VOX von Christina Dalcher
VOX - Der Roman, den jede Frau lesen muss
In einer Welt, in der Frauen nur hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, bricht eine das Gesetz. Das provozierende Überraschungsdebüt aus den USA, über das niemand schweigen wird!
Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben - das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr.
Das ist der Anfang. Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt. Aber das ist nicht das Ende. Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurückerkämpfen.
„Ihr könnt uns die Wörter nehmen. Zum Schweigen bringen könnt ihr uns nicht!“
Vox (eBook, ePUB)
Vox
Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als einhundert Wörter am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben - das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr. Schon bald jedoch kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmutes, ihrer Träume beraubt. Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurückerkämpfen und erhält eine Gelegenheit ...
Andrea Sawatzki ist eine gefeierte Schauspielerin, Romanautorin und Hörbuchsprecherin. Sie wird ihre unverwechselbare Stimme Jean McClellan leihen, einer Frau, die das Schweigen brechen kann.…mehr
VOX - Leseprobe
Wenn mir jemand erzählt hätte, ich könnte den Präsidenten, die Bewegung der Reinen und diesen unfähigen kleinen Scheißkerl Morgan LeBron innerhalb einer Woche zu Fall bringen, hätte ich ihm nicht geglaubt. Aber ich hätte auch keinen Einwand erhoben. Ich hätte überhaupt nichts gesagt.
Ich bin eine Frau weniger Worte geworden.
Heute Abend beim Essen, bevor ich meine letzten Silben des Tages äußere, tippt Patrick auf das silbrige Gerät an meinem linken Handgelenk, als wolle er meinen Schmerz teilen oder mich vielleicht daran erinnern, stumm zu bleiben, bis das Zählwerk um Mitternacht zurückgesetzt wird. Dieses magische Ereignis wird geschehen, während ich schlafe, und ich werde den Dienstag mit einem leeren Display beginnen. Das Zählwerk meiner Tochter Sonia wird dasselbe tun.
Meine Söhne tragen keine Wortzähler. Während des Abendessens quatschen sie wie üblich über die Schule.
Sonia geht auch zur Schule, verschwendet jedoch keine Wörter für ihren Tagesbericht. Beim Essen des einfachen Eintopfs, den ich aus dem Gedächtnis zusammengeschustert habe, fragt Patrick sie nach ihren Fortschritten in Hauswirtschaftslehre, Körperlicher Fitness und einem neuen Unterrichtsfach namens Einfache Haushaltsbuchführung ab. Gehorcht sie ihren Lehrern? Wird sie in diesem Halbjahr gute Noten bekommen? Er weiß genau, welche Art von Fragen er stellen muss: geschlossene Fragen, die man nur mit Nicken oder Kopfschütteln beantworten kann.
Wie lange haben Sie an dem Roman geschrieben?
Sie werden es vermutlich nicht glauben, aber … zwei Monate. Vom 23. Mai bis zum 23. Juli 2017, um genau zu sein. Zugegeben, Ich hatte VOX zuerst als Kurzgeschichte von etwa 12 Seiten geschrieben, so hatte ich ein Grundgerüst, auf dem ich aufbauen konnte. Aber den Roman selbst hatte ich sehr schnell fertig.
In VOX haben Sie zwei Figuren in direkten Kontrast zueinander gesetzt: die politisch inaktive Jean und ihre engagierte Freundin Jackie, die an jedem Protestmarsch teilnahm. Was wollten Sie mit diesen beiden Gegensätzen zeigen?
Jackie, die leibhaftig erst später im Roman auftritt, beginnt als eine Art Spukgespenst, als die bohrende Stimme, die zu Jean sagt: »Hab ich dir doch gesagt, Mädel!« und »Du hast dir dein eigenes Grab geschaufelt, also leg dich hinein.« Jean mag vielleicht niemals zu einer Aktivistin werden, wie Jackie sie ist, doch sie verändert sich im Laufe der Geschichte; sie wird mehr wie ihre Freundin, während sie immer ihre eigene Identität behält. Wir müssen nicht einander kopieren, um im gleichen Team zu spielen, aber wir können viel von anderen lernen.
Wie war es, in Jeans Kopf zu stecken, während Sie VOX schrieben?
Es war ein besonderer Ort, an den ich jedes Mal aufs Neue eintauche, wenn ich Passagen aus dem Roman lese. Jean zu sein, ließ mich für eine Weile eine Bandbreite von Situationen und Emotionen erleben, manche davon bekannt, andere wiederum fremd. Wenn ich ihre Szenen schrieb, war ich eine Mutter, eine Ehefrau, eine Frau mit Reue, eine Frau mit der Macht, eine ernste Sprachstörung zu heilen, eine Liebhaberin. Was den letzten Teil angeht es war nicht wirklich schrecklich für mich, mit Lorenzo ins Bett zu steigen.
Ist Jean eine Feministin für Sie?
Ich denke von Jean als Humanistin, als Verfechterin der Gleichheit, als Person, die intelligent genug ist, alle Menschen als gleich und gleich geboren zu betrachten. Aber hier liegt der Haken Jean sieht das als selbstverständlich an, niemals hat sie den Gedanken in Betracht gezogen, dass nicht jeder ihre Sichtweise teilen könnte. Soweit Feminismus ein Ruf nach Gleichheit ist, können wir Jean als Feministin sehen, ja.
Jeans Teenagersohn erkennt sehr leicht die Wahre Frauen-Bewegung an. Warum ist seine Rolle in dem Roman so wichtig?
Steven zeigt uns, wie formbar Menschen sein können, im positiven wie im negativen Sinne. Als Jugendlicher scheint sein Denken (und Überdenken) völlig natürlich er ist zwar noch ein Kind, aber bald ein Erwachsener, und er steuert ein kompliziertes System, eine Sammlung neuer Ideen, die noch im Wandel begriffen sind, und von denen er versucht, deren Bedeutung und Sinn zu verstehen.
Viele der schaurigen Momente in VOX drehen sich um Sonia, Jeans sechsjährige Tochter, und die Frage, ob sie jemals eine Sprache erlernen und verwenden wird.
Im Roman können wir eine sich anbahnende Katastrophe erspüren, die wir aber niemals ganz zu fassen bekommen. Mit sechs Jahren ist Sonia in einem sehr wichtigen Alter wir können diese Phase als »Benutz es, oder verlier es!« bezeichnen. Ich meine das sprichwörtlich. Für das Lernen gibt es viele entscheidende Zeiträume, und die Theorie ist, dass das Gehirn von Kindern in der frühen Jugend sehr formbar ist, wir diese Eigenschaft mit der Pubertät aber verlieren.
Welche Figur war für Sie am schwersten zu schreiben?
Ich schreibe ein wenig Flash Fiction, also sehr kurze Kurzgeschichten, manchmal mit nicht mehr als hundert Wörtern. Flash erlaubt mir, mit verschiedenen Stimmen und Figuren zu experimentieren, so konnte ich problemlos vom italienischen Liebhaber Lorenzo über die Aktivistin Jackie zu Sharon, der bodenständigen, immer schlauen Landwirtin springen. Jeans Ehemann Patrick war etwas schwieriger. Ich wollte ihn als grundsätzlich guten Kerl, zugleich passiv. Aber nicht einfältig, schließlich ist er der Wissenschaftsberater des Präsidenten. Seine Tatenlosigkeit musste glaubwürdig sein.
Was veranlasste Sie, VOX zu schreiben?
VOX begann als Flash Fiction von etwa 700 Wörtern für einen Wettbewerb mit einem Endzeitthema. Ich stellte mir eine Welt vor, in der sich ein biologischer Kampfstoff rasant verbreiten und eine bestimmte Art von Sprachverlust herbeiführen würde, ein erschreckendes Szenario. Ich gab ihr den Titel »Wernicke 27X«.
Als ich dann von einem Anthologieprojekt hörte, in dem ausschließlich Autorinnen über weibliche Hauptfiguren schrieben, erinnerte ich mich wieder an diese Geschichte. Und ich fragte mich, wie ich den Schrecken noch erhöhen, die Idee des Sprachverlusts noch erweitern könnte. Ich beobachtete lange das aktuelle politische Klima und fand dort die Antwort: Indem nur die Hälfte der Bevölkerung betroffen wäre. So wurde VOX geboren.
Ist die Wernicke-Aphasie eine echte Sprachstörung?
Ja, es gibt sie wirklich. Wenn das menschliche Gehirn ein Trauma erleidet und das Sprachvermögen schädigt, nennt man das Aphasie. Vom griechischen a = nicht und phanai = sprechen. Es gibt viele verschiedene Erscheinungsformen. Diejenige, die ich in VOX verwende, ist die Wernicke-Aphasie, auch »fließende Aphasie« genannt. Anstatt mit dem Sprechen Probleme zu haben, kann der Erkrankte tatsächlich sehr fließend sprechen. Es klingt jedoch nach Buchstabensuppe, denn ein Wernicke-Patient erkennt die Bedeutung der Worte nicht mehr.
Was sollte der Leser aus der Lektüre von VOX Ihrem Wunsch nach mitnehmen?
Viele Leser werden VOX vermutlich als feministischen Roman lesen, in vielerlei Hinsicht ist er das auch. Aber ich hoffe, die Menschen lesen darin auch eine Geschichte von Unterdrückung, vom auftretenden Horror, wenn eine Interessengruppe, egal welche, mit einer bestimmten Agenda so mächtig wird, dass sie nicht mehr aufzuhalten ist. Obwohl ich VOX als Warnung geschrieben habe, wollte ich auch zeigen, wie sehr unsere Menschlichkeit von unserer Sprache abhängt. Im Buch erreichen wir nie den Punkt, in der das Sprachvermögen komplett ausgelöscht wird, aber die Gefahr zeichnet sich ab. Wie würde unsere Welt aussehen, wenn wir (oder manche von uns) das Vermögen, zu kommunizieren, zu denken, uns selbst auszudrücken, verlieren würden?
Ich würde mir wünschen, dass die Leser zwei Gedanken mitnehmen: 1.) Wie schnell kann sich die Welt verändern, wenn wir nicht aufpassen. Und 2.) Wie essentiell ist das Geschenk der Sprache, dieses erstaunlich komplexe Vermögen, das wir so oft als selbstverständlich betrachten, für unsere Existenz.
Aus dem amerikanischen Englisch von Teresa Pütz
Christina Dalcher
Christina Dalcher pendelt zwischen den Südstaaten und Neapel. Die gebürtige Amerikanerin, zu deren Helden Stephen King und Carl Sagan zählen, promovierte an der Georgetown University in Theoretischer Linguistik und forschte über Sprache und Sprachverlust.
Ihre Kurzgeschichten und Flash Fiction erschienen weltweit in Magazinen und Zeitschriften, u.a. wurde sie für den Pushcart Prize nominiert. »Vox« ist ihr Debütroman.