Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Blümchen
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 187 Bewertungen
Bewertung vom 18.06.2025
Atmosphere
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


sehr gut

Der Weg zu den Sternen

Wenn Taylor Jenkins Reid ein neues Buch herausbringt, ist spätestens seit „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ die Aufregung der Leserschaft groß. Ihre Bücher gelten als Garanten für nahezu perfekte Unterhaltung und für Geschichten, die sofort jeden in ihren Bann ziehen.

Nun wagt sie sich mit „Atmosphere“ weg von Storys aus dem Bereich der Reichen und Schönen und greift wortwörtlich nach den Sternen. Ihre neue Geschichte ist angesiedelt im Umfeld eines Astronautentrainingsprogramms in den 1980er Jahren und thematisiert zum einen die harten Bedingungen, unter denen die wenigen Auserwählten ausgebildet wurden sowie den Konkurrenzkampf untereinander, zum anderen aber auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei Anwärtern – mit all den Schwierigkeiten, die diese zum damaligen Zeitpunkt und in diesem Umfeld mit sich brachte.

Wie immer erzählt die Autorin ihren Plot souverän. Auf zwei Zeitebenen begleiten wir Joan Goodwin – einmal durch ihre Ausbildung und einige Jahre später, als sie bei einer verhängnisvollen Mission ihrer Ausbildungskollegen im Kontrollzentrum sitzt und für den Funkkontakt mit dem Space Shuttle verantwortlich ist. Als dort unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten und das Leben der Astronauten am seidenen Faden hängt, wird damit ihr gesamtes Lebenskonzept auf die Probe gestellt.

Anfangs fand ich leider nur den Erzählstrang um die laufende Space-Shuttle-Mission interessant. Beim zweiten Erzählstrang, in der sich die Ausbildungsklasse kennenlernt und versucht, trotz Konkurrenzkampf zusammenzuwachsen, habe ich mich gefragt, wo das denn hinführen soll und fand es etwas blass und anfangs teilweise nichtssagend. Um nicht zu sagen etwas langweilig. Als ich dann merkte, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, war ich aber positiv überrascht, wie gut letztlich beide Erzählstränge ineinandergreifen und Sinn ergeben. Vielleicht hätte man am Anfang ein wenig straffen können – aber vielleicht hätte das auch die Entwicklung vorweggenommen.

Letztlich war es für mich gute Unterhaltung mit einem spannenden wissenschaftlichen Hintergrund. Durch den anschaulichen Schreibstil ist man trotz des (für Nicht-Wissenschaftler) fordernden Settings mittendrin in der Geschichte und kann ihr gut folgen. Für Fans von Taylor Jenkins Reid ist das Buch mit Sicherheit wieder eine Offenbarung, für alle anderen aber auf jeden Fall ebenfalls einen Versuch wert!

Bewertung vom 09.06.2025
Die Rettung
McConaghy, Charlotte

Die Rettung


ausgezeichnet

 

Die Rettung? Oder Der Untergang?

 

Stell dir vor du lebst auf einer Insel, die 1.500 km vom nächsten Land entfernt ist. Stell dir vor, auf dieser Insel gibt es nur deine Familie und ca. 20 Wissenschaftler auf einer Forschungsbasis. Stell dir vor, diese Insel liegt zwischen Australien und der Antarktis - also dort, wo der Sturm peitscht und der Regen eiskalt ist. Und stell dir vor, das ist der „best case“, der Idealzustand. Doch die Realität sieht anders aus…

 

Die Forscher sind alle weg. Das Forschungsprojekt wurde aufgegeben, denn die Forschungsstation wird langsam überflutet. Immer öfter kommt die Flut den Bauten zu nah, einige sind schon ins Meer gestürzt. Das Funkgerät, die einzige Verbindung zum Festland, hat jemand zerstört. Und am Strand, halb eingewickelt in riesige Seetang-Blätter, liegt eine verletzte fremde Frau.

 

Das ist die Ausgangssituation für Charlotte McConaghys neuen Roman. Sie beschreibt eine Insel, die unwirtlich und zum Teil auch unwirklich erscheint, mysteriös und fordernd. Dominic Salt lebt seit 8 Jahren mit seinen drei Kindern auf dieser Insel, als Verwalter der Forschungsstation. Doch ihre letzten Wochen sind angebrochen, mit dem nächsten Versorgungsschiff sollen sie die Insel verlassen. Jeder der vier Menschen - Dominic, sein ältester Sohn Raff, die 17jährige Fen und der neunjährige Orly - hadert auf seine Weise damit, die Insel zu verlassen, die trotz ihrer Tücken zur Heimat geworden ist. Und dann wird das fragile Gleichgewicht dadurch gestört, dass plötzlich eine fremde Frau an Land gespült wird. Sie lebt noch und die Familie päppelt sie wieder auf. Doch wie kommt sie auf diese abgelegene Insel? Was war oder ist ihr Plan? Und kommt sie vielleicht den Geheimnissen auf die Spur, die Dominic und seine Familie auf dieser Insel hüten? Oder hat sie selbst Geheimnisse, die niemand erfahren darf?

 

Die Autorin schafft es mit ihrem Schreibstil, eine unglaublich dichte, düstere Atmosphsäre zu kreieren. Sie verleiht jeder Figur Tiefe und lässt sie mit ihren jeweils eigenen Dämonen kämpfen. Das wiederum schafft immer wieder unterschwellige Spannung, denn vieles bleibt zunächst ungesagt und insbesondere zwischen der geretteten Rowan und Dominic entwickelt sich nur langsam Vertrauen, das jedoch auch immer wieder in Frage gestellt wird.

 

So wissen auch die Leser über lange Zeit nicht, wem sie trauen können - und man kann die Charaktere und ihre Handlungen oft nicht einordnen. Dennoch ist man eingenommen von der rauhen Schönheit der Insel und ihrer Flora und Fauna. Insbesondere Fen liebt die Tiere der Insel und bewegt sich völlig unbeschwert zwischen See-Elefanten und Robben. Raff liebt die Walgesänge und fährt extra mit dem Boot hinaus, um sie aufzunehmen - kein ungefährliches Unterfangen. Orly ist wissbegierig und liebt Pflanzen. Dass die Insel ein riesiges Saatgutlager mit Samen aus allen Teilen der Erde enthält, fasziniert ihn.

 

Und so schildert die Autorin die Vergänglichkeit allen Lebens im Zusammenhang mit der Schönheit der Natur und den Gefahren des Klimawandels - eingebettet in eine spannende Geschichte über Verlust, Familie und Vertrauen. Nature Writing at its best!

Bewertung vom 02.06.2025
Die sieben Geheimnisse meiner Schwester
Ringland, Holly

Die sieben Geheimnisse meiner Schwester


sehr gut

Vielleicht wählte sie die Tiefe. Vielleicht ist sie frei.

Dies ist eines von sieben Zitaten, die sich Aura Wilding auf den Rücken tätowieren ließ, bevor sie spurlos verschwand. Ein Jahr, nachdem die junge Frau an einem tasmanischen Strand zuletzt gesehen wurde, erfährt ihre Schwester Esther durch Auras Tagebuch von den Tätowierungen. Die im Tagebuch festgehaltenen sieben Bilder geben ihr ebenso viele Rätsel auf wie die jeweils dazu gehörenden Zeilen. Esther begibt sich auf Spurensuche und fährt nach Dänemark, wo Aura einige Zeit lebte, bevor sie gebrochen nach Tasmanien zurückkehrte und kurz darauf für immer verschwand. Ihre Reise führt Esther letztlich bis auf die Färoer-Inseln und zeigt ihr, dass ihre starke große Schwester mehrere schwerwiegende Geheimnisse hütete.

 

Dieses Buch hatte für mich das Potential zu einem echten Highlight. Esthers Reise und ihre Erkenntnisse rund um ihre Schwester sind stimmungsvoll, oft auch ein wenig melancholisch geschildert und zeigen immer wieder Bezüge zu den Mythen der nordischen, aber auch tasmanisch-australischen Kultur auf. Viele Schauplätze bzw. konkrete Orte kann man sich selbst auf der Karte ansehen, auch die Skulpturen, auf die das Tagebuch Bezug nimmt, existieren wirklich.

 

Esther kann die recht umfangreiche Geschichte grundsätzlich tragen, weil sie ein vielschichtiger Charakter ist und man ihre vielen kleinen und größeren „Baustellen“ gut nachvollziehen kann. Auch dass sie wie gefangen ist in ihrer Trauer um die große Schwester, mit der sie als Kind und Jugendliche so eng war… Esther merkt schon, dass es da „Lücken“ gibt, die sie mit Erinnerungen nicht logisch füllen kann und dass da mehr sein muss als Aura ihr erzählt hat. Aber so sehr sie herausfinden möchte, was wirklich passiert ist, soviel Angst hat sie auch davor, was dabei vielleicht herauskommen wird. Als sie sich dann einen Ruck gibt und ans andere Ende der Welt fliegt, ist man als Leser schon richtig stolz auf sie, dass sie es wagt, sich allein auf Spurensuche zu begeben. Und die Begegnungen, die sie dort hat und die sie langsam wieder „gerade rücken“, sind toll in den Roman eingebettet.

 

Leider hat das Buch – gerade am Anfang und im Mittelteil - einige Längen. Mit 100 Seiten weniger und einem gestrafften Beginn hätte es für mich ein Highlight sein können. Aber leider war ich bis zur Mitte des Buches doch immer mal etwas ungeduldig, weil wenig vorwärts ging und sich der Roman ein wenig in den angesprochenen Märchen und Mythen verlor.

 

Wer mit einem eher ausschweifenden Schreibstil gut umgehen kann, der kann sich richtig fallen lassen in diese teilweise mystische, teilweise abenteuerliche, oft traurige aber trotzdem irgendwie immer hoffnungsvolle Geschichte. Alles in allem vergebe ich 4 (mit der Tendenz zu 5) Sterne und eine Leseempfehlung für diejenigen, die gern in Büchern an unbekannte Orte reisen – und auch für und an sich selbst etwas Neues entdecken wollen.

Bewertung vom 13.05.2025
Die Garnett Girls
Moore, Georgina

Die Garnett Girls


gut

Es wird viiiiiiiel geredet – aber es passiert nicht viel

 

Die Dynamiken in einer Familie darzustellen ist nicht einfach. Sie anhand eines Romans so darzustellen, dass Leser gefesselt werden, obwohl das Buch nicht handlungsorientiert ist, ist noch schwerer. Mich konnte die Autorin mit ihrer Erzählweise leider nicht ganz einfangen.

 

In diesem Roman geht es um Margo und ihre Töchter. Margo, die eine Art „Matriarchin“ ist und das Zepter der Familie in der Hand hält, seit ihr Mann sie vor vielen Jahren verlassen hat. Die drei Töchter Rachel, Imogen und Sasha, die aufgrund ihres Alters damals unterschiedlich viel mitbekommen haben vom großen Familiendrama. Aber es prägt sie alle bis ins Erwachsenenalter.

 

Und so werden die Lebenswege aller vier „Garnett Girls“ (einschließlich Margo) rekapituliert und ihre (derzeitigen) Lebenssituationen analysiert. Alle reden miteinander – und das ist in diesem Buch Fluch und Segen zugleich. So schön es ist, ein Buch zu lesen, in dem die Protagonistinnen tatsächlich mal alle miteinander sprechen. Aber wenn sie ständig miteinander sprechen, ohne dass es zu etwas führt, wird es zäh… Hier hatte ich leider den Eindruck, dass endlos geredet wird, die Gespräche aber unproduktiv waren. Somit kam für jede Protagonistin noch ein „Erzählstrang“ dazu, in dem ihre wahren Gedanken und Gefühle thematisiert wurden. Bei mir als Leser führte das dazu, dass ich ein Gewirr von Gedanken (von vier Leuten) aufnahm, welches ich kaum wirklich sortieren konnte. Es wurden viele Baustellen aufgemacht, an denen aber gefühlt endlos gewerkelt wurde. Die Handlung hatte somit auch immer etwas von „angezogener Handbremse“.

 

Ich konnte allerdings gut eintauchen in die Atmosphäre der Isle of Wight und des Sommerhauses, auch wenn ich nichts dagegen gehabt hätte, wenn Setting und Landschaft eine noch größere Rolle gespielt hätten.

 

Was mich ein wenig irritiert hat: Alle vier Frauen schoben die Trennung von Margo und ihrem Mann darauf, dass er ein Trinker war und verteufelten dies. Gleichzeitig schienen alle vier hieraus in keinster Weise gelernt zu haben und schlugen selbst gern über die Stränge. Ich habe die Whiskys und Gin Tonics nicht gezählt, die von den Ladies verbraucht wurden… das fand ich merkwürdig und unreflektiert, da hätte ich mir mehr Auseinandersetzung mit dem Thema gewünscht.

 

Fazit:

Ein Sommerroman, der wie leichte Wellen am Strand dahinplätschert und der mich zwar gut unterhalten, aber nicht mitgerissen hat.

Bewertung vom 10.05.2025
The Surf House
Clarke, Lucy

The Surf House


ausgezeichnet

Spannende Geschichte + Urlaubsflair = Lucy Clarke

Marokko - das klingt geheimnisvoll und aufregend zugleich. Für Bea ist es nur ein weiterer Ort, von dem sie nicht viel sieht, obwohl sie dort arbeitet. Das junge Model ist ausgebrannt.

Eine Kurzschlussreaktion führt allein durch die Straßen Marrakeschs - mit fatalen Folgen. Ihre Retterin in der Not nimmt sie mit in ihr Hostel am Meer und hier, unter Surfern und Aussteigern, findet Bea endlich etwas Ruhe. Doch diese währt nicht lange, denn sie spürt, das etwas nicht stimmt. Als dann noch ein junger Mann auftaucht, der nach seiner spurlos verschwundenen Schwester sucht, stellt sich Bea die Frage, auf wie vielen Lügen diese Gemeinschaft aufgebaut ist.

Die Bücher von Lucy Clarke ziehen mich immer sofort mitten hinein in ein neues Land, eine Stimmung, eine spannende Geschichte - so auch hier wieder. Nachdem ihre letzten beiden Romane (leider) sehr ähnlich aufgebaut waren, konnte mich dieses Buch wieder richtig begeistern, weil es wieder etwas unvorhersehbarer konzipiert war. Ich habe das Buch in nur zwei Tagen verschlungen und wurde mit einer spannenden Geschichte und trotzdem einem gewissen Urlaubsflair unterhalten - das begeistert mich immer wieder bei Lucy Clarke. Tolles Setting, gute Story - ich hab es sehr gemocht!!!

Bewertung vom 03.05.2025
Bad Tourists (eBook, ePUB)
Carver, Caro

Bad Tourists (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Urlaubsstimmung meets Spannung – toll umgesetzt!

Ich glaube, so langsam werde ich zu einem Fan der sogenannten „Destination Thriller“. Spannende Plots treffen auf Settings mit viel Urlaubsflair und garantieren beste Unterhaltung. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist nach meinem Empfinden dieses Buch.

 

Caro Carver lässt in diesem Roman drei Freundinnen eine Reise auf die Malediven antreten. Grund der Reise ist die Scheidung einer der Protagonistinnen – denn nicht nur bei einer Hochzeit gibt es etwas zu feiern, sondern auch, wenn man den mittlerweile verhassten Ehemann wieder losgeworden ist 😉

Und das tun Kate, Darcy und Camilla. In einem Luxusresort auf den Malediven wollen sie eine Woche lang die Korken knallen lassen. Doch dann werden sie von der Vergangenheit eingeholt – denn ein unschönes Jubiläum steht an. In die Zeit ihres Urlaubs fällt der 22. Jahrestag eines Verbrechens. Und das ist der Grund, weshalb sie sich überhaupt kennen. 22 Jahre vorher war Kate die einzige Überlebende eines Massakers in einem Gästehaus an der englischen Küste. Und Darcy und Camilla haben dabei jeweils nahestehende Menschen verloren. Das Verbrechen verbindet sie und scheint auch auf der Urlaubsinsel immer noch präsent zu sein…

Caro Carver strickt hier eine undurchsichtige Geschichte, die schon einen mysteriösen Ausgangspunkt hat. Denn die Beweisführung im damaligen Prozess gegen den mutmaßlichen „Gästehaus-Mörder“ war lückenhaft und man kann sich nicht richtig sicher sein, was damals wirklich passiert ist. Als Leser vermutet man schnell, dass alles anders gewesen sein muss, als es im Gerichtsprozess letztlich dargestellt wurde.

Doch die Autorin versteht es geschickt, (falsche) Fährten zu legen und immer wieder neue Ansätze ins Spiel zu bringen. Dadurch werden auch die Protagonistinnen zu unzuverlässigen Figuren und man kann auch gegen jede der drei ein gewisses Misstrauen hegen…

 

Aus unterschiedlichen Erzählperspektiven, einschließlich einer weiteren Frau, die gerade ihre Flitterwochen auf den Malediven verbringt, lernt man immer wieder neue Details die es zu bewerten und zusammenzufügen gilt. So entsteht ein spannender Thriller zum Miträtseln.

 

Die Auflösung hat für mich zwar nicht zu 100 %, sondern nur zu 90 % alle Fragen beantwortet. Aber das Gesamtpaket war einfach so gut, so stimmungsvoll und so unterhaltsam, dass ich hier gern 5 Sterne vergebe. Von solchen Thrillern würde ich definitiv gern mehr lesen!

Bewertung vom 29.04.2025
Ms Darling und ihre Nachbarn
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn


ausgezeichnet

Unter jedem Dach ein Ach…

Ich kenne Freya Sampsons Romane als wunderbar warmherzige Bücher, die die Gemeinschaft und die Hilfsbereitschaft zwischen (zunächst fremden) Menschen in den Mittelpunkt stellen. Und diesem Rezept bleibt die Autorin auch in diesem Buch treu.

Diesmal geht es um die 77jährige Dorothy Darling, die seit Jahrzehnten die Geschicke des Shelley House lenkt, indem sie tatkräftig Parksünder, Müll-Schweinchen und Lärmverursacher meldet und alle Vorfälle akribisch in ihrem Notizbuch vermerkt. Als bei ihrem langjährigen Nachbarn Joseph die junge Kat als Untermieterin einzieht, ist Dorothys Argwohn geweckt. Und als merkwürdige Briefe des Vermieters bei allen Hausbewohnern eintrudeln, vermutet Dorothy das Schlimmste. Und sie hat recht. Die Räumungsaufforderung steht im Raum. Und dann wird ihr Nachbar Joseph mit einer schlimmen Kopfwunde in seiner Wohnung aufgefunden. Dorothy vermutet eine Verschwörung…

Es sind sicherlich keine neuen Zutaten, aus denen Freya Sampson diesen Roman erschaffen hat. Doch wie immer erzählt sie mit einer Herzenswärme, die ihresgleichen sucht und erschafft Charaktere, die einem im Gedächtnis bleiben. Allen voran die schroffe und resolute Dorothy. Bei ihren Szenen weiß man oftmals nicht ob man entsetzt Luft holen oder in lautes Lachen ausbrechen soll. Doch wie immer hat die Autorin ihrer Figur eine Geschichte gegeben und nach und nach versteht man, warum Dorothy genau so ist wie sie ist. Und auch die Nebenfiguren sind wieder liebevoll gezeichnet. Von der sanftmütigen und hilfsbereiten Teenagerin Ayesha bis zum hyperaktiven Hund Reggie bekommen alle einen eigenen Charakter und man fühlt sich schnell, als wären es die eigenen Nachbarn, von denen man hier liest. Und hinter jeder geschlossenen Wohnungstür verbirgt sich eine ganz eigene Geschichte, die die Autorin Stück für Stück ans Licht holt.

Ich habe mich mit diesem Buch wieder wunderbar unterhalten gefühlt und finde, es steht dem Vorgänger „Menschen, die wir noch nicht kennen“ in Nichts nach. Auch jetzt freue ich mich schon darauf, wenn (hoffentlich!) das nächste Buch der Autorin erscheint und ich wieder abtauchen kann in eine Schicksalsgemeinschaft, in der ich neue Figuren mit interessanten Geschichten kennenlerne und mit ihnen durch Höhen und Tiefen gehen kann. Ein tolles Buch für mehr Mitmenschlichkeit.

Bewertung vom 16.04.2025
Die Sternenforscherin
Mahler, Nico

Die Sternenforscherin


sehr gut

Der Weg zu den Sternen

 

Eigentlich hieß sie Nancy. Warum hier im Roman mit einem Pseudonym gearbeitet wurde, kann ich nicht sagen. Nancy Grace Roman war in den 1960er Jahren die erste Chef-Astronomin der NASA – ein Beruf, den sie sich mit Sicherheit hart erarbeiten musste. Viel härter, als es ein Mann hätte tun müssen.

 

Hier im Roman heißt diese Frau Maureen und stammt aus einer gut situierten Familie. Da diese sie – wie in dieser Zeit für höhere Töchter üblich – gern am Musikkonservatorium ausbilden lassen möchten, damit sie eine Karriere im kulturellen Bereich anstreben kann, greift Maureen zu einer List und schreibt sich in New York an zwei Colleges ein. Am Konservatorium studiert sie Musik, an einer anderen Universität treibt sie ihre wissenschaftliche Karriere voran.

 

Völlig erschöpft muss sie sich jedoch irgendwann für eines von beiden entscheiden – und sie wählt ihre große Liebe, die Astronomie.

 

Fortan geht sie zielstrebig ihren Weg und ist später maßgeblich daran beteiligt, Teleskope zu bauen und die Apollo-Missionen der USA zu betreuen.

 

Es ist unheimlich interessant, den Lebensweg dieser klugen, zielstrebigen und engagierten Frau zu verfolgen. Das Buch macht Spaß, es zieht einen in seinen Bann und man fliegt durch die Seiten, um Maureen auf ihrer „Reise zu den Sternen“ zu begleiten – durch Erfolge und Misserfolge, Gefühlschaos und politische Tänze auf dem Vulkan.

 

Und hier steckte für mich das große Manko: ich hatte die ganze Zeit keine Ahnung, was von den erzählten Handlungen wahr ist und was fiktional. Wird hier wirklich das Leben der ersten Chef-Astronomin der NASA erzählt (lt. Klappentext „Roman über eine der brillanten, aber lange vergessenen Frauen in der Wissenschaft“)? Oder ist es doch ein rein fiktionales Werk, das nur den Titel „erste Chef-Astronomin der NASA“ aufgreift, aber sich nicht wirklich an deren Lebensweg orientiert? Leider gibt es weder ein Nachwort noch sonstige erklärende Worte, also muss man recherchieren und googeln, um sich ein Bild darüber machen zu können, welche Komponenten des Romans „echt“ sind und welche fiktional. Das habe ich bei anderen Romanen, die auf realen Persönlichkeiten basieren, schon deutlich besser umgesetzt gesehen. Schade.

 

Im Großen und Ganzen bietet das Buch aber einen guten Einblick in das wissenschaftliche Arbeiten dieser begabten Wissenschaftlerin. Zu Recht wird ihr ein Denkmal in Buchform gesetzt, auch wenn ich es schöner gefunden hätte, sie dann auch tatsächlich bei ihrem Namen zu nennen, damit dieser nicht in Vergessenheit gerät bzw. überhaupt erst einem größeren Personenkreis bekannt wird.

Bewertung vom 01.04.2025
Abroad in Japan
Broad, Chris

Abroad in Japan


ausgezeichnet

 

Vom Kulturschock zur neuen Heimat

 

Mittlerweile lebt der gebürtige Brite Chris Broad seit 13 Jahren in Japan und das Land ist zu seiner neuen Heimat geworden. Wie sich sein Leben in diesem Land entwickelte, kann man auf seinem YouTube-Kanal „Abroad in Japan“ verfolgen, wo er regelmäßig Videos postet. Jetzt hat er die Anfänge seiner verrückten Japan-Reise in Worte gefasst und zu einem Buch verarbeitet.

 

Denn der Beginn war gänzlich unspektakulär – er kam im Zuge eines Austauschprogramms für junge Lehrer nach Japan und hatte sich akribisch hierauf vorbereitet. Akribisch hieß in dem Fall, er hatte schon mal gehört, dass es die Städte Tokio, Kyoto oder Osaka gab. Und Sushi. Viel mehr wusste er nicht über Japan.

 

Als es dann tatsächlich klappte, dass er für den Job als Englischlehrer an einer japanischen Schule angenommen wurde, hatte er keine Ahnung worauf er sich einließ. Und so kam es wie es kommen musste – die Ankunft in Japan war begleitet von einem riesigen Kulturschock. Doch Chris-Sensei (wie ihn seine neuen Kollegen nannten („Lehrer Chris“) boxte sich durch und lernte dieses völlig fremdartige Land mit den merkwürdigen Traditionen und Gebräuchen lieben. Er blieb. Auch nachdem sein Lehrer-Programm endete und er auf sich allein gestellt war. Nicht alle Vorhaben waren erfolgreich, an vielen Punkten in seinem Leben zweifelte er. Doch immer wieder blieb er standhaft und kam wieder auf die Füße – auch dank weniger, aber sehr guter Freunde, die ihn in Japan auf seinem Weg begleiteten.

 

Für mich als Leser war es faszinierend, einzutauchen in diese fremde Kultur mit ihren für Mitteleuropäer zuweilen sehr merkwürdig anmutenden Sitten. Schon die klimatischen Bedingungen mit heißen Sommern und kalten, schneereichen Wintern waren mir so nicht bekannt und die Vielfalt der japanischen Küche war auch ein Thema für sich... ;-)

 

Am spannendsten waren aber die kulturellen Unterschiede, die es ja zuhauf gibt. Positiv beeindruckt war ich von dem Respekt vor Älteren, der sehr streng gelebt wird. Abgefahren fand ich die Love Hotels, die Kapsel-Hotels oder den Raketenalarm, der Chris eines Nachts aus dem Schlaf riss.

 

Man bekommt einen Einblick ins japanische Leben – natürlich aus der Sicht eines Menschen, der dies ebenfalls alles zum ersten Mal erlebt und das macht es so nachvollziehbar. Ich war gern mit Chris unterwegs und kann das Buch allen, die Japan ohne einen 12-Stunden-Flug kennenlernen wollen, nur empfehlen!

Bewertung vom 22.03.2025
Die Melodie der Lagune
Constable, Harriet

Die Melodie der Lagune


sehr gut

Wieviel Vivaldi steckt in den „Vier Jahreszeiten“?

 

Die Geschichte der Anna Maria della Pieta ist wahrscheinlich exemplarisch für das männlich bestimmte Erzählbild der Historie. Anna Maria war eine Ausnahme-Violinistin und während heute die Namen Anne-Sophie Mutter oder Vanessa Mae vielen Musikfreunden ein Begriff sind, wurden die großen Musikerinnen der Geschichte oft einfach vergessen… es gibt kaum Aufzeichnungen über sie und mit ihrer Generation starb üblicherweise auch die Erinnerung an sie.

 

In diesem Roman erzählt Harriet Constable anhand weniger, aber akribisch recherchierter Belege von einer außergewöhnlich begabten Frau. Anna Maria della Pieta war ein Waisenkind aus Venedig, das im dortigen Ospediale della Pieta aufwuchs. Ihr Glück: das Haus war gleichzeitig eine Musikschule und so erhielten begabte Mädchen eine besondere Förderung und hatten die Möglichkeit, Instrumente zu erlernen.

 

Anfang des 18. Jahrhunderts trafen hier zwei Menschen aufeinander und diese Begegnung hatte Folgen für die Musikwelt… ein junger Mann begann im Pieta seinen Lehrauftrag für Violine und eine junge Frau stellte sich als besonders talentierte Schülerin heraus. Ihre Namen: Antonio Vivaldi und Anna Maria della Pieta.

 

Vivaldi förderte Anna Maria und bezog sie und ihre Kolleginnen des Musikschul-Orchesters sogar immer wieder ein, wenn er an neuen Stücken oder Auftragswerken komponierte. Doch die fertigen Stücke trugen immer (nur) seinen Namen… Niemand kann sagen, wie viele Ideen oder Passagen seiner Werke tatsächlich von Vivaldi selbst stammen – auch bei seinem bekanntesten Werk muss man mittlerweile wohl zumindest für möglich erachten, dass es von den Kompositionen seiner Schülerinnen beeinflusst oder mit diesen angereichert wurde.

 

Nachdem Anna Maria im Erwachsenenalter mitbekommt, wie schamlos ihre Ideen ausgenutzt werden, entfernt sie sich von ihrem Mentor und wird selbst zur Musiklehrerin.

 

Die Autorin muss Anna Marias Geschichte an vielen Stellen ausschmücken oder fiktional gestalten, da nur sehr wenig über sie schriftlich festgehalten ist (wie das Nachwort verrät). Sicher ist jedoch, dass sie eine außergewöhnlich gute Musikerin und Komponistin war – und mit diesem Buch erfährt sie endlich die Aufmerksamkeit, die ihr seit Jahrhunderten gebühren würde.

 

Ich bin froh dieses Buch gelesen und Anna Maria „kennengelernt“ zu haben. Ich finde es sehr wichtig, dass zumindest in der jetzigen Zeit versucht wird, den „vergessenen“ Frauen der Geschichte eine Stimme zu geben. Daher kann ich nur jedem mit historischem Interesse empfehlen: lest dieses Buch.