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Benutzername: 
skiaddict7
Wohnort: 
Zürich

Bewertungen

Insgesamt 105 Bewertungen
Bewertung vom 21.10.2022
Dein Schweigen, Vater
Benda, Susanne

Dein Schweigen, Vater


gut

Ergreifende, aber langatmige Erzählung

«Spielt da der Sohn eines Täters, die Enkelin eines Opfers? Lässt sich die Rolle nur einer Nation zuordnen? Kann man überhaupt nur auf einer der beiden Seiten stehen, oder trägt man nicht doch immer beides in sich? Ist Vergessen das Beste, und heilt die Zeit wirklich alle Wunden?»

Paul ist zwölf, als er im Mai 1945 aus seinem unbeschwerten, glücklichen Leben aus Brünn gerissen wird. Er muss mit seiner Familie bis zur österreichischen Grenze marschieren, im sogenannten Brünner Todesmarsch. 27000 deutschstämmige Bewohner von Brünn wurden damals aus der Stadt vertrieben. Viele kamen dabei ums Leben, auch ein Teil seiner Familie. Manche seiner Freunde musste Paul in Brünn zurücklassen, andere verlor er im Marsch aus den Augen. Jahre später hat er Familie: seine Frau Christa und die beiden Kinder, Maria und Uli. Er spricht nie über die Vertreibung aus Brünn, obwohl er sie nie vergessen wird. Auch später kehrt er nie nach Tschechien zurück. Seine beiden Kinder leiden darunter, dass Paul nie viel spricht – die Familiengeschichte bleibt geheim. Erst nach seinem Tod beginnen sie, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, und reisen schliesslich nach Brünn, um Vaters Wurzeln kennenzulernen…

Das Debüt von Susanne Benda beginnt stark und behandelt ein sehr interessantes, trauriges Thema. Der Teil des Buches, der von der Vertreibung aus Tschechien erzählt, ist unglaublich ergreifend und eindrücklich geschrieben. Dann wird es häufig etwas langatmig: das Aufwachsen von Maria und Uli, ihre spätere Suche, das alles war oft mühsam zu lesen und es geschah wenig. Ich habe im Nachhinein viel zum Thema Brünner Todesmarsch gelesen und dadurch viel gelernt. Das Buch bekommt von mir drei Sterne.

Bewertung vom 21.10.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


gut

Typischer Capus

"Alle ihre Erinnerungen an die erste Hälfte ihres Lebens waren verblasst und bedeutungslos geworden, weil niemand mehr da war, diese Erinnerungen mit ihr zu teilen. Was aber ist der Mensch ohne seine Erinnerungen?"

Susanna Faesch wächst in Basel auf. Sie ist nur acht Jahre alt als die Mutter beschließt, die Familie zu verlassen und mit Susanna in Brooklyn einen Neuanfang zu wagen. Susanna ist eine starke und unabhängige Schülerin und Frau, die immer ihren eigenen Kopf hat. Ihre eigene Ehe scheitert, als Susanna durch einen Seitensprung schwanger wird. Sohn Christie zieht sie allein mit Hilfe der Mutter auf. Bereits als Schülerin beginnt sie mit dem Portraitmalen, ihr Talent wird früh erkannt und sie macht sich das Malen zum Beruf. Nach dem Tod der Mutter zieht sie mit Christie ins Dakota Territorium zum Stamm der Lakota, wo sie unter anderem mit Häuptling Sitting Bull zusammenarbeitet.

Das Buch beruht auf wahren Begebenheiten. Ich habe gern über Susanna Faesch, später Caroline Weldon, gelesen. Capus Schreiben ist jedoch sehr distanziert. Manche Begebenheiten werden sehr detailliert und teils abschweifend beschrieben, andere nur kurz abgetan. Die Zeit bei dem Lakota Stamm wurde nur am Schluss des Buches kurz erwähnt, was mich persönlich etwas enttäuscht hat. Leider war das Buch sehr anders als erwartet.

Bewertung vom 21.10.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


gut

Anders als erwartet...

"Mein Vater sagte immer, die Algenfarm könne uns als Erinnerung dienen; jedes Projekt könne scheitern, das sei noch lange kein Grund zum Aufhören, im Gegenteil, ein Scheitern sei immer auch ein Neuanfang. Seit ich denken konnte, sprach mein Vater so, in großen Deklarationen, die er wie Mantras wiederholte."

Die siebzehnjährige Yada wächst auf der Seestadt auf: eine künstlich geschaffene Stadt in der Ostsee, wo nur ausgewählte vor dem Zerfall der Gesellschaft am Festland flüchten dürfen. Angestellte sorgen für ein angenehmes Leben auf der Seestadt. Yadas Vater ist der Gründer der Stadt. Die Kapitel werden abwechselnd von Yada in der ersten Person und von Helena in der dritten Person erzählt. Helena lebt ein komplett anderes Leben auf dem Festland, gilt in manchen Kreisen als Orakel und lebt von ihrer Kunst. Zudem hat sie ohne viel zu überlegen eine Art Sekte gegründet. Auf den ersten Blick haben die beiden Erzählstränge wenig miteinander zu tun. Schließlich gibt es dazwischen noch "Archiv" Kapitel, in denen alternative Gesellschaftsformen vorgestellt werden.

Ich fand die Idee dieser Seestadt zur Flucht vor dem Untergang der kapitalistischen Gesellschaft erstmal spannend und wollte dieses Buch unbedingt lesen. Vor allem wollte ich mehr über Yada erfahren. Allerdings nimmt das Buch nur langsam Fahrt auf. Nach langer Zeit verschmilzen die Erzählstränge und beginnen, Sinn zu ergeben. Der Aspekt mit Yada, die nie in der Gesellschaft gelebt hat, und welche sich nun zurechtfinden muss, war interessant. Trotzdem war der ganze Roman eher trocken und nüchtern gestaltet, nach Auflösung der Erzählstränge passierte irgendwie nicht mehr viel. Ich hätte mir gewünscht, dass Yada mehr Aktionismus zeigt und zum Beispiel die Angestellten des Mitarbeiterschiffs befreit oder für diese einsteht. Insgesamt weiss ich nicht recht, was ich aus der Lektüre nun mitnehmen soll.

Bewertung vom 28.05.2022
Salate zum Sattessen
Dusy, Tanja

Salate zum Sattessen


weniger gut

Ein kleines Büchlein mit überwiegend Fleisch- und Fischhaltigen Salaten

Ich bin enttäuscht. Das Büchlein ist klein und schmal, jedoch nett aufgemacht und mit schickem Hard-Cover Einband. Von aussen mal nicht schlecht. Das Buch enthält genau 21 Rezepte, davon enthält der Grossteil Fleisch oder Fisch. Überwiegend fragen die Rezepte nach sehr vielen, teils exotischen Inhaltsstoffen. Die "Zauberformel" im Buch ist das Spannungsverhältnis unterschiedlicher und teils gegensätzlicher Aromen. Als Vegetarierin habe ich nur die vegetarischen Salat ausprobiert. Diese Salate sind teils ein bisschen fad. Gut geschmeckt und "straight forward" zum Zubereiten war der Coleslaw, den ich wirklich empfehlen kann. Der Tomaten-Melone Salat ist ein einfacher und schmackhafter Klassiker.

Fazit: ein kleines Büchlein mit wenigen Rezepten, eher hoher Preis, und leider für Vegetarier nicht geeignet.

Bewertung vom 28.05.2022
Vegetarianer
Kucher, Felix

Vegetarianer


sehr gut

Ein interessanter biographischer Roman

Der Deutsche Karl Wilhelm Diefenbach war ein Maler und Sozialreformer im 19. Jahrhundert. So glaubte er unter anderem an den Vegetarismus, die Freikörperkultur, das Leben im Einklang mit der Natur, sowie Ablehnung von Monogamie und Religion. Der Vegetarismus, den Diefenbach gelebt hat, würde man heute als Veganismus bezeichnen, hat er doch jegliche tierischen Produkte abgelehnt. Der biographischen Roman von Felix Kucher beschäftigt sich mit dessen Leben und Wirken.

Ich kannte Karl Wilhelm Diefenbach bisher nicht. Die altertümliche Sprache gibt der Geschichte ein authentisches Flair, hat aber auch bewirkt, dass ich etwas brauchte, um in das Buch hineinzukommen. Das Leben des Exzentrikers und Schmarotzers Diefenbach wird sehr interessant dargestellt. Ich habe das Buch gern gelesen, es wird in mir noch länger nachwirken.

Bewertung vom 17.04.2022
Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«
Evaristo, Bernardine

Manifesto. Warum ich niemals aufgebe. Ein inspirierendes Buch über den Lebensweg der ersten Schwarzen Booker-Prize-Gewinnerin und Bestseller-Autorin von »Mädchen, Frau etc.«


ausgezeichnet

"Die Rebellin im Außen ist zur Vermittlerin im Innen geworden und hat begriffen, dass wir mit an dem Tisch sitzen müssen, an dem die Entscheidungen getroffen werden, und dass es letztlich sehr viel wirkungsvoller ist, die Leute in Gespräche zu verwickeln, als sie anzubrüllen (auch wenn dies mitunter sehr befriedigend sein kann)."

Bernardine Evaristo - eine BIPOC LGBTQ Frau, die im England der Sechziger Jahre als Kind einer Engländerin und eines nigerianischen Einwanderers aufwuchs. Sie erfuhr viel Rassismus und schaffte es doch, immer ihre Träume zu verfolgen. Mit sechzig gewann sie den Booker Prize und wurde international bekannt. In ihrer Autobiografie erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend, ihrer Familie, Rassismus Erfahrungen, Beziehungen, und wie sie schließlich zum Schreiben kam. Sie erzählt auch davon, wie lange Schreiben dauern kann. Alle ihre Bücher werden kurz vorgestellt. Sie endet schließlich mit generellen Tipps für das Leben und Schreiben und erzählt von ihrem Aktivismus.

Ich habe bisher noch kein Buch von Frau Evaristo gelesen, dies wird jedoch nicht das letzte sein. Der Schreibstil ihrer Autobiografie ist locker und humorvoll, wie auch kritisch und reflektiert. Die Themen sind gut gewählt und waren auch für mich als nicht schreibende Person überaus relevant. Ich habe gerne über diese interessante Frau gelesen und bleibe sehr inspiriert zurück. Eine tolle, starke, kluge Frau!

Bewertung vom 16.03.2022
Die Kinder sind Könige
Vigan, Delphine

Die Kinder sind Könige


gut

Ein Versuch der Autorin, sich in eine neue Richtung zu entwickeln

Die sechsjährige Kimmy verschwindet in 2019 plötzlich spurlos. Die Eltern und der kleine Bruder Sammy sind außer sich. Das hübsche, blonde Mädchen, welche bereits im zarten Alter von sechs Jahren mehrere Millionen von "Fans" hat wurde offenbar aus der Wohnanlage entführt. Sie ist der Star des YouTube Familienkanals "Happy Récré". Für alle Fans war klar ersichtlich, wo Kimmy sich gerade aufhielt. Wurde sie aufgrund ihrer Bekanntheit entführt? Oder was steckt hinter dem Verschwinden? Polizistin Clara und ihr Team versuchen, den Fall zu klären...

Ich bin ein großer Fan von Delphine De Vigans Romanen. "Die Kinder sind Könige" geht vom Genre her eher Richtung Krimi. Das Thema, das De Vigan anspricht, ist brandaktuell und sehr wichtig. Trotzdem hatte ich mir mehr erhofft. Ihr typischer Stil ist in diesem Buch nicht wie sonst herausgekommen. Die Charaktere waren allesamt sehr stereotypisch aufgebaut und zeigten kaum Entwicklung während des Romans. De Vigan spricht ein wichtiges Thema an, aber mehr passiert dann auch nicht. Was möchte sie uns damit sagen? Wer ist schuld an dieser Entwicklung? Was können wir machen, um gegenzusteuern? Insgesamt lässt mich "Die Kinder sind Könige" leider etwas enttäuscht zurück.

Bewertung vom 16.03.2022
Die Diplomatin
Fricke, Lucy

Die Diplomatin


gut

Leider nur so la la

Fred (Friederike) ist Ende Vierzig und deutsche Konsulin. Nach einer Zeit im nahen Osten wird sie nach Montevideo in Uruguay versetzt. Dort passiert ihr ein "Fehler", weshalb sie zurück nach Deutschland muss. Nach einem Jahr bekommt sie jedoch die Chance ihres Lebens, ein Posten im politisch instabilen Istanbul. Dort versucht sie, das lokale Geschehen positiv zu beeinflussen und stößt dabei fast an ihre Grenzen...

Das Buch wird von Fred in der Ich-Form erzählt. Fred ist mir mit ihrer trockenen und sarkastischen Art sehr sympathisch. Der Schreibstil ist trotz des ernsten Themas überwiegend leicht und locker, ich hatte das Buch in wenigen Stunden durchgelesen. Insgesamt bin ich von dem Buch nicht besonders begeistert. Die angesprochenen Themen sind wichtig, der lockere Ton passt für mich irgendwie zu wenig dazu. Zusätzlich fehlt ein wenig der rote Faden. Ein unterhaltsames, oberflächlich gehaltenes Buch.

Bewertung vom 19.09.2021
Das Archiv der Gefühle
Stamm, Peter

Das Archiv der Gefühle


gut

Versäumte Chancen

"Jetzt gibt es nur noch meine Geschichte, die Akte, die mein Leben ist und die mir plötzlich viel größer, viel wichtiger erscheint, wo alle anderen verschwunden sind."

Der namenlose Protagonist lebt alleine im Haus seiner Mutter. Seine Arbeit als Archivar wurde durch die Digitalisierung nicht mehr gebraucht, seitdem ist er arbeitslos. Das Archiv hat er in seinen Keller verlagert und führt es dort weiter. Sein eigenbrötlerisches Leben besteht vor allem daraus. Auf seinen Spaziergängen denkt er an Franziska - Schulfreundin und Liebe seines Lebens. Soll er ihr seine Liebe nochmals gestehen?

Das Buch ist ruhig und melancholisch geschrieben. Oft ist nicht ganz klar, was Traum und was echt ist. Der Erzähler ist sehr schüchtern und in sich gekehrt. Oft stellt er sich Dinge vor, die er sich im Leben nicht traut. Häufig gibt es auch Zeitsprünge, sodass ich es manchmal schwierig fand, alles Erzählte richtig einzuordnen. Ein interessanter Schreibstil, aber insgesamt hätte ich mir mehr Taten des Protagonisten gewünscht.