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Heike

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Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 17.02.2024
Sepia und das Erwachen der Tintenmagie / Sepia Bd.1
Bell, Theresa

Sepia und das Erwachen der Tintenmagie / Sepia Bd.1


ausgezeichnet

Sepia ist ein Waisenkind, das in der berühmten Druckerei von Flohall aufgenommen wird. Sie weiß nicht, warum sie diese Chance erhält, spürt aber, dass sie anders ist, als die anderen Kinder. Für den Buchdruck scheint sie kein Talent zu haben, dafür sieht sie Bleiläuse und entwickelt eine außergewöhnliche Beziehung zu einem kaputten Bleistäbchen.
Doch dann geraten die Meister der Druckerei und das ganze Dorf in Gefahr, als plötzlich Aschegeister auftauchen und Spekulationen über einen bösen Alchemisten die Runde machen. Sepia und ihre Freunde machen sich auf die Suche, um das Geheimnis um den Alchemisten zu lüften und Flohall zu retten.

Das Setting rund um die Buchdruckerei ist Theresa Bell sehr gelungen. Hier geht es nicht nur am Rande um Bücher, Tinte und Papier. Eine Vielzahl von kreativen Begriffen wie "Seitenkleister" oder "Tintenteufel" erzeugen eine durchgehend "buchige" Atmosphäre. So heißt beispielsweise die Inhaberin des Cafés "Serif Zeile" und der Buchbindermeister "Silbersilbe". Die Schimpfwörter wie "Fischpfütze", die die Kinder ab und zu benutzen, haben mich oft zum Schmunzeln gebracht.

Neben diesen schriftstellerischen Kniffen entfaltet sich aber auch eine spannende Geschichte rund um Sepias Charakter, ihre mysteriösen Fähigkeiten und den Kampf gegen gefährliche Gegner. Es gibt kaum Leerlauf, ich war durchweg gefesselt und neugierig, was als nächstes passiert. Auch die Action kommt nicht zu kurz, z.B. wenn Sepias Freund sein Papiermesser schwingt oder die Freunde durch den "Schleich" schleichen. Das tolle Finale wartet mit einer überraschenden Wendung auf und schließt den Fall ab, lässt aber auch Platz für eine eventuelle Fortsetzung.

Mich konnte die Geschichte von Theresa Bell überzeugen, weil sie Wirklichkeit und Fantasie so schön miteinander verknüpft, dass man es gar nicht merkt und nebenbei lernt man auch noch etwas über den Buchdruck. Sepia und das Erwachen der Tintenmagie ist eine spannende und humorvolle Abenteuergeschichte mit einem Hauch Magie, von der alle Bücherfreunde begeistert sein werden.

Bewertung vom 25.01.2024
Die Perlenjägerin
Beck, Miya T.

Die Perlenjägerin


sehr gut

Im Buch geht es um die junge Perlentaucherin Kai, deren Schwester Kishi beim Tauchen nach Perlen von einem Geisterwal verschluckt wird. Durch weitere Kreaturen aus der japanischen Mythologie erhält Kai die Möglichkeit, ihre Schwester ins Leben zurück zu holen. Dafür soll sie einen siebenschwänzigen Fuchs töten und eine mächtige Perle stehlen. So wird sie im doppelten Sinne zur Perlenjägerin.

Das Buch hat besonders zu Beginn eine märchenhafte Atmosphäre, die einen direkt an Strand und Meer versetzt. Das glasklare Wasser, der Geruch des Ozeans und die Vielfalt unter Wasser beim Perlentauchen haben mich gleich in Urlaubsstimmung versetzt. Stellenweise erinnerte mich das Setting an Disneys Mulan, z.B. wenn es um die Heiratsvermittlerin geht oder ein Drache auftaucht. Die Perlenjägerin würde auf jeden Fall auch einen guten Disney-Film abgeben. Das Cover des Buchs erinnert mich auch ein bißchen an Pocahontas.

Doch die Idylle hält nicht lange an, da passiert ein schreckliches Unglück, und die junge Kai sieht ihre Welt auf den Kopf gestellt. Als japanisches Mädchen kennt sie die Mythen und Legenden ihrer Heimatwelt auswendig, doch diesen Kreaturen lebendig zu begegnen, ist nochmal etwas ganz anderes. So begibt sie sich allein auf einen sehr gefährlichen Weg, der einige recht grausame Erlebnisse für sie bereit hält.

Kais Reise ist spannend und abwechslungsreich, sogar ein bißchen Liebe ist mit dabei. Wer sich für japanische Mythologie interessiert, wird hier viele Geschichten finden, die mit den Erlebnissen von Kai verwoben werden. Immer wieder kommt die Autorin auf diese Legenden zurück und lässt sie von Kai erzählen. Toll ist in diesem Zusammenhang das Glossar im Anhang, in dem man japanische Begriffe und Kreaturen noch einmal nachschlagen kann. Den Weg, den Kai zurücklegt, um zum Himmelsberg zu gelangen, kann man auf einer schön gezeichneten Karte verfolgen. Sie begegnet dabei guten und bösen Figuren und erlebt einige Abenteuer, die sie auf ihre Aufgabe vorbereiten.

Die Themen werden mit dem Voranschreiten der Geschichte jedoch immer härter. Es gibt vor allem in der zweiten Hälfte einige gewaltvolle Momente, bei denen sogar ich schlucken musste. Es werden Menschen und Tiere getötet und schwierige ethische Fragen aufgeworfen. Deshalb ist das Buch zurecht erst ab 12 Jahren empfohlen. Eventuell bietet es sich sogar an, anschließend mit einem Erwachsenen darüber zu sprechen, z.B. ob ein Kind getötet werden darf, um es vor Folter zu bewahren.

Auch das Ende fand ich schwierig und bedrückend. Ich habe mich gefragt, ob es das jetzt wirklich wert war, die ganzen Gefahren auf sich zu nehmen. Für mich blieben auch einige Fragen offen und ich könnte mir vorstellen, dass es nochmal einen zweiten Teil zur Perlenjägerin gibt.

Mir hat das Buch insgesamt gut gefallen, denn es war temporeich und fantasievoll. Ich habe mich noch nicht viel mit japanischer Mythologie beschäftigt, weshalb diese Mischung für mich erfrischend neu war. Aufgrund der o.g. verstörenden Themen und des schwierigen Endes würde ich das Buch aber lieber für ältere Jugendliche empfehlen.

Bewertung vom 24.01.2024
Bevor die Welt sich weiterdreht
Brosch, Luca

Bevor die Welt sich weiterdreht


ausgezeichnet

Luca Brosch entführt die Leser mit seinem Roman "Bevor die Welt sich weiterdreht" in eine Welt voller Geheimnisse und Intrigen. Die Geschichte dreht sich um Johanna Gabathuler, deren einziger Wunsch es ist, das Kind zu finden, das ihr kurz nach der Geburt weggenommen wurde. Dabei verstrickt sich Johanna unweigerlich in die Machenschaften von Spionage und Geheimdiensten.

Zu Beginn musste ich mich an den abgehackten Schreibstil im Präsens gewöhnen, doch schnell wurde mir klar, dass dieser Stil perfekt zur Intensität und Unmittelbarkeit der Geschichte passt. Johanna Gabathulers Schicksal hat mich von Anfang an ergriffen und betroffen gemacht. Der Autor schafft es, die Leser tief in die Emotionen seiner Hauptfigur einzubinden, und so fiebert man mit Johanna mit, während sie sich durch die Zeit des ersten Weltkrieges schlägt.

Besonders beeindruckend fand ich die Gestaltung der Nebenfiguren, die oft schwer zu durchschauen waren. Jede Figur trug auf ihre Weise dazu bei, der Geschichte eine weitere Ebene an Spannung hinzuzufügen. Das hohe Tempo des Romans ließ mich von der ersten Seite an nicht mehr los, und die überraschenden Wendungen sorgten dafür, dass ich beim Lesen oft den Atem anhielt, während ein Schlag auf den nächsten folgte.

"Bevor die Welt sich weiterdreht" ist nicht nur ein packender Spionagethriller, sondern entführt den Leser auch geschickt in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Die historischen Elemente sind unterhaltsam und authentisch eingewoben, was dem Roman eine zusätzliche Tiefe verleiht. Luca Brosch hat einen fesselnden Roman geschaffen, der eine mitreißende Geschichte und starke Charaktere hat und mich absolut begeistern konnte. Ein Muss für alle, die auf der Suche nach einem spannenden und emotionalen Leseerlebnis sind.

Bewertung vom 22.01.2024
White Zero
Falk, Thilo

White Zero


gut

White Zero verspricht als Klimathriller eine Geschichte voller Spannung in einer von Klimaextremen geprägten Welt. Leider konnte das Buch meine Erwartungen in puncto Spannung nicht erfüllen. Die wiederholt betonte Kälte und die extremen Wetterbedingungen, die im Titel suggeriert werden, nehmen nur einen begrenzten Raum in der Handlung ein.

Die Erzählung fokussiert sich eher auf zwischenmenschliche Beziehungen als auf die Herausforderungen, die die extreme Kälte mit sich bringt. Obwohl das Wetter als Hintergrundkulisse präsent ist, fehlt es an packenden Momenten, die einen typischen Thriller auszeichnen. Die Handlung plätschert vor sich hin, und die klimatischen Elemente dienen nicht dazu, die Spannung zu steigern.

Für einen Klimathriller hätte ich mir mehr Nervenkitzel und Adrenalin erwartet, während die Protagonisten mit den Widrigkeiten ihrer Umwelt kämpfen. Stattdessen überwiegt eine eher ruhige Erzählweise, in der die Beziehungen zwischen den Charakteren im Vordergrund stehen.
Charaktere gibt es auf jeden Fall genug im Buch, und besonders zu Beginn hat mich der ständige Wechsel zu neuen Protagonisten und ihre langsame Einführung gestört. Das hat die Handlung stark verlangsamt.

Insgesamt fehlt White Zero die Spannung, die ich von einem Klimathriller erwartet hätte. Wer nach einem actiongeladenen Abenteuer in einer extremen Umgebung sucht, dem kann ich dieses Buch nicht sehr empfehlen. Wer gerne charakterorientierte Geschichten liest, der wird vermutlich eher mit dem Buch zufrieden sein.

Bewertung vom 20.01.2024
Die Eisfischerin vom Helgasjön
Lamberti, Frieda

Die Eisfischerin vom Helgasjön


gut

Das Buch erzählt eine nette Geschichte über Rieke, die Urlaub in Schweden macht und allerhand über sich selbst herausfindet. Sie hat Probleme in der Beziehung zu ihrem Freund und auch mit anderen Männern kein Glück. Schließlich wird sogar familiär einiges auf den Kopf gestellt.

Rieke macht wirklich einiges mit, lernt sich dadurch aber auch selbst immer besser kennen. Ich mochte sie und habe gehofft, dass sie irgendwann doch noch glücklich wird. Ihre Geschichte war interessant zu lesen, hat mich aber nicht total vom Hocker gehauen. Es plätschert mehr so gemütlich vor sich hin. Mir gefielen die Landschaftsbeschreibungen, doch auch hier hatte ich mir aufgrund des Titels etwas mehr versprochen. Mit Eisfischen hat die Geschichte letztlich nicht viel zu tun, allerhöchstens im übertragenen Sinne.

Für die Winter- bzw. Weihnachtszeit ist das Buch gut geeignet. Es lässt sich schnell durchlesen und ist unterhaltsam. Trotz des interessanten Settings hat die Geschichte bei mir aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein typisches Winterbuch eben, dass sich um Romantik und Neuanfang dreht. Nicht schlecht, aber auch nichts besonderes.

Bewertung vom 08.12.2023
Der Spurenfinder
Kling, Marc-Uwe;Kling, Johanna;Kling, Luise

Der Spurenfinder


ausgezeichnet

Der Spurenfinder von Marc-Uwe Kling ist ein humorvolles Kinderbuch mit Fantasysetting. Ein bisschen Krimi ist auch mit dabei und gleichzeitig zeigt sich auch wieder das komödiantische Talent des Känguruh-Chroniken-Autors.

In dieser Geschichte geht es um Elos von Bergen, einem alleinerziehenden Vater von zwei Kindern. Er ist von Beruf Spurenfinder (denn Spuren suchen kann ja jeder) und sucht nach der letzten brenzligen Situation nach einem ruhigen Fleckchen zum Leben, vor allem, um seine Kinder zu schützen.

Zunächst scheint das Dörfchen Friedhofen perfekt dafür zu sein: Hier ist wirklich gar nichts los. Die Kinder langweilen sich ohne Ende und beknien ihren Vater, wenigstens zum Jahrmarkt im Nachbarstädtchen gehen zu dürfen. Natürlich dauert es nicht lange, bis ein Verbrechen geschieht und Elos mitsamt Kindern in den Fall hineingezogen werden.

Die Geschichte startet zunächst langsam und beschaulich, nimmt aber ab dem Jahrmarkt Fahrt auf. Das dauert zwar um die 70 Seiten, doch auch der erste Teil ist nicht langweilig zu lesen, sondern eine schöne Einführung in Ort und Charaktere. Nicht zuletzt der Humor und der Einfallsreichtum von Kling bereichern den Text ungemein. Ich war begierig, mehr über scharfe Feuerdrops, die Windflüsterin oder das Glotzoskop zu erfahren. Bei Zimtbrötchen und Honigtörtchen lief mir das Wasser im Mund zusammen, spannend wurde es mit Zaubertinte, Nektarnase und Wandelwesen. Das Buch strotzt vor Kreativität und schafft es trotzdem, dass es nicht überladen wirkt. Der Fall, den es aufzuklären gilt, lädt zum Miträtseln ein und hält einige Überraschungen parat.

Ganz toll sind auch die zahlreichen Zeichnungen, die den Text ergänzen und teilweise sogar eine ganze Seite groß sind. Sie sind dem Illustrator Bernd Kissel richtig gut gelungen und sind eine Bereicherung für das Buch. So habe ich mich auch gefreut, dass es eine Karte der "Verlorenen Provinzen" gab, auf der man die Unternehmungen von Elos und seinen Kindern gut nachvollziehen konnte. Ebenfalls findet sich eine Karte von Friedhofen am Ende des Buchs, auf der alle wichtigen Orte und Häuser eingezeichnet sind. Ich mag sowas sehr, wenn man beim Lesen immer mal wieder blättern und auf eine Karte schauen kann.

Die Fantasywelt, die sich der Autor ausgedacht hat, ist nicht kompliziert. Sie orientiert sich an mittelalterlichen Settings und führt nicht so viele Charaktere ein, dass man den Überblick verliert. Die Charaktere sind einfach ein Bäcker, ein Holzfäller oder der Kräuterhändler. Aber sie haben alle tolle Eigenschaften und Spleens, so dass sie interessant genug sind. Das finde ich für ein Kinderbuch perfekt umgesetzt.

Mit dem Spurenfinder ist dem Autor ein abwechslungsreiches Buch gelungen, das zum Eintauchen und Wohlfühlen einlädt. Dank des großen Einfallsreichtums und Humors können auch Erwachsene an der Lektüre Spaß haben.

Bewertung vom 06.11.2023
Biblioteca Obscura: Frankenstein
Shelley, Mary

Biblioteca Obscura: Frankenstein


ausgezeichnet

Mit "Frankenstein" der Reihe "Biblioteca Obscura" ist ArsEdition eine wunderschöne Schmuckausgabe des Klassikers von Mary Shelly gelungen. Das Buch ist aber nicht nur eine Zierde fürs Bücherregal, sondern macht auch inhaltlich Spaß. Ich kannte die Geschichte tatsächlich noch nicht und habe mit diesem Band die Gelegenheit genutzt, die Lektüre dieses weltberühmten Schauerromans nachzuholen.

Darin geht es um den Wissenschaftler Frankenstein, der nach dem Funken des Lebens forscht, um selbst zum Schöpfer zu werden. Als er Erfolg hat, muss er jedoch feststellen, dass er ein Monster erschaffen hat. Wobei sich die Frage stellt, ob die Ablehnung des Wesens durch die Menschen und seinen Schöpfer selbst es erst zu einem solchen Monster gemacht hat. Denn die Kreatur möchte eigentlich nichts weiter, als angenommen und geliebt zu werden.

Mary Shelly führt ihren Lesern in der Geschichte vor Augen, was passiert, wenn Menschen versuchen, Gott zu spielen. Bis heute ein aktuelles Thema, das immer noch fasziniert. Frankenstein merkt zwar schnell, welch großem Irrtum er unterlegen war, ist aber nicht mehr in der Lage, seinen Fehler wieder gutzumachen. Er hat eine Grenze überschritten und das Geschehen lässt sich nicht mehr aufhalten. "So hätte ich lernen können, dass alles Übel mit selbigem zusammenhing, wohingegen das Glück darin lag, sie sein zu lassen."

Frankenstein hadert mit sich selbst, ist innerlich zerrissen und auch sein Umfeld leidet unter der Katastrophe. Es wird deutlich, wie unterschiedlich doch der "Möchtegern"-Schöpfer Mensch zum wirklich wahren Gott ist, der die Berge und Meere erschaffen hat und sich bis zum Tod am Kreuz für seine Geschöpfe aufopfert.

Frankenstein ist dazu nicht fähig. Er verachtet seine Kreatur, trotz dessen wiederholter Bitten: "Ach Frankenstein, warum bist du gut zu allen anderen, und ausgerechnet mich, der ich deine Gerechtigkeit und ja, auch deine Gnade und deine Liebe am meisten benötige, mich trittst du mit Füßen. Denk doch daran, dass ich dein Geschöpf bin!"
So nimmt das Unvermeidliche seinen Lauf und endet im Chaos.

Die düstere Geschichte setzt Marcin Minor mit seinen Illustrationen atmosphärisch in Szene. Sie unterstreichen mit schaurigen Motiven Frankensteins Abscheu sowie die Beschaffenheit des Monsters. Durch die dezente Farbgestaltung in Rot, Schwarz und Weiß drängen sie sich nicht auf, was ich sehr angenehm finde. Erst wenn man sie bewusst näher betrachtet, entdeckt man die vielen Details und Emotionen, die sich daraus auf den Betrachter übertragen. So wiederholen sich manche Motive zwar auf den Seiten, aber durch andere Intensität und Farbgebung wirken sie dennoch immer wieder neu.

Das Cover ist natürlich auch ein absoluter Hingucker. Rand und Herz sind ebenso wie der glitzerne Titel leicht hervorgehoben und laden zu näherer Betrachtung ein. Der mattschwarze Buchschnitt rundet das ganze Bild noch einmal perfekt ab. Das Buch ist groß und schwer, aber ich halte es dennoch gerne in der Hand, weil der Umschlag sich so schön anfühlt.

Auf den hinteren Seiten des Buches findet man neben den Informationen zum Illustrator auch eine Zusammenfassung zur Autorin Mary Shelly. Sehr berührt hat mich außerdem das Vorwort von Sandra Miehling, die ebenfalls auf die Person Mary Shellys sowie auf die Entstehungszeit des Werks um 1818 eingeht.

Alles das bietet einen perfekten Rahmen um den Roman, der im Übrigen gar nicht so gruselig ist, wie manche befürchten mögen. Aber er regt auch in der heutigen Zeit viel zum Nachdenken an und gehört einfach in jedes Regal. Besonders, wenn er so hübsch aufgemacht ist, wie in der Ausgabe der Biblioteca Obscura.

Bewertung vom 29.09.2023
Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)
Farr, David

Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)


ausgezeichnet

Im Land Krasnia lebt die kleine Rachel glücklich mit ihrer Familie und ihrem Bruder Robert, bis eines Tages der Despot und Kinderfeind Charles Malstain die Macht übernimmt. Von nun an ändert sich alles für die Menschen in Krasnia, denn Kinder dürfen sich nicht mehr auf der Straße blicken lassen, die meisten Bücher werden verboten und Regierungsgegner werden weggesperrt. Das trostlose Leben wird für Rachel und Robert zum Überlebenskampf, als auch noch ihre Mutter stirbt und der Vater verhaftet wird und verschwindet. Sie haben nur noch eine Chance: Das verbotene Buch der Träume finden und beschützen, bevor Malstain es in die Finger bekommt. Doch wem können die Kinder in Krasnia noch vertrauen? Von ihren Entscheidungen hängt die Zukunft des ganzen Landes ab.

Schon auf den ersten Seiten wird man in die düstere Welt von Krasnia hineingesaugt und nicht wieder losgelassen. David Farrs fantastischer Schreibstil schafft es, die Ereignisse erträglich zu machen. Rachels kindliche, hoffnungsvolle Sicht auf die Dinge nimmt dem Schrecken die Spitzen, und das ist auch bitter nötig. Jungen Lesern wird hier nämlich einiges zugemutet: Eine temporeiche Geschichte um Verfolgung und Verrat, es wird gefoltert und geschossen, bis Blut fließt und nicht wenige Menschen sterben. Der Autor schafft es aber auch hier, nicht zu übertreiben, sondern die Geschehnisse nüchtern zu präsentieren. Es wird nichts unnötig ausgeschmückt, aber auch nichts verharmlost.

Die Charaktere sind bis hin zu den Nebenfiguren interessant, glaubwürdig und bleiben auch nach der Lektüre im Gedächtnis. Sie vermitteln das Dilemma dieser dystopischen Welt sehr gut: Wie verhält man sich unter einem diktatorischen Regime, rettet man sein eigenes Leben oder stellt man sich gegen die Regierung? Schwierige Fragen, die auch emotional für ein Kinder-/Jugendbuch anspruchsvoll und ungewöhnlich sind. Die Spannung, wie die Figuren sich entscheiden und handeln werden, lässt auch Erwachsene mit dieser Geschichte mitfiebern. Die Perspektive wechselt zwischen Rachel und Robert, nachdem sie gezwungen sind, sich zu trennen. Immer wieder geraten sie in gefährliche Situationen, müssen ihren Aufenthaltsort ändern und erleben überraschende Wendungen.

Mir hat das unverbrauchte Thema dieser Geschichte sehr gut gefallen. Trotz fantastischer Elemente wie Luftschiffen und magischen Büchern blieb es realitätsnah genug, um sich mit einem ernsten Hintergrund auseinanderzusetzen. Es gibt nur wenige Momente, die einen zwischendurch Luft holen lassen. Die Spannung hält bis zur allerletzten Seite und das Ende wurde anhand von chronologischen Zeitungsartikeln toll in Szene gesetzt. Es fiel mir schwer, mich zum Schluss von den Protagonisten zu trennen. Umso schöner ist es, dass es noch einen Folgeband geben wird, obwohl der erste Band in sich abgeschlossen ist und es kein offenes Ende gibt.

Wer also Lust auf eine spannende, abenteuerliche und gefährliche Reise hat, sollte unbedingt einen Blick in dieses besondere Buch riskieren.

Bewertung vom 21.09.2023
Hindernis
Francis, Felix

Hindernis


ausgezeichnet

Felix Francis hat mit "Hindernis" einen weiteren Krimi aus der Pferderennsport-Szene geschrieben. Diesmal geht es um den Anwalt Harrison Foster, der für seinen Klienten, den Scheich Karim, auf dem Trainingshof der Familie Chadwick einen Stallbrand untersucht. Dabei kam jedoch nicht nur das Top-Pferd des Stalls ums Leben, sondern auch eine menschliche Leiche wird entdeckt.
Je mehr Foster recherchiert, umso mehr Mauern des Schweigens begegnet er. Schnell wird klar, dass er es nicht mit einem Unfall zu tun hat, sondern mit Mord. Doch während er versucht, das Lügengeflecht der Familie zu entwirren, desto mehr gerät er selbst in tödliche Gefahr.
Ich mochte Harrison sehr, auch wenn er gelegentlich etwas zu naiv agiert. Er hat eine außergewöhnliche Geschichte, wie er zu seinem neuen Job und Arbeitgeber kommt, was ihm so ein wenig den Touch eines "Undercover Agents" gibt. Über den Rennsport an sich weiß er derweil so gut wie gar nichts, was ihm besonders zu Beginn der Geschichte viel Spott und Hähme einbringt. Für den Leser jedoch hat Harrisons Ahnungslosigkeit den großen Vorteil, dass alles wichtige zum Pferderennsport erklärt wird. Auch wer schon gelegentlich mal eine Rennbahn besucht hat, kann hier noch etwas dazulernen. Die Informationen wirken auch nie aufgesetzt, sondern sind gut in der Geschichte verwoben, so dass es immer interessant bleibt. Deshalb finde ich gerade diesen Teil den bisher besten, um in Felix Francis Romane einzusteigen.
Sein Schreibstil ist unterhaltsam und es kommt keine Langeweile auf, da die Handlung stetig vorangetrieben wird. Auch fürs Herz ist was dabei, auch wenn es die kleine Liebesgeschichte für meinen Geschmack nicht unbedingt gebraucht hätte. Sie passt aber zum entspannten Erzählstil des Autors, der mehr in Richtung "Cosy Crime" geht und effekthaschende Gewaltdarstellungen meidet. Spannung ist trotzdem reichlich vorhanden.
Das Unglück, das dem Trainerreitstall geschieht, berührt Tierliebhaber und besonders Pferdefreunde. Natürlich möchte man unbedingt wissen, wer das Verbrechen begangen hat und was genau dahinter steckt. Nach und nach kommen immer mehr Details ans Licht, überraschende Wendungen führen in eine neue Richtung und das Drama steigert sich bis zum Ende hin, bis man fassungslos vor der Auflösung sitzt.
Zumindest ging es mir so und die Story hat mich nachdenklich zurückgelassen. Ich hätte schließlich gerne noch mehr über das "Warum?" der Figuren erfahren, aber das näher zu beleuchten hätte sicher den Umfang des Romans gesprengt. Manches Entsetzen lässt sich vielleicht auch gar nicht erklären.
Das einzige Rätsel, was ich bis zum Schluss nie aufklären konnte, ist, weshalb der Roman den deutschen Titel "Hindernis" trägt. Weder ist das im Inhalt des Romans ein Thema noch geht es um Hindernisrennen, wie das Cover suggeriert. Der englische Originaltitel "Crisis" trifft es jedenfalls wesentlich besser.
Für Fans von Felix Francis ist das Buch auf jeden Fall ein Muss. Es gibt neben dem spannenden Fall viel Pferde- und Rennbahnatmosphäre. Wer die Bücher des Autors noch nicht kennt, aber gerne entspannte Ermittlergeschichten liest, der findet mit "Hindernis" einen unterhaltsamen Einstieg in den Pferderennsport.

Bewertung vom 24.08.2023
Spionieren ist (k)ein Kinderspiel
Stevens, Robin

Spionieren ist (k)ein Kinderspiel


sehr gut

Robin Stevens, bekannt durch die Reihe „Ein Fall für Wells & Wong“, hat mit „Spionieren ist (k)ein Kinderspiel“ den ersten Teil ihrer neuen Kinderbuchreihe „Abteilung für undamenhafte Aktivitäten“ geschrieben. In dieser eifert May Wong ihrer großen Schwester Hazel nach und will ebenfalls Spionin werden.
Doch es sind gefährliche Zeiten angebrochen: Es ist das Jahr 1940 und der zweite Weltkrieg ist in Großbritannien angekommen. So richtig bewusst wird das May erst, als sie mit elf Jahren aus der Schule Deepdean ausbüxt, um sich der Abteilung von Daisy und Hazel anzuschließen. Beide Protagonistinnen der alten Reihe sind inzwischen erwachsen und halten May natürlich für viel zu jung, um als Spionin arbeiten zu können (obwohl sie damals bei ihrem ersten Fall kaum älter waren). Also fährt May kurzerhand alleine mit dem Zug nach London und begibt sich unter falschem Namen auf eine geheime Mission, um ihren ersten Spionagefall aufzuklären. Denn auf das langweilige Internat will sie auf keinen Fall zurück.
May ist getrieben von ihrer Sehnsucht nach Spannung. Sie ist selbständig und mutig, aber auch ziemlich selbstverliebt. Sie lässt sich von niemandem etwas sagen und setzt gerne ihren eigenen Willen durch. Das wirkt häufig überheblich und macht sie manchmal unsympathisch. Mit ihrer Schwester Hazel hat sie nur wenig gemeinsam, eher ähnelt sie Daisy, ist aber noch hochnäsiger und frecher. Es verwundert daher nicht, dass sie mit Fiona aus Elysium Hall, wo sie ihren ersten Fall verfolgt, überhaupt nicht klar kommt. Denn Fiona stiehlt ihr mit ihren guten Ideen ein ums andere Mal die Show. Mays neue Bekanntschaft Eric hingegen weiß sich unterzuordnen und wird deshalb von May akzeptiert. Aber die Beziehungen zwischen den dreien entwickeln sich im Laufe des ersten Falles weiter, was mir richtig gut gefallen hat. Schließlich lernt man auch andere Seiten von May kennen und sie selbst schafft es, sich und ihr Verhalten zu hinterfragen.
Die Ermittlungen der drei jungen Detektive verlaufen ähnlich wie schon bei Wells & Wong: Es gibt wieder Listen mit Verdächtigen und Zusammenfassungen zum Stand der Untersuchung, viele Wendungen und ein ordentliches Tempo mit viel Spannung. Herausfordernd ist neben den zahlreichen Nebenfiguren, die man sich merken muss, auch der Perspektivwechsel. Denn nicht nur May schreibt ihren Bericht, sondern auch Fiona schreibt ihr Tagebuch und lässt uns daran teilhaben. Durch Fiona ist man etwas näher am Geschehen, da sie ein Teil der Familie ist, in dem der Mordfall geschieht. Es ist sehr gut und wichtig, dass in der Überschrift eines jeden Kapitels steht, wer gerade schreibt, denn sonst käme man schnell durcheinander. Zum Glück sind Fiona und May aber auch charakterlich so unterschiedlich, dass man daran merkt, wer gerade die Erzählende ist.
Der Fall an sich ist schwer zu knacken und die Autorin versteht es wieder hervorragend, ihre Leser zu verwirren. Er steigert sich von einem relativ harmlosen Verdacht zu einem schlimmen Verbrechen. Etwas schade fand ich, dass es diesmal keine Karte zur Geschichte gab, so wie bei Wells & Wong immer Pläne dabei waren. Ein Grundriss von Elysium Hall wäre toll gewesen, um nachverfolgen zu können, wer sich zum Zeitpunkt der Verbrechen wo aufgehalten hat.
Sehr gut gefallen haben mir dagegen die Schilderungen des Kriegsalltags mit Gasmaskentasche, Siren Suit und Oxo-Brühwürfel. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen vermittelt Stevens hier mit einfachen Mitteln die passende Atmosphäre. Auch die Hintergründe der Charaktere wie z.B. bei Eric und Ruth passen sehr gut in dieses Szenario und verleihen der Geschichte Tiefe. Aber trotz des ernsten Themas gibt es auch wieder viele humorvolle Stellen, die einen schmunzeln lassen.
Wer sich nach der Lektüre dennoch etwas mehr mit der Thematik beschäftigen möchte, der findet sogar noch ein ausführliches, sehr gutes Nachwort der Autorin am Ende des Buches. Und auch eine Liste schwieriger Begriffe fehlt wie gewohnt nicht.
Insgesamt ist der erste Fall von May Wong etwas für fortgeschrittene junge Krimi-Leser, die gerne miträtseln. Daisy und Hazel haben mit May, Eric und Fiona drei würdige Nachfolger bekommen, auf deren nächste Fälle ich mich jetzt schon freue.