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YukBook
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München

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Insgesamt 312 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2025
Godfrey, Rebecca;Jamison, Leslie

Peggy


sehr gut

„Je reicher man ist, desto weniger darf man auffallen.“ Nach diesem Motto wächst Peggy Guggenheim Anfang des 20. Jahrhunderts in einer der wohlhabendsten Industriellen-Familien Amerikas auf. Ihren Weg zur Kunstmäzenin können wir in dieser Romanbiografie verfolgen.

Jeder Ortswechsel geht mit einem Wandel ihres Lebensstils einher. Mit Anfang 20 befreit sich die Erbin vom dekadenten Leben in New York und zieht nach Paris auf der Suche nach Freiheit und Selbstverwirklichung. Dort lernt sie neben bekannten Intellektuellen und Künstlern wie Djuna Barnes, Marcel Duchamp und Man Ray auch ihren künftigen Mann kennen. Doch weder als Ehefrau noch als Bohemienne findet sie Sinn und Erfüllung. Mehrere Schicksalsschläge haben tiefe Spuren hinterlassen. Erst als sie beginnt, sich mit zeitgenössischer Kunst zu beschäftigen und ihre erste Galerie in London eröffnet, entdeckt sie ihre wahre Bestimmung.

Leslie Jamison hat das Manuskript ihrer Freundin Rebecca Godfrey, die früh verstarb, beendet. Für mich hat das Buch stark angefangen, aber im letzten Drittel leider nachgelassen. Statt der ausführlichen Beschreibungen ihrer Affären und Alltagsszenen hätte ich lieber mehr über Peggys Schaffen als Galeristin erfahren.

Bewertung vom 09.08.2025
Henneberg, Nicole

Gabriele Tergit. Zur Freundschaft begabt


sehr gut

Gabriele Tergit war mir als Autorin von „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ ein Begriff. Dass die jüdische Schriftstellerin auch eine mutige Journalistin und Gerichtsreporterin war, die aus ihrer Heimat vertrieben wurde, erfuhr ich erst in dieser Biografie.

Zu Beginn werden Orte in ihrer Heimatstadt Berlin vorgestellt, an denen man Tergit nahekommen kann – eine gelungene Einstimmung, denn Ihre Wohn- und Wirkungsorte werden in diesem Buch noch eine wichtige Rolle spielen. Mir hat es gefallen, nicht nur ihre journalistische und schriftstellerische Karriere zu verfolgen, sondern auch in die Blütezeit der Berliner Presse zwischen 1925 und 1933 einzutauchen und die verschiedenen Zeitungshäuser mit ihren Eigenheiten kennenzulernen.

Nach der Machtergreifung der Nazis folgen jedoch schwere Jahre. 1933 emigriert sie widerwillig mit Mann und Kind nach Palästina. Ich war beeindruckt, wie Gabriele Tergit sich trotzdem die neue Umgebung schreibend erschloss. Auch im Londoner Exil schreibt sie unermüdlich weiter, kann jedoch nicht mehr an ihren einstigen Erfolg anknüpfen.

Minuziös stellt Nicole Henneberg heraus, in welchem Umfang persönliche Erlebnisse und reale Personen, politische und menschliche Krisen in Tergits Romane eingeflossen sind und wie wichtig ihr historische Genauigkeit war. Das fand ich einerseits bemerkenswert, andererseits etwas mühsam zu lesen, weil mir ihre Werke (noch) nicht vertraut sind. Die umfassende Biografie würdigt somit nicht nur Tergits bewegtes Leben, das durch Heimatlosigkeit und Ringen um Anerkennung geprägt war, sondern auch ihr beinahe in Vergessenheit geratenes Gesamtwerk.

Bewertung vom 05.08.2025
Weihser, Rabea

Wie wir so schön wurden (MP3-Download)


sehr gut

Spätestens bei der ersten Videokonferenz während der Corona-Pandemie hat jeder vermutlich schon mal kurz über die Möglichkeiten nachgedacht, sein Aussehen zu optimieren. Soziale Medien tun ihr Übriges, um unser Schönheitsideal zu prägen. Rabea Weihser beschäftigt sich also in ihrem Buch mit einem höchst aktuellen Thema und geht der Frage nach, für wen, warum und mit welchen Mitteln Menschen sich schön machen.

Dabei nimmt sie sich jede Gesichtspartie einzeln vor und erklärt, wie sich unsere Idealvorstellung von Hautfarbe, Augen, Brauen, Nase und Lippen seit der Antike bis heute entwickelt und verändert hat. Den Einblick in kulturgeschichtliche, psychologische und soziologische Hintergründe fand ich besonders interessant. Ich war fasziniert, wie der Ägyptenhype in den 1930er Jahren die Schminkkunst beflügelt hat, schockiert, wie verbreitet Hautaufheller in Nigeria sind, und erstaunt, was wir alles mit unseren Augenbrauen kommunizieren können und welche Ausmaße der Brow Craze annahm.

Die Autorin vermittelt Fakten und Kuriositäten mit viel Witz und beißender Ironie, zum Beispiel wenn es darum geht, wie lukrativ die Kosmetikindustrie unser Begehren nach Schönheit und die wechselnden Trends ausnutzte. Diese opulente, unterhaltsame Biografie des Gesichts verrät viel über menschliche Sehnsüchte und Schönheitstrends als Ausdruck von Lebensgefühl, Werten und kulturellen Strömungen.

Bewertung vom 28.07.2025
Jewell, Lisa

None of This is True


ausgezeichnet

Es gibt viele Podcasterinnen, die Frauen mit einer besonderen Lebensgeschichte porträtieren. Die Hauptfigur Alix Summer gehört dazu und hat damit viel Erfolg. Ihr Leben verändert sich schlagartig, als sie Josie Fair, einen Geburtstagszwilling, kennenlernt und sich darauf einlässt, einen Podcast über sie zu machen. Was Josie in ihrem Leben erleiden musste, ist so verstörend, dass Alix nicht anders kann als ihr zu helfen. Doch schon bald kommen ihr Zweifel, wer in Josies Familie das tatsächliche Opfer ist.

Dass Alix und Josie Geburtstagszwillinge sind und die Erzählperspektive zwischen ihnen wechselt, gibt der Geschichte einen besondere Kick. Man hat den direkten Vergleich zwischen zwei Frauen, die am gleichen Ort und zur gleichen Zeit geboren sind und völlig verschiedene Wege eingeschlagen haben. Dabei ist Alix‘ Leben längst nicht so perfekt, wie es scheint. Erst durch die Begegnung mit Josie wird ihr klar, was ihr im Leben wichtig ist. Nach „Der Fremde am Strand“ und „Was damals geschah“ ist Lisa Jewell wieder ein hochspannender Thriller voller psychologischer Tiefe gelungen, den ich kaum aus der Hand legen konnte.

Bewertung vom 20.07.2025
Schramm, Nora

Hohle Räume


sehr gut

Wer kennt sie nicht – die gemischten Gefühle beim Heimatbesuch. Bei Helene, Berliner Künstlerin und Ich-Erzählerin, wird die Lage dadurch erschwert, dass ihre Eltern vor einer Scheidung stehen. Bei der Sortierung des Besitzstands wird sie nicht nur mit vielen Erinnerungen, sondern auch mit der Gewissheit konfrontiert, dass das bürgerliche Familienideal gescheitert ist.
Bezeichnend ist, dass der wortkarge, passive Vater meist durch Abwesenheit glänzt, während die im Haushalt geschäftige und gesprächige Mutter omnipräsent ist. Und da wäre auch noch Molly, ein Pflegekind der Eltern, das einst ohne Erklärung die Familie verließ. Manche Situationen kamen wir bekannt vor: zum Beispiel, dass man auf eine Bemerkung oder auf ein Verhalten seiner Eltern nicht mehr unvoreingenommen reagieren kann, weil automatisch bestimmte Gedanken im gleichen Muster in Gang gesetzt werden.
Die Autorin seziert nicht nur messerscharf das Leben der einzelnen Familienmitglieder, sondern macht auch das Haus samt symbolhaftem Inventar zu einer zentralen Figur und verwandelt es in das künstlerische Abbild einer dysfunktionalen Familie. Wer Aufheiterung braucht, sollte das Buch nicht lesen, denn trotz Ironie und Sprachwitz macht es betroffen. Am meisten hat mich beeindruckt, wie kreativ und erfrischend Nora Schramm mit der Sprache umgeht und die Metapher des Hohlraums ausreizt.

Bewertung vom 12.07.2025
Dörrie, Doris

Wohnen (MP3-Download)


ausgezeichnet

Bei dem Titel „Wohnen“ habe ich nicht erwartet, dass ich in diesem Buch so viel in der Welt herumkomme. Das liegt daran, dass Doris Dörrie im Vergleich zu ihren drei Schwestern „nicht so sehr der Wohntyp“, sondern lieber unterwegs ist. Inwiefern bestimmt unsere Art zu wohnen auch unsere Art zu leben? Diese Frage beleuchtet die Autorin unter verschiedenen Aspekten und reflektiert über ihre eigenen bisherigen Wohnsituationen.
Sie erinnert sich an ihr erstes eigenes Zimmer mit Märchentapete und stellt fest, dass ihre Mutter nie einen Rückzugsort hatte. Als Hausfrau war sie ortlos, schaffte aber für die Familie einen sicheren Raum und feste Rituale wie das gemeinsame Essen am Esstisch. Interessant fand ich, dass sich die Schriftstellerin besser fühlte, wenn sie an einem nützlichen Ort wie der Küche etwas „Unnützes“ tat wie das Schreiben. Gedanken dieser Art, die den Wertewandel in unserer Gesellschaft widerspiegeln, gibt es viele in diesem Buch.
Spannend ist auch zu lesen, welche Rolle Räume in ihren Romanen und Drehbüchern spielen. Sie hat viele Filme in Japan gedreht und schätzt die dortigen Wohnkonzepte, die im krassen Gegensatz zu den Luxusvillen in Los Angeles stehen, die sie aus reiner Neugier besichtigt hat. Ihren klugen Gedanken über unseren Bezug zu Räumen, vom Safe Space für Frauen über digitale Räume bis hin zu einer politischen Haltung, bin ich sehr gern gefolgt.

Bewertung vom 05.07.2025
Greiner, Margret

'In mir tobt und brodelt stets etwas Gefährliches'


ausgezeichnet

Was Romanbiografien betrifft, zählt Margret Greiner zu meinen Lieblingsautorinnen. Diesmal war ich neugierig, eine mir unbekannte Lyrikerin kennenzulernen: die Wienerin Elsa Asenijeff. Ihre Liebesgedichte, die an mehreren Stellen zitiert werden und den Anfang des lyrischen Expressionismus markierten, sind mir etwas zu pathetisch, doch ihre Lebensgeschichte habe ich mit Spannung verfolgt.

Schon während ihres Studiums zur Lehrerin passte sie sich nur widerwillig dem weiblichen Rollenbild an. Aus einer finanziellen Notlage heraus heiratete sie einen vermögenden bulgarischen Diplomaten, fühlte sich in Sofia jedoch ausgegrenzt und lebte erst während ihres Studiums der Psychologie und Philosophie in Leipzig auf. Einen großen Raum nimmt die intensive Liebesbeziehung zu dem Künstler Max Klinger ein. So erfuhr ich nicht nur über Elsas bemerkenswerte schriftstellerische Karriere, sondern auch ihren bedeutenden Anteil am Erfolg ihres Lebensgefährten.

Margret Greiner schafft es erneut, durch ihre lebendige Sprache und Empathie sowohl dieser extravaganten Persönlichkeit als auch dem damaligen gesellschaftlichen und künstlerischen Umfeld Leben einzuhauchen. Sie stellt heraus, wie widersprüchlich Elsas Verhalten war: Einerseits setzte sie sich für die Bildung und Berufstätigkeit der Frau ein, andererseits glaubte sie an die unterschiedliche Bestimmung der Geschlechter. Ich möchte mir Elsas Porträtbüste von Max Klinger in der Neuen Pinakothek ansehen und werde mich dabei sicher an viele bewegende Szenen aus diesem Buch erinnern.

Bewertung vom 01.07.2025
Broad, Chris

Abroad in Japan


ausgezeichnet

Wer zum ersten Mal beruflich in Japan zu tun hat, wird wahrscheinlich einen Kulturschock erleben. Helfen könnte ein interkulturelles Seminar – oder dieses Buch von Chris Broad. Darin erzählt der Brite von seiner ersten Stelle als Englischlehrer in der Präfektur Yamagata und seinem Start als YouTuber, gespickt mit vielen skurrilen und abenteuerlichen Erlebnissen.
Schon in den ersten Tagen kommt er aus dem Staunen nicht heraus. In Japan ist es gar nicht selbstverständlich, dass ein Englischlehrer auch die Sprache beherrscht. Zudem scheint das Englischlernen sehr unbeliebt zu sein. Nicht die besten Voraussetzungen für den Exoten, der mit seiner Unwissenheit und Unsicherheit zu kämpfen hat, sich aber tapfer schlägt.
Was er von Abenden in Kneipen, Karaoke-Bars und Parties erzählt und wie er sich wundert, dass seine sonst so reservierten Kollegen ab einem gewissen Alkoholpegel derart gesprächig werden, kam mir als Japanerin bekannt vor. Seine Reise nach Osaka, die ihn kulinarisch begeisterte, die Besteigung des Mount Fujis oder ein missglücktes Rendezvous im Love Hotel sind höchst amüsant zu lesen. Doch es gibt auch qualvolle Momente und Rückschläge, sei es beim Erlernen der komplizierten japanischen Sprache oder der Wohnungssuche.
Ich rechne Chris Broad hoch an, dass er keine Mühen scheute, um tief in die japanische Kultur einzusteigen, sich einzuleben und sogar dem Land etwas zurückzugeben. Für alle, die Japan beruflich oder privat näher kennenlernen wollen, ist das Buch die ideale Einstimmung.

Bewertung vom 23.06.2025
Himpsl, Franz; Gehlen, Dirk von

Wie KI dein Leben besser macht (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ich war kurz versucht, die Rezension von einer KI schreiben zu lassen, nachdem ich sie mit meinen Bucheindrücken gefüttert habe. Aber nicht, um sie zu veröffentlichen, sondern mit meiner eigenen Rezension zu vergleichen. Genau das hat dieses Buch bei mir bewirkt: Es hat meine Lust geweckt, mehr Spielereien mit der KI auszuprobieren.

Bisher nutzte ich Tools wie ChatGPT in erster Linie, um ein Problem zu lösen, eine Anleitung zu bekommen oder mir Hilfe bei einer Kaufentscheidung zu holen. Wie groß das Potenzial nicht nur in der Medizin oder Landwirtschaft, sondern auch für mich im Alltag ist, wird verständlich und unterhaltsam anhand praktischer Beispiele vermittelt. Was ich auf jeden Fall ausprobieren möchte: gesammelte Infos zu einem Thema in ein digitales Notizbuch zu packen und relevante Punkte von der KI extrahieren zu lassen.

Die Autoren stellen nicht nur hilfreiche Werkzeuge vor, um die Künstliche Intelligenz zu seinem persönlichen Assistenten zu machen, sondern regen auch zum Nachdenken an – zum Beispiel darüber, was es heißt menschlich zu sein oder inwiefern man mit der KI in einen Dialog treten und neue Sichtweisen gewinnen kann. Sehr gut gefiel mir der Ansatz, selbst in kreativen Tätigkeiten die KI nicht als bedrohlichen Ersatz, sondern als ergänzende Maßnahme anzusehen, die es erlaubt, sich auf die anspruchsvollen und erfüllenden Aufgaben zu konzentrieren. Ein lesenswertes Buch, das meinen Horizont erweitert und mich inspiriert hat.

Bewertung vom 19.06.2025
Faber, Michel

Hör zu!


sehr gut

Michel Faber gibt in seinem Buch keine Empfehlungen, welche Musik wir hören sollten. Er lässt uns vielmehr verstehen, warum wir hören, wie wir hören. Die Bandbreite an Themen reicht von Musiktherapie und Akustik über Kleider und Styling bis hin zu Streaming-Algorithmen und Schallplattennostalgie.

Sehr amüsant fand ich den Einblick in den Musikmarkt für Neugeborene und seine Beobachtungen in seiner Heimatstadt Folkestone, wo in einem hippen Café „Miniature Music Makers“ an die Musik herangeführt werden. Der Autor lässt auch wissenschaftliche Erkenntnisse aus Hirnforschung, Soziologie und Psychologie einfließen. Was sein Buch ausmacht, ist aber vor allem die Art und Weise, wie er sein bisheriges Leben unter dem Aspekt der Musik bilanziert und mit zahlreichen Gesprächen, die er mit Musikern verschiedener Genres geführt hat, kombiniert. Manches ging mir etwas zu sehr ins Detail, könnte aber für eingefleischte Musikfans erhellend sein.

Nach der Lektüre versteht man besser, warum Menschen von einem Musikstück zu Tränen gerührt werden und andere nicht. Zuspruch werden auch diejenigen finden, die sich nur schwer von ihrer Albensammlung trennen können. Ein Buch, das dazu anregt, genauer hinzuhören und darauf zu achten, was die Musik mit uns macht.