.

Bewertung vom 19.07.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

Weißt du, wo Rosalie ist?

Das Cover ist ziemlich einfach gestaltet, aber gerade durch diese Schlichtheit gefällt es mir gut. Und es hat einen eindeutigen Bezug zum Buch.

In "Der Bademeister ohne Himmel" lernen wir als erstes Linda kennen. Sie ist ein 15jähriges Mädchen mit Selbstmordgedanken. Aus ihrer Perspektive wird das Buch erzählt. Sie berichtet von Kevin, ihrem intelligenten Freund, den sie seit sechs Jahren kennt und mit dem sie gerne ihre freie Zeit verbringt.
Und von Hubert, einem dementen 86jährigen ehemaligen Bademeister. Bei ihm wohnt die aus Polen stammende Ewa, die ihn pflegt. Und Linda löst Ewa montags, mittwochs und samstags ein paar Stunden ab, damit diese ein wenig Zeit für sich selbst hat.

Petra Pellini beschreibt diese Hauptcharaktere sehr lebhaft. Ich habe sie beim Lesen direkt vor mir sehen können.

Linda zweifelt an sich selbst und ist anderen gegenüber absolut empathisch. Diese Empathie ist nicht nur ein Vorteil für Hubert, auch Ewa und Kevin profitieren davon. Linda wirkt überraschend erwachsen. Sie schildert ihren Alltag feinfühlig und mit einer Portion Humor. Von ihr kann man gut lernen, einen leichteren, kreativen, liebevollen Umgang mit Demenz zu leben.

Der Autorin ist ein besonders Buch gelungen. Respektvoll und realitätsnah schreibt sie über Freundschaft, Enttäuschungen, Familie, Demenz, Depressionen und dem Miteinander der Generationen. Das ist aber weder überfrachtet noch einschläfernd, sondern würdevoll und glaubhaft.

Die Geschichte vom "Bademeister ohne Himmel" wird mich gedanklich noch einige Zeit beschäftigen. Ich vergebe alle 5 Sterne und empfehle es ausgesprochen gerne weiter.

Bewertung vom 16.06.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


sehr gut

Im Kaffeehaus und im Kopf

Das Cover ist sehr schlicht in blau und grau gehalten. Ein Mann auf einer Straße. Und genau dieses Cover passt zum einen zum Titel und zum anderen auch zu dem Thema des Buches.

In "Seinetwegen" erzählt Zora del Buono von ihrem bei einem Autounfall im heimatlichen Zürich gestorbenen Vater, den Oberarzt Manfredi del Buono. Sie war in jenem Jahr 1963 gerade mal ein paar Monate alt. Ihre Mutter hat danach nicht mehr geheiratet und ist mittlerweile an Demenz erkrankt.
60 Jahre nach dem einschneidenden Ereignis begibt sich die Autorin auf die Suche des damals 28jährigen Unfallverursachers und teilt ihre Gedanken auf 201 Seiten mit.

Mich hat die Inhaltsangabe berührt, denn ich musste als 10jähriges Kind erleben, wie meine Mutter nach einem Autounfall verstorben ist. Allerdings war es in unserem Fall so, dass auch die Verursacherin, die unter Alkohol- und Tabletteneinnahme stand, den Unfall nicht überlebt hat und es somit keinen Grund zur Suche gab.

Und das war für mich eigentlich auch eine Frage, die sich schnell auftat. Warum hat Zora del Buono 60 Jahre gewartet, bis sie sich auf die Suche gemacht nach jenem E.T. gemacht hat? Das kann nicht nur der Schmerz gewesen sein, den sie ihrer Mutter nicht antuen wollte.

Die Autorin schreibt einiges über ihre Kindheit und das Heranwachsen. Wie es ist, wenn jemand fehlt, der doch zur kleinen Familie gehört. Sie berichtet von diversen Kaffeehausbesuchen und dabei geführten tiefgründigen Gesprächen mit befreundeten Menschen. Und dann werden unter anderem noch Dudenzitate oder Aktennotizen aufgeführt.
Insgesamt kommt mir das vor, wie Gedanken, die sprunghaft ins Gedächtnis kommen und aufgezeichnet werden, vermischt mit Tatsachen und Fakten. Zudem kommen einige schwiitzerdütsche Ausdrücke vor. Es ist sprunghaft und das macht es zum Teil auch nicht gerade einfach zu lesen. Deshalb waren die nicht gerade üppigen 201 Seiten, auf denen teilweise auch Fotografien eingefügt sind, für mich nicht schnell zu lesen. Manches hat einen langen Nachhall, weil ich nach dem Tod meiner Mutter ähnliche Gedanken hatte.

Ich gebe diesem Buch, was zum einen sehr gefühlvoll und fast poetisch ist, aber auch einige ganz präzise und glasklare Abschnitte hat, vier Sterne und denke, es ist kein Buch für jeden und auch nicht um es mal so nebenbei zu lesen.

Bewertung vom 03.06.2024
Das Licht in den Birken
Fölck, Romy

Das Licht in den Birken


sehr gut

Ich mag es, allein zu sein

Von Romy Fölck hatte ich "Die Rückkehr der Kraniche" gelesen und war davon sehr angetan. So habe ich mich gefreut, dass nun ein weiterer Roman abseits der Krimis, von ihr erschienen ist.

Die Geschichte bringt uns zu Benno Findeisen und seinem hoch verschuldeten Gnadenhof der Tiere in der Lüneburger Heide. Thea, eine Frau Mitte 50, zieht mit ihren zwei Ziegen von Portugal in einer der Wohnungen auf diesem Hof. Und dann stößt noch die junge Juli dazu, die sich auf ihrer Wanderung vom Norden Richtung Amsterdam den Fuß verletzt.

Die Beschreibung der Landschaft ist äußerst gelungen, wie auf dem Cover sehe ich die Nebelschwaden am Morgen aufsteigen oder den Sternenhimmel am Abend leuchten. Der Gnadenhof gefällt mir besonders gut. Würde ich jünger sein, wäre genau das mein Traum.
Bei den Charakteren hätte ich nichts gegen etwas tiefere Ausflüge in das Seelenleben der drei Hauptfiguren gehabt.

Der Roman wird abwechselnd aus Sicht der Protagonisten verfasst. Das ist kein neuerfundener Stil, passt hier aber sehr gut, denn dadurch wird die Geschichte ausgesprochen lebendig und lässt sich flüssig lesen. Richtig weglegen mochte ich das Buch kaum.

Benno, Thea und auch Juli tragen jeweils ein familiäres Problem mit sich durchs Leben und sind sich damit ähnlicher, als sie zunächst denken. Zudem gibt es weitere Komplikationen, denen sie sich stellen müssen. Und das ist mein zweiter Kritikpunkt. Auch wenn ich mich freue, dass sie jeweils eine Lösung finden, ist der Prozess doch immer arg rasch. Und dann gibt es zudem den einen oder anderen Zufall, der schon etwas vorherzusehen ist.

Alles in allem habe ich das Buch gerne gelesen und fühlte mich auch gut unterhalten. Aufgrund meiner angesprochenen Kritikpunkte vergebe ich 4 Sterne und empfehle "Das Licht in den Birken" gerne als ansprechende Sommerlektüre weiter.

Bewertung vom 06.05.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


ausgezeichnet

Cape Cod - nicht nur Idylle

Ach, so ein schönes Cover. Da träumt man vom Sommer am Strand. Oder sollte man eher die dunklen Wolken betrachten?

Die Autorin Adrienne Brodeur ist mir bekannt durch ihr Buch "Wild Games", welches mich fasziniert hat. So war ich gespannt auf das aktuelle Werk "Treibgut".

Wir Lesenden werden mitgenommen nach Cape Cod und lernen dort die Familie Gardner kennen. Zunächst ist da Adam, der knapp 70jährige Familienvater. Ein Meeresbiologe, der sich besonders auf Wale spezialisiert hat, manisch-depressive Schübe erleidet und seit vielen Jahren Witwer ist.
Sein Sohn Ken ist ein erfolgreicher Immobilienmakler, Vater der Zwillingsmädchen Tessa und Frannie und Mann von Jenny.
Auf sein Wohlwollen ist Abby angewiesen, seine 3 Jahre jüngere Schwester. Eine feinsinnige Künstlerin, die von ihrem Geliebten ein Kind erwartet.
Und dann ist da noch Steph Murphy, junge Mutter eines Sohnes, die gerne ihre Familiengeschichte aufklären möchte.

Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht dieser Personen geschrieben und man erkennt früh, dass keine paradiesischen Zustände an diesem schönen Ort herrschen.
Die Charaktere sind facettenreich gewählt und gut erdacht.
Ganz wunderbar empfinde ich die Beschreibungen der Natur, da sehe ich vieles bildhaft vor mir.

Adrienne Brodeur hat einen sehr angenehmen, lebendigen, manchmal poetischen Schreibstil, der dem Buch einen kurzweiligen Charme gibt.

Es werden viele Seiten einer verstrickten Familiengeschichte angesprochen, mit Träumen und Hoffnungen, aber auch mit Schmerz und ausgesprochenen oder verschwiegenen Verletzungen.

Der Autorin ist ein vielschichtiger, gut unterhaltender Roman gelungen, den ich gerne gelsen habe und der auch noch in meinen Gedanken Nachhall findet. Ich vergebe gerne die volle Sternanzahl und empfehle das Buch nicht nur als Sommerlektüre.

Bewertung vom 04.05.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


sehr gut

Der Preis der Hoffnung

So ein schönes Cover - bei dem Anblick habe ich zunächst nicht an Krieg und dessen Folgen gedacht.

Ehrlicherweise muss ich zudem sagen, dass ich mich mit dem Vietnamkrieg nicht richtig gut auskenne. Aus dem Schulunterricht weiß ich, dass dieser grausame Krieg in den Jahren von 1955 bis 1975 zunächst zwischen Nordvietnam und der Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams stattgefunden hat.
Nach dem sogenannten Tonkin-Zwischenfall im August 1964, bei dem ein US-Marineschiff im Golf von Tonkin von nordvietnamesischen Torpedobooten grundlos beschossen worden ist, griff die USA auf der Seite des Südens ein. Wobei sich herausstellte, dass es sich um einen inzenierten Angriff handelte damit die USA die Möglichkeit für ein Einschalten hatte, um gegen das Vordringen des Kommunismus in Südostasien anzutreten.
Gebracht hat der Krieg mit Millionen Toten, Verletzten und Traumatisierten nichts, schon gar nicht die Demokratie für Südvietnam.

In diesen Krieg und seine Auswirkungen nimmt uns die 1973 in Vietnam geborene Autorin Nguyễn Phan Quế Mai mit. Sie schreibt die Geschichte "Wo die Asche blüht" in drei Erzählsträngen und zwei Zeitebenen.
Wir lernen die Schwestern Trang und Quỳnh im Jahr 1969 kennen. Sie leben im Mekongdelta mit ihren Eltern. Der Vater ist Kriegsinvalide und die Familie hoch verschuldet. Die Schwestern gehen nach Saigon, um dort als Barmädchen Geld zu verdienen.
Im Jahr 2016 versucht Phong ein Ausreisevisum für sich und seine Familie von Vietnam nach Amerika zu bekommen. Er ist ein "Amerasier", ein Kind einer vietnamesischen Mutter und eines Amerikaners. Früh kam er in ein Heim und wird aufgrund seiner dunklen Hautfarbe aus der Gesellschaft ausgeschlossen.
Ebenfalls im Jahr 2016 reisen Dan und seine Frau Linda nach Vietnam. Dan ist ein ehemaliger Hubschrauberpilot, noch immer traumatisiert von den Erlebnissen im Vietnamkrieg.

Die Figuren sind alle sehr feinfühlig und glaubhaft dargestellt. Ich habe jeden auf seine Art verstehen und das Handeln nachvollziehen können. Allerdings hatte ich zu Beginn mit den Namen und der ungewohnten Schreibweise meine Probleme. Das hat sich dann im Verlauf des Lesens aber wesentlich gebessert.

Die Autorin beschreibt dramatische historische reale Begebenheiten ausgesprochen undramatisch, aber spannend und empathisch. Ich wurde in die Erzählung förmlich eingesogen und konnte das Buch nur schwer aus den Händen legen.

Es handelt sich um eine brisante und leider wieder aktuelle Thematik. Krieg, mit seinen direkten aber auch vielen indirekten Folgen.

Zum Ende verweben sich die Stränge miteinander, wobei mir das ein wenig zu unzufällig ist.

Ich vergebe eine unbedingte Leseempfehlung für ein Buch, das einem nicht so schnell aus dem Kopf geht.