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Ste

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Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 23.04.2025
Teufelsspring
Bekeschus, Mario

Teufelsspring


ausgezeichnet

Ein spannungsgeladener vierter Fall für Wim und Co.

Inhalt: Ein neuer Fall für die Braunschweiger Ermittler Wim Schneider und Rosalie Helmer: Die Leiche der 20-jährigen Joelle Winter wird im Museumspark aufgefunden. Während Wim und Rosalie sich tiefer in die – nicht einfache – Vergangenheit von Joelle graben, erhalten sie unverhofft einen Anruf von Wims ehemaliger Kollegin Biggi Höfgens (die jüngst vorläufig den Kontakt zu Wim abgebrochen hatte): Zufällig ist sie auf einen bereits seit 30 Jahren ungelösten Cold Case gestoßen, der sich im Braunschweiger Land zugetragen hat und auffällige Ähnlichkeiten zum aktuellen Mordfall aufweist…

Persönliche Meinung: „Teufelsspring“ ist der vierte Niedersachen-Krimi von Mario Bekeschus, der sich um den Ermittler Wim Schneider dreht. Die einzelnen Fälle der Bände sind in sich abgeschlossen, sodass sich die Krimis unabhängig voneinander lesen lassen. Da in der Reihe aber das Privatleben der auftretenden Figuren eine große Rolle spielt, ist es für ein besseres Verständnis sinnvoll, die Reihe chronologisch zu lesen. Die Handlung besteht aus mehreren Erzählsträngen: einerseits die Ermittlung im aktuellen Mordfall um Joelle, andererseits die Ermittlungen im Cold Case. Daneben findet ein weiterer Strang in der Seniorenresidenz „Leugärten“ statt, in der – während Wims Schwester dort temporär untergebracht ist – Merkwürdiges geschieht. Alle drei Erzählstränge haben ihren ganz eigenen Spannungsbogen und besonderen Reiz, sodass „Teufelsspring“ eine abwechslungsreiche und kurzweilige Lektüre ist. Erzählt wird die Handlung aus einer Vielzahl von Perspektiven, was für ein schönes Tempo sorgt: Neben Wim, Rosalie und Biggi kommen u.a. Mads (ein Polizeianwärter), Hinnerk (ein Bekannter von Mads) und verschiedene Angestellte der Seniorenresidenz zu Wort. Dabei scheinen einzelne Figuren mehr zu Wissen, als sie preisgeben, wodurch weiter Spannung entsteht. Die Handlung generell ist fesselnd und endet mit kaum zu erwartenden Aufdeckungen. Insgesamt ist „Teufelsspring“ ein spannender und unterhaltsamer Kriminalroman, der für einige kurzweilige Stunden sorgt.

Bewertung vom 21.04.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


ausgezeichnet

Ein leichtfüßiger Coming of Age-Roman

Inhalt: Sommer 2006. Chris hat gerade die Nachricht bekommen, dass er die Jugendmannschaft von Bayer Leverkusen verlassen muss. Davon will er sich den Sommer nicht vermiesen lassen – zumal die Weltmeisterschaft in Deutschland ansteht. Tatsächlich wird der Fußball aber schnell zur Nebensache. Denn: Zwischen Sommernächten mit den besten Freunden und Freibadbesuchen passiert das Unglaubliche: Plötzlich scheint sich Debbie, in die Chris schon länger verliebt ist, für ihn zu interessieren…

Persönliche Meinung: „Das Leben fing im Sommer an“ ist ein Coming of Age-Roman des Fußballspielers Christoph Kramer, der mit der deutschen Fußballnationalmannschaft 2014 die Weltmeisterschaft gewann. Deshalb könnte man vermuten, dass sich auch sein Roman viel um Fußball dreht – dies ist allerdings nicht der Fall. „Das Leben fing im Sommer an“ ist ein berührender Coming of Age-Roman, den man lieben wird, auch wenn man gar nichts mit Fußball am Hut hat. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive des fünfzehnjährigen Chris. Dieser ist sehr authentisch gezeichnet: Er hat zwar den ein oder anderen frechen Spruch auf Lager, ist aber im Kern unsicher, verletzlich und auf der Suche nach sich selbst; hat mit anderen Worten die Probleme, die viele von uns in der Pubertät hatten, wodurch man sich schnell mit ihm identifizieren kann. Der Plot beinhaltet typische Coming of Age-Elemente: Gespräche mit Freunden, erste Partys, Freibadbesuche sowie die erste Liebe. Dies hat Christoph Kramer schön lebensnah eingefangen: Ich bin ein paar Jahre jünger als er, habe aber – in Variation – Ähnliches erlebt, sodass die Lektüre ein kleiner Nostalgietrip für mich war. Erzählt wird der Roman ungemein leichtfüßig, sodass man nur so durch die Seiten von „Das Leben fing im Sommer an“ fliegt. Insgesamt ist „Das Leben fing im Sommer an“ ein kurzweiliger Coming of Age-Roman mit einem lebensnah gezeichneten Protagonisten. Ein Roman über den einen prägenden Sommer, den vermutlich jeder Mensch – irgendwie und irgendwo – erlebt (hat).

Bewertung vom 21.04.2025
Der große Gatsby
Fitzgerald, F. Scott

Der große Gatsby


ausgezeichnet

Ein fesselnder Klassiker mit einer interessanten Titelfigur

Inhalt: New York 1922. Nick Carraway ist gerade nach Long Island gezogen, um sich dort als Wertpapierhändler zu versuchen, als ihn die Fama um Jay Gatsby erreicht. Dieser wohnt in seinem Nachbarhaus und gibt rauschende Feste – allerdings weiß niemand so genau, wer er ist, woher er kommt und aus welchen Quellen sein Geld stammt. Als Nick zum ersten Mal eine Party Gatsbys besucht, geschieht das Unglaubliche: Gatsby offenbart sich Nick und nimmt ihn in seinen Freundeskreis auf…

Persönliche Meinung: „Der große Gatsby“ ist ein Roman von F. Scott Fitzgerald, der als großer, us-amerikanischer Klassiker gilt. Erzählt wird der Roman nicht – wie der Titel vermuten lässt – aus der Perspektive Gatsbys, sondern aus der Ich-Perspektive Nicks. Nick ist eher ein ruhiger „Durchschnittstyp“, verglichen mit dem schillernden Gatsby blass und funktioniert hauptsächlich als Kamera, durch deren Linse die Lesenden die Handlung wahrnehmen. Diese Handlung ist aufgrund von zwei Charakteristika fesselnd und interessant: Einerseits wegen der rätselhaften Figur Gatsby, andererseits wegen der Vielfältigkeit des Romans. Zunächst zu Gatsby: Dieser ist – da seine Herkunft unbekannt ist – ein großes Rätsel (für die handelnden Figuren wie für die Lesenden). Häppchenweise erfährt man während der Lektüre weitere Informationen über Gatsby, sodass sich schrittweise der Nebel um diese Figur lichtet und der dekadente, halbseidene Gatsby mehr und mehr an Tiefe gewinnt. Ähnliches gilt für die Handlung: Anfangs eher eine Darstellung des Lebens der Reichen und Schönen entwickelt sich die Handlung über eine Liebesgeschichte zu einer Tragödie – wobei die ein oder andere Wendung zu finden ist, mit der man nicht unbedingt rechnet. Abgerundet wird die Ausgabe des Diogenes-Verlags durch die Schriftstellerin Min Jin Lee, die die Entstehungsgeschichte des Romans beleuchtet sowie einen persönlichen Blick in den großen Gatsby wirft. Insgesamt ist „Der große Gatsby“ ein fesselnder Klassiker mit einer interessanten Titelfigur.

Bewertung vom 25.03.2025
Deutsche Hörer!
Mann, Thomas

Deutsche Hörer!


ausgezeichnet

„Deutsche Hörer!“ versammelt 59 Reden, die Thomas Mann in Kooperation mit dem BBC aus dem amerikanischen Exil in das nationalsozialistische Deutschland sendete. Mann tritt hier als Mittler der (westlichen) Alliierten auf und versucht zu den Deutschen vorzudringen. Dabei warnt er die Deutschen vor Hitler, mahnt sie und redet ihnen in das Gewissen – unter anderem, indem er die Irrationalität der NS-Ideologie entlarvt und die nationalsozialistische Propaganda entkräftet. Aus historischer Perspektive fand ich insbesondere zwei Ansprachen relevant, die ich hier kurz näher vorstellen möchte. Bereits in der Ansprache vom Januar 1942 berichtet Mann, er habe erfahren, dass Menschen jüdischen Glaubens systematisch getötet worden seien, was er als Zeichen des Verstoßes der Menschenrechte wertet. Mann spricht hier – vorbegrifflich, aber hellsichtig – den Holocaust an, informiert die Deutschen darüber – was besonders vor dem Hintergrund bemerkenswert ist, dass viele Deutsche nach dem Krieg nichts von der Judenverfolgung gewusst haben wollten. Nachhallend ist bei mir auch die Radioansprache vom April 1942. Mann vergleicht hier die Bombardierungen deutscher Städte durch die Alliierten mit der deutschen Bombardierung Coventrys. Auch die (vom Hörensagen) bekannte Zerstörung des Buddenbrook-Hauses spricht er an. Obwohl hier seine Heimatstadt getroffen worden ist, vertritt Mann eine klare Linie, was ich bemerkenswert fand: Es schmerze ihn zwar, dass es seine Heimatstadt getroffen habe, allerdings müsse man dies als Reaktion auf Coventry hinnehmen. Der Ton, den Mann in seinen Radioansprachen anschlägt, ist mahnend und unerbittlich; teilweise – gerade wenn es um die Bestialität des Nationalsozialismus geht – zynisch. Mehrmals versucht Mann aber auch Hoffnung bei den Deutschen zu säen: Das Leben nach dem Krieg wird definitiv besser als das Leben unter Hitler werden. Eingebettet werden Manns Ansprachen durch ein Vor- und ein Nachwort der Schriftstellerin Mely Kiyak, in denen sie in das Leben Manns sowie die Entstehungs-/Rezeptionsgeschichte der Radioansprachen einführt. Insgesamt ist „Deutsche Hörer!“ eine spannende Quellensammlung, die erlaubt, den Ansichten eines deutschen Intellektuellen zu Nationalsozialismus und Krieg nachzuspüren. Gleichzeitig führen die Texte aber auch vor Augen, wozu Krieg und Hass führen können, wodurch sie gleichzeitig als Mahnung für heutige Lesende gelten können.

Bewertung vom 25.03.2025
Still ist die Nacht / Maya Topelius Bd.2
Åslund, Sandra

Still ist die Nacht / Maya Topelius Bd.2


sehr gut

Inhalt: Mittsommer in Schweden. Nach einem anstrengenden Fall braucht die Kriminalinspektorin Maya Topelius eine Auszeit: Dafür nimmt sie an dem Yogaretreat ihrer Freundin Emely teil, das auf einer abgelegenen Schäreninsel stattfindet. Doch die Stimmung der Teilnehmenden ist nicht so entspannt, wie man vermuten könnte; ein Streit bricht aus und am Tag nach Mittsommer wird die Leiche eines Mannes im Schilf gefunden. Kurzerhand riegelt die Polizei die Insel ab – und Maya bietet sich als verdeckte Ermittlerin an…

Persönliche Meinung: „Still ist die Nacht“ ist ein Krimi von Sandra Åslund, der in Schweden spielt. Es handelt sich um den zweiten Band der Maya Topelius-Reihe, allerdings ist der Fall in sich abgeschlossen, sodass sich die Krimis unabhängig voneinander lesen lassen. Für ein tieferes Verständnis der Figurenbeziehungen ist es aber natürlich sinnvoll, die Bände chronologisch zu lesen. Der Kriminalroman wird aus mehreren personalen Perspektiven erzählt, wobei Maya die Kernperspektive bildet. Spannung wird innerhalb der Handlung auf mehreren Ebenen erzeugt: Im Vordergrund steht natürlich die Klärung des Mordfalls, zugleich findet sich aber auch ein rätselhafter Prolog, dessen wahrer Gehalt sich erst zum Schluss offenbart. Daneben entstehen auch Spannung auf der Insel: Die Inselbewohner bezichtigen die Teilnehmenden des Retreats der Tat (und andersherum), sodass die Atmosphäre der Handlung stetig bedrohlicher wird. Zusätzlich findet sich auch ein Geheimnis in der Vergangenheit Mayas. Der Schreibstil von Sandra Åslund ist anschaulich und lässt sich flüssig lesen; es entsteht ein schönes Kopfkino der Landschaft der Schäreninsel. Insgesamt ist „Still ist die Nacht“ ein spannender Schweden-Krimi mit einem anschaulich ausgearbeiteten Handlungsort.

Bewertung vom 25.03.2025
Blutbuße / Hanna Ahlander Bd.3
Sten, Viveca

Blutbuße / Hanna Ahlander Bd.3


sehr gut

Inhalt: Die Immobilienentwicklerin Charlotte Wretlind wird erstochen in einem Hotelzimmer aufgefunden. Kurz zuvor hatte sie angekündigt, ein ehemaliges Luxusgebirgshotel, das seit Längerem verfällt, zu renovieren und wiederzueröffnen – was nicht alle in der Region guthießen. Die Liste der potentiellen Verdächtigen ist daher groß. Zumal: Je tiefer Hanna und Daniel ermitteln, desto deutlicher wird, dass beim Kauf des alten Hotels nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist…

Persönliche Meinung: „Blutbuße“ ist der dritte Polarkreis-Krimi von Viveca Sten, der sich um die Ermittlerin Hanna Ahlander dreht. Der Fall ist in sich abgeschlossen, sodass sich der Krimi auch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen lässt. Allerdings spielt auch das Privatleben von Hanna (sowie ihres Kollegen Daniel) eine große Rolle innerhalb des Romans, das sich über die einzelnen Bände hinweg verändert. Um dieses besser nachvollziehen zu können, ist eine chronologische Lektüre sinnvoll. Erzählt wird die Handlung aus mehreren personalen Perspektiven: So kommen unterschiedliche Ermittlerfiguren (Hanna bildet dabei den Ankerpunkt), potentielle Täter sowie eine Figur aus der Vergangenheit (Näheres will ich hier nicht spoilern) zu Wort. Spannung entsteht insbesondere durch die Rückblicke in die Vergangenheit des ehemaligen Luxushotels sowie eine Perspektive, die man erst zuletzt wirklich einordnen kann, wodurch ein schöner Twist entsteht (dementsprechend überraschend ist auch die Identität der Täterfigur). Durch die kurzen Kapitel, die häufigen Perspektivwechsel und den anschaulichen Erzählstil lässt sich der Krimi zügig lesen: Die 500 Seiten kommen einem nicht wie solche vor. Dennoch: Teilweise hatte ich den Eindruck, dass die Handlung einzelne Haken schlägt, die es nicht unbedingt gebraucht hätten, wodurch der Roman stellenweise etwas aufgebläht wirkt. Insgesamt ist „Blutbuße“ trotzdem ein spannender Krimi, auf deren Fortsetzung ich mich schon freue.

Bewertung vom 11.01.2025
Wintergeister
Collins, Bridget;Hurley, Andrew Michael;Kidd, Jess

Wintergeister


ausgezeichnet

Eine atmosphärische Sammlung winterlicher Gruselgeschichten

„Wintergeister“ ist eine Anthologie mit Grusel- und Geistergeschichten, zu der sechs unter-schiedliche Autor*innen eine Erzählung beigesteuert haben. Den Auftakt macht „Der steiner-ne Dämon“ von Bridget Collins (mein persönliches Highlight des Bandes): Eine an klassische Gothic Novels erinnernde Erzählung, die von einer Schriftstellerin handelt, die in einem klei-nen Städtchen Inspiration für ihr nächstes Buchprojekt sucht. In Andrew Michael Hurleys „Das alte Theaterstück“ begegnen wir einem alternden Schauspieler, der im traditionellen Jah-resabschlussstück auftritt. Hier changieren Traum und Wirklichkeit, sodass die Erzählung eine besondere atmosphärische Intensität erhält. Die dritte Geschichte, „Ada Lark“ von Jess Kidd, handelt von einem Waisenmädchen, das dazu gezwungen wird, einem selbsternannten Medi-um bei dessen Machenschaften zu unterstützen. Diese Geschichte wird mit schnellen Schnit-ten erzählt, was für mich allerdings zuungunsten der Atmosphäre verlief. „Jenkin“ von Catrio-na Ward thematisiert das Schicksal zweier Schwestern, wobei eine der Schwestern von einem schattenhaften Wesen verfolgt wird, das immer erscheint, sobald sie lügt. Die Erzählung ist wendungsreich und endet mit einem schönen Twist. In der folgenden Erzählung „Der Wit-wenweg“ treffen wir auf Honoria Joseph, Herstellerin von Fächern, deren Mann vor einiger Zeit verschwunden ist. Diese Geschichte ist spannungstechnisch die interessanteste, fragt man sich doch die ganze Zeit, was mit Herrn Joseph geschehen ist – mehr möchte ich hier nicht verraten. Den Abschluss bildet „Das Lied von Glocken und Ketten“ aus der Feder von Laura Purcell (ein weiteres Highlight für mich). Diese Geschichte, die den Krampus-Stoff aufgreift, ist rätselhaft sowie fesselnd erzählt und weist zudem ein überraschendes Ende auf. Man merkt: Trotz des gemeinsamen winterlichen Settings sind die Geschichten thematisch breit gestreut. Der Grusel, der dabei erzeugt wird, kommt nicht mit dem Vorschlaghammer, son-dern ist subtil und zieht sich atmosphärisch latent durch jede Geschichte. Natürlich kann nicht jede Geschichte gleich gut gefallen; jede*r wird eigene Lieblinge haben. Bei einem bin ich mir aber sicher: Die Zahl der Geschichten, die man mochte bzw. die einen (mehr oder weniger wohligen) Schauer über den Rücken laufen lassen, werden überwiegen. Insgesamt ist „Win-tergeister“ eine abwechslungsreiche Anthologie mit schönen Schauergeschichten – nicht nur aber insbesondere perfekt für Halloweenliebhaber*innen, die dem Grusel am 31. Oktober noch nicht ade sagen möchten, sondern diesen in die Winter- und Weihnachtszeit verlängern möchten.

Bewertung vom 29.12.2024
Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
Reilly, K. J.

Das Verhalten ziemlich normaler Menschen


ausgezeichnet

Ein intensiver Roadtrip

Inhalt: Vor einem Jahr starb Ashers Mutter bei einem Autounfall - wofür er sich die alleinige Schuld gibt. Denn: Hätte er nicht neue Fußballschuhe gebraucht, wäre seine Mutter erst gar nicht losgefahren. Um mit dem Tod und der Trauer klarzukommen, rät ihm der Schulpsychologe zu einer Gesprächstherapie. Zunächst geht Asher widerstrebend hin, doch dann trifft er auf Henry, der sein Opa sein könnte, sowie die beiden Jugendlichen Sloane und Will. Alle drei haben - wie Asher - einen geliebten Menschen verloren. Gemeinsam begeben sich die vier auf den Roadtrip ihres Lebens, der Ashers Trauer und Wut heilen soll...

Persönliche Meinung: "Das Verhalten ziemlich normaler Menschen" ist ein Jugendroman von K. J. Reilly. Wie bereits im Inhaltsteaser deutlich wird, handelt der Roman von Themen wie Trauer, Tod, Verlust und Schuld. Gleichzeitig spielen allerdings auch Freundschaft, Liebe sowie Hoffnung eine große Rolle im Roman. Dementsprechend ist auch die Lektüre eine Achterbahnfahrt der Gefühle: Ernste, traurige Szenen wechseln sich mit leichten, lustigen ab. Unkonventionell sind auch die auftretenden Figuren - allen voran der Ich-Erzähler Asher. Alle vier versuchen den Tod einer geliebten Person zu verarbeiten, was sich teilweise in skurrile Verhaltensweisen niederschlägt. So tut beispielsweise Asher alles dafür, dass seiner kleinen Schwester nichts passiert (wie z. B. ihre Hände mit Aluminium einzuwickeln, während sie schläft); Henry hingegen bestellt für seine verstorbene Frau immer das Essen mit. Durch ihren Umgang mit der Trauer, ihren Gedanken in Bezug auf das (Weiter-)Leben sowie ihrem ganz eigenen Humor wirken die Figuren sehr vielschichtig und dreidimensional. Die Handlung folgt der Struktur eines Roadtrip-Plots: Die vier sind auf dem Weg nach Graceland (wobei Asher allerdings eine ganz eigene Mission verfolgt) und erleben dabei kleinere Abenteuer - wichtiger als diese "äußere" Reise ist allerdings der innere Weg zur Selbstheilung, die die Protagonisten beschreiten. Innerhalb dieses Plots findet sich dann noch die ein oder andere Wendung sowie ein überraschendes Ende. Der Erzählstil des Romans ist - passend zur intendierten Zielgruppe - umgangs- und jugendsprachlich sowie mit Witz ausgestattet. Insgesamt ist "Das Verhalten ziemlich normaler Menschen" ein humorvoller, ernster und emotionaler Jugendroman über die großen Themen Leben und Tod.

Bewertung vom 29.12.2024
Das elfte Manuskript
Holt, Anne

Das elfte Manuskript


ausgezeichnet

Ein komplexer Krimi mit einer eher unsympathischen Protagonistin

Inhalt: Die ehemalige Kommissarin Hanne Wilhelmsen hat endlich die Chance, Oslo zurückzuerobern. Denn: Durch den Lockdown ist niemand draußen, der ihr irgendwie krumm kommen könnte. Mit im Gepäck hat sie einen frisch geschriebenen Kriminalroman, der das Potential zum Bestseller hat. Doch ihre Lektorin Ebba Braut hat ganz andere Probleme: Die erfolgreichste Autorin des Verlags hat ihr jüngstes Werk abgeliefert, doch das Manuskript ist verschwunden – und die Verlagsleitung hat Ebba zum Sündenbock auserkoren. Zeitgleich wird die verstümmelte Leiche einer Frau in einem Kofferraum gefunden – ein Fall, der Hannes Schützling Henrik Holme an seine Grenzen bringt…

Persönliche Meinung: „Das elfte Manuskript“ ist ein Kriminalroman von Anne Holt. Es handelt sich um den 11. Roman um die Ermittlerin Hanne Wilhelmsen. Da der Fall in sich abgeschlossen ist, lässt sich der Handlung auch ohne Kenntnis der Vorgänger folgen – auch wenn es natürlich sinnvoll ist, die Reihe chronologisch zu lesen, um die Beziehungen der Figuren besser nachvollziehen zu können. Der Roman setzt sich aus vier Erzählsträngen zusammen, die aus personalen Perspektiven erzählt werden: Hannes Wiedereroberung Oslos, Ebbas Suche nach dem Manuskript sowie Henriks Ermittlungen im Fall der ermordeten Frau. Der vierte Erzählstrang soll hier nicht gespoilert werden. Alle Stränge überschneiden sich an bestimmten Stellen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Hanne ermittelt stellenweise im Fall der ermordeten Frau und beteiligt sich auch an der Suche nach dem verschwundenen Manuskript. So entsteht ein komplexer, schön undurchsichtiger Krimi, der bis zuletzt zu überraschen weiß. Gerade für Büchernerds sind auch die Einblicke in den Verlagsalltag interessant: So werden Prozesse einer Buchentstehung beleuchtet, man trifft auf eigensinnige Autorinnen und blickt auf die Schattenseiten der Buchbranche. Der Krimifan wird gleich mit mehreren Rätseln konfrontiert (das verschwundene Buch, der Mord und noch ein, zwei weitere, die ich hier nicht spoilern möchte). Nicht so ganz warm werden konnte ich mit Hanne Wilhelmsen, der reihentitelgebenden Ermittlerin: Sie ist egozentrisch, starrsinnig und – bis auf einzelne Ausnahmen – rücksichtslos, dadurch sehr unsympathisch. Kurz: Eine Anti-Heldin wie aus dem Buche. Gleichzeitig will ich mir allerdings keine letztgültige Bewertung der Figur anmaßen, da ich die vorherigen 10 Bände nicht gelesen habe, somit ihre Entwicklung nicht beurteilen kann. Insgesamt ist „Das elfte Manuskript“ ein spannender, komplexer Kriminalfall, bei dem Krimi- und Buchnerds auf ihre Kosten kommen werden.

Bewertung vom 29.12.2024
Kalmann und der schlafende Berg
Schmidt, Joachim B.

Kalmann und der schlafende Berg


ausgezeichnet

Eine kurzweilige, spannende und witzige Lektüre

Inhalt: Eigentlich sollte es eine schöne Familienzusammenführung werden: Kalmanns Vater, der in den USA lebt, hat sich bei ihm gemeldet und möchte ihn besser kennenlernen, sodass Kalmann den Atlantischen Ozean überquert. Dort lebt Kalmann sich gut ein; die Familie macht sogar einen Ausflug zum Präsidenten – der allerdings schiefläuft. Ehe Kalmann es sich versieht, findet er sich im FBI-Hauptquartier in Washington wieder und muss die USA gen Island verlassen. Dort ist ein Todesfall geschehen, der Kalmann nicht lockerlässt: Er ist sich sicher, dass es sich um Mord handelt, sodass er beginnt, eigenständig zu ermitteln…

Persönliche Meinung: „Kalmann und der schlafende Berg“ ist ein Roman von Joachim B. Schmidt. Nach „Kalmann“ ist es der zweite Roman, der von dem eigenwilligen, selbsternannten Scheriff des kleinen isländischen Fischerdorfes Raufarhöfn handelt. Da die Fälle, in denen Kalmann ermittelt, voneinander getrennt sind, lassen sich beide Romane unabhängig voneinander lesen. Erzählt wird die Handlung aus der Ich-Perspektive Kalmanns, einem Außenseiter, der manchmal naiv, manchmal aber auch messerscharf denkt, und das Herz am rechten Fleck trägt. Wie im vorherigen Band hat es Kalmann auch hier nicht leicht, muss aufgrund seiner verschrobenen, eigenwilligen Art mit Vorurteilen und abschätzigen Blicken zurechtkommen, was Joachim B. Schmidt erneut einfühlsam erzählt. Die Handlung von „Kalmann und der schlafende Berg“ setzt sich aus zwei Handlungssträngen zusammen: Der eine Strang thematisiert Kalmanns Besuch in den USA (hierbei werden auch aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen angesprochen, die ich allerdings nicht spoilern möchte), der zweite Handlungsstrang dreht sich um die Ermittlungen Kalmanns in Island (wodurch der (Gesellschafts-)Roman eine schöne Portion Krimi erhält). Dabei ist der Fall durchaus vertrackt und besitzt ein überraschendes Ende mit filmreifem Showdown. Durch Kalmanns eigenwillige Art, die sich auch in den Ermittlungen widerspiegelt, kommt zudem eine stimmige Prise Humor in die Handlung. Der Schreibstil von Joachim B. Schmidt ist anschaulich und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Kalmann und der schlafende Berg“ eine kurzweilige, spannende wie witzige Lektüre mit gesellschaftskritischem Ton und überraschendem Ende.