Autor im Porträt

Kommissarin Sarah Lund

Wünscht man sich jemanden wie Sarah Lund als Freundin? Nicht unbedingt! Die eigenwillige Ermittlerin der Kopenhagener Mordkommission ist eine Frau, die keine Kompromisse eingeht, wenn es um die Lösung einer ihrer Fälle geht; eine Frau, die so tief eintaucht in ihre Arbeit, dass alles andere in ihrem Leben geradezu irreal zu werden scheint. Ein kurz bevorstehender Umzug zu ihrem neuen Lebensgefährten Bengt nach Schweden wird da schon mal von Tag zu Tag erneut verschoben. Es ist schließlich ein Fall zu lösen, und das ist für Sarah Lund das Wichtigste. Oder, wie Mark, Lunds zwölfjähriger Sohn, es in trotziger Enttäuschung einmal ausdrückt: "Du interessierst dich doch sowieso nur für Tote!"

In ihrem unbedingten Interesse für die Aufklärung eines Falles ist die Kommissarin jedoch beeindruckend: Sarah Lund beobachtet, registriert alles, schätzt ab und zieht ihre Schlüsse. Präzise und unbestechlich. Ihr Blick ist wie der eines Raubtieres: unablässig auf die Beute gerichtet, unbeirrbar fokussierend - nur dass die Beute bei ihr der Täter ist. Lund sieht, was alle anderen übersehen. Sie geht noch einen Schritt weiter, nachdem sich alle anderen nur allzu gern auf eine vorschnelle Lösung geeinigt haben. Für Lund gibt es keine Erschöpfung. Keine Rücksicht. Keine Verwandten. Für Lund gibt es nichts, was sonst zählt - außer der Wahrheit.

Mit jemandem wie Sarah Lund warm zu werden, ist also kein ganz einfaches Unterfangen. Die 38-Jährige lässt niemanden wirklich an sich heran. Sie geht nicht auf andere zu. Sie zeigt nicht viel von ihrem Innenleben. Sie legt wenig Wert auf Äußerlichkeiten, trägt die langen Haare achtlos zusammengenommen zum Pferdeschwanz und der dicke weiß-schwarz gemusterte Strickpullover von den Färöer-Inseln scheint für sie zu einer Art Uniform geworden zu sein - er hält warm und alle zweideutigen Blicke fern und ist wie eine weitere Schicht zu den unsichtbaren Mauern, die sie zu umgeben scheinen.

Dass die ernste Ermittlerin nicht unbedingt der Typ für kollegiale Absprachen ist, kann man sich vorstellen. Lund ist bekannt für ihre Alleingänge. Richtig schwierig wird es, nachdem Lund ihren Job in der Mordkommission bereits gekündigt hat, um mit ihrem Sohn zu ihrem Lebensgefährten nach Schweden zu ziehen. Denn der Fall der ermordeten 19-jährigen Nanna Birk Larsen lässt Kommissarin Lund einfach nicht los. Ihr Chef von der Mordkommission bittet sie, weiter zu ermitteln. So muss sie denn gezwungenermaßen mit ihrem Nachfolger, Kommissar Jan Meyer, zusammenarbeiten. Ein unfreiwilliges Team, das seine Mühe miteinander hat. Meyer, mit seiner Vorliebe für Kartoffelchips und Zigaretten, einem bestechend glücklichen Familienleben und etwas gröberen Verhörmethoden, scheint dabei allerdings immer einen Schritt hinter den Erkenntnissen seiner Kollegin hinterherzuhinken.

Das ganze Team der Mordkommission, Kollegen und Vorgesetzte, stößt Lund immer wieder vor denKopf, geht ihnen auf die Nerven. Mit ihrer unnachgiebigen Art. Mit ihrer ruhelosen Intuition. Mit ihrer ungeschliffenen Intelligenz. Doch sie wissen auch, dass sie auf Lund zählen können. Dass es Lund immer um die Sache geht, nie um sich selbst. Dass Lund die beste Ermittlerin ist, die sie haben. Sie bei der Arbeit zu beobachten - als Leser des Buchs, Hörer des Hörbuchs oder Zuschauer der Fernsehserie -, das ist ebenso faszinierend wie atemberaubend. Spannung pur. Aber Achtung: Es macht süchtig. Definitiv!

Glossar zu Kommissarin Sarah Lunds 1. Fall: "Das Verbrechen"

Kommissarin Sarah Lund

Eigentlich ist es Kommissarin Lunds letzter Tag in der Mordkommission Kopenhagen. Eigentlich will sie mit Sohn Mark zu ihrem Freund Bengt nach Schweden ziehen. Doch dann wird ein brutal misshandeltes und qualvoll ermordetes junges Mädchen gefunden: Nanna Birk Larsen. Letzter Tag hin oder her - natürlich beginnt Sarah Lund zu ermitteln. Und, wir ahnen es, mit einem Tag ist es da nicht getan. Die Ermittlungen ziehen Lund nach und nach so in den Bann, dass alles andere unwichtig wird: der Umzug nach Schweden, ihr Freund, die Familie, die Karriere, sie selbst. Lund hat nur noch ein Ziel: den Mörder von Nanna Birk Larsen zu fassen. Es ist wichtig. Warum versteht das keiner?

Mark Lund

Kommissarin Lunds Sohn ist 12. Er will weder Schwedisch lernen noch nach Schweden ziehen. Was soll er da? Seine Freunde sind hier, in Kopenhagen. Hier geht's ab. Auch sein Vater, von der sich seine Mutter Sarah vor drei Jahren getrennt hat, lebt in Kopenhagen. Und auf Mutter Sarah ist er ohnehin nicht besonders gut zu sprechen. Sie hat einfach nie Zeit, hört ihm nie zu, interessiert sich nicht für ihn. Soll sie ihn doch einfach in Ruhe lassen!

Vibeke Lund

Sarahs Mutter Vibeke macht sich Sorgen. Da hat die Tochter schon mal so einen netten sympathischen Freund, den Schweden Bengt, und dann setzt sie alles aufs Spiel, wegen dieser verdammten Arbeit. Das macht doch kein Mann mit. Den vorigen hat die Tochter ja auch schon vergrault. Wie gut, dass Vibeke mit ihrer eigenen Arbeit, dem Nähen von Hochzeitskleidern, zumindest auf eigenen Füßen steht.

Jan Meyer

So hat Meyer sich das bestimmt nicht vorgestellt: Er tritt seinen neuen Job bei der Mordkommission Kopenhagen an und seine verzickte Vorgängerin räumt einfach ihren Platz nicht. Ein Albtraum. Sarah Lund nervt. Sie hat sich so in diesen Fall verbissen - der eigentlich doch seiner sein sollte. Nanna Birk Larsen ist sein Fall. Und Meyer ist durchaus in der Lage, diesen Fall allein in den Griff zu bekommen. Meyer kann beides geben: den seriösen Kommissar, aber auch den brutalen Macho. Manchmal ist es dann allerdings doch ganz gut, dass Lund noch da ist. Denn auch wenn sie nervt: irgendwie kann man sich ja auch auf sie verlassen.

Nanna Birk Larsen

Leider ist Nanna schon tot, als wir sie kennenlernen. Dabei hatte sie so viel vor! Sie sprühte vor Leben. Die 19-Jährige war die beste Schülerin ihrer Klasse, intelligent und schön. Ein junges Mädchen, verspielt, liebevoll, voll unberührtem Charme, doch gleichzeitig schon reif, eine Frau. Begehrenswert für viele. Nanna Birk Larsen hatte ihren eigenen Kopf und führte ihr eigenes Leben - und sie hatte ein Geheimnis ...

Theis Birk Larsen

Theis ist Nannas Vater, und der Mord an seiner Tochter bringtihn fast um. Theis betreibt eine kleine Spedition, ein Familienbetrieb; die Wohnung für ihn, Pernille und die Kids liegt direkt über der Garage. Er schuftet ohne Unterlass, um seiner Familie ein schönes, solides Leben zu bieten. Nicht so eins, wie er es in seiner Jugend hatte, als er in dubiose Geschäfte verwickelt war und mit Drogen zu tun hatte. Theis ist ein Fels in der Brandung, ein Bär von einem Mann. Und ein Mann, der Rot sieht, als das Unbegreifliche passiert.

Pernille Birk Larsen

Pernille liebt Theis. Da machte es ihr auch nichts aus, dass Theis ein ziemlicher Rowdy war, als sie sich vor zwanzig Jahren kennenlernten. Mit ihrer Liebe, ihrem Anstand, ihrem Vertrauen, ihrer sanften Hand hat sich für ihn alles geändert. Seit sie Nanna erwartete, sind sie eine Familie, später kamen noch die beiden Jungs. Pernille liebt ihre Familie über alles, und sie hat ihr über der Garage ein Heim voller Behaglichkeit geschaffen. Der Mord an ihrer Tochter reißt Pernille das Herz aus der Brust. Und dann all diese Geheimnisse. Irgendwann weiß Pernille gar nicht mehr, ob sie ihre Tochter richtig gekannt hat.

Vagn Skaerbaek

Der treueste Mitarbeiter von Theis ist gleichzeitig ein guter Freund der Familie. Immer zur Stelle, wenn Not am Mann ist. Vagn war schon in seiner Jugend mit Theis befreundet. Er kennt ihn bald besser als dieser sich selbst. Manchmal hat Vagn Geldprobleme und liebäugelt dann mit dem ein oder anderen halb legalen Geschäft. Aber Theis bringt ihn dann zurück auf den rechten Weg. Vagn gehört zum Inventar der Spedition und zur Familie. Er würde alles für die Larsens tun. Doch kann er auch bei der Aufklärung des Mordes helfen?

Troels Hartmann

Nach zwölf Jahren ist es einfach Zeit für einen Wechsel. Es ist Wahlkampf und es geht um das Amt des Oberbürgermeisters in Kopenhagen. Troels Hartmann ist der vielversprechende Kandidat, der den alten OB Bremer ablösen soll: ein Liberaler, attraktiv, jungenhaft, voller Energie. Und das, obwohl der Tod seiner Frau vor zwei Jahren Spuren hinterlassen hat, einen Rest von Schmerz. Doch seine menschliche Tiefe macht ihn vielleicht noch wählbarer, noch anziehender. Besonders für Frauen. Kaum etwas kann ihn aufhalten. Doch dann stellt sich heraus, dass Nanna Birk Larsen in einem der Autos seines Wahlkampfteams starb. Was hat der Politiker Troels Hartmann mit dem Schulmädchen Nanna Birk Larsen zu tun?

Rahman al Kemal

Rahman, genannt Rama, ist seit sieben Jahren Lehrer an Nannas Schule. Sein Lebenslauf liest sich wie ein Musterbeispiel an Integration von Immigranten. Er ist ein ziemlich beliebter Lehrer, was kein Wunder ist, denn Rama sieht nicht nur gut aus, sondern ist darüber hinaus auch noch wirklich nett. Seine Frau erwartet ihr erstes gemeinsames Kind, weshalb bei ihnen zu Hause renoviert wird. Da geht es natürlich drunter und drüber. Doch warum verstrickt sich Rama in Widersprüche?Und wo war der sympathische Lehrer in der Nacht, als Nanna Birk Larsen starb?

"Was geschieht, wenn eine Gesellschaft den menschlichen Zusammenhalt vergisst?"

Der britische Autor David Hewson hat die TV-Serie "Das Verbrechen" mit Kommissarin Lund in einen Thriller verwandelt. Im Interview erklärt er, wie es dazu kam, und warum Kenner der TV-Serie sich im Buch auf einige Überraschungen freuen können.

Haben Sie "Kommissarin Lund - Das Verbrechen" im Fernsehen gesehen?
Als die Serie in Großbritannien ausgestrahlt wurde, war ich in Florenz und arbeitete an einem
Buch, aber ich habe gehört, wie gut sie sei. Dann rief mich der Verleger an und meinte, sie
hätten entschieden, dass ich der Beste sei, aus Søren Sveistrups Drehbuch ein richtiges Buch zu
machen. Also habe ich mich hingesetzt und mir alle DVDs angesehen, Sekunde für Sekunde, alle
zwanzig Stunden. Ein ordentlicher Brocken!
Was hat Sie an der Serie am meisten beeindruckt? Was macht sie Ihrer Meinung nach so herausragend?
Am meisten ist mir aufgefallen, wie ambitioniert das ganze Unternehmen war. Auf einer Ebene
ist es ein spannender Krimi, aber es ist noch viel mehr. Eine epische menschliche Tragödie, ein aufrichtiger und erschütternder Einblick in das Wesen der Trauer, zudem die Erkundung eines
sehr modernen Themas: Was geschieht, wenn eine Gesellschaft den menschlichen
Zusammenhalt vergisst? Sarah Lunds Suche nach der Wahrheit über Nannas Mörder wird eben
dadurch so erschwert - für mich ist das der Schlüssel der ganzen Geschichte.
Was war Ihre Motivation, Autor dieses Romans bzw. dieser Romane (auch Teil 2 wird bei Zsolnay erscheinen) zu werden?
Ich liebe Herausforderungen, ich mag es, an ganz Unterschiedlichem zu arbeiten. Man bot mir
die Chance, das tollste Stück, das es im TV zu sehen gab, zu nehmen und daraus einen Roman
zu machen, ganz wie ich wollte - da wäre es verrückt gewesen, nein zu sagen. Mich interessierte
auch die Frage, wie unterschiedlich das Fernsehen - verglichen mit einem Buch - mit einem
Erzählstoff umgeht.
Wurden Sie und Søren Sveistrup in eine Hotelsuite gesperrt, bis alles fertig war? Im Ernst: Wie hat es funktioniert, dass zwei Autoren zusammen arbeiten?
Wir haben nicht gemeinsam gearbeitet, denn das war keine wirkliche Zusammenarbeit. Søren
war sehr mit "The Killing 3" beschäftigt, zudem ist er Fernsehautor, kein Romancier. Wenn
meine eigenen Sachen fürs Fernsehen oder sonstige Verfilmungen gekauft werden, halte ich
mich bewusst fern, denn das sind sehr unterschiedliche Fertigkeiten. Ich habe also einige Zeit
mit Søren verbracht, um über seine Vorstellungen und einige Fragen, die ich hatte, zu sprechen,
und dann besuchte ich die wichtigsten Schauplätze in Kopenhagen - die Polizeistation, das
Rathaus, die Gegend in Vesterbro, den Wald, wo Nanna gefunden wird. Danach habe ich mich
mit den DVDs hingesetzt, zugeschaut und geschrieben, zugeschaut und geschrieben. Die Dialoge
sind mehr oder minder alle meine Erfindung, auch sonst noch etliche Sachen.
Worin besteht der Hauptunterschied zwischen dem Verfassen eines Drehbuchs und eines Romans?
Ein Film ist für ein passives Publikum bestimmt, das auf dem Sofa sitzt und sich berieseln lässt.
Fiktion aber spielt sich im Kopf des Lesers ab, je nachdem, wie er oder sie die Geschichte
empfindet. Ein Buch kennt keine Schauspieler, keine Musik oder Kameraführung, es muss also
die Leser von Anfang an sehr direkt ansprechen und aus ihrer Phantasie eine Bühne in ihrem
Kopf erschaffen.
Wer hatte die Idee, manche Teile der Fernsehversion zu ändern (vor allem den Schluss!), und warum haben Sie sich entschlossen, das zu tun?
Ich habe von Anfang an gesagt, ich würde Sachen ändern müssen, auch wenn ich noch nicht
wusste, was. Das ist einfach der Fall, wenn Bücher verfilmt oder fürs Fernsehen aufbereitet
werden, da wir es ja mit verschiedenen Medien und verschiedenen Erwartungen zu tun haben.
Im Fernsehen mag es genügen, wenn man weiß, wer Nanna Birk Larsen umgebracht hat. In
einem Buch müssen wir auch verstehen, warum. Ich musste also Gründe und Motive erfinden,
die zu einem anderen Schluss passen, auch wenn es einer ist - das möchte ich betonen -, der sich
aus existierendem Material innerhalb der Geschichte ergibt. Wenn Sie wollen, dann habe ich ein
paar Stränge umgearbeitet und die Erzählung auf andere Art zu einem Ende gebracht.
Warum sollte jemand, der die Fernsehserie gesehen hat, das Buch lesen?
Viele Fans der Serie haben mir gesagt, dass ihnen das Buch so gut gefallen hat, weil es etwas
gemacht hat, das das Fernsehen nicht konnte - es hat sie in den Kopf von faszinierenden
Charakteren wie Sarah Lund, Troels Hartmann und Nannas Eltern, Theis und Pernille, versetzt.
Man erhält also einen anderen Blickwinkel auf etwas Vertrautes und sieht diese Menschen auf
neue Weise. Und wenn sie geglaubt haben, sie wüssten, wer Nanna getötet hat: nun, dann
haben sie eine Überraschung vor sich.
Was zeichnet das Buch aus?
Es ist eine bewegende, spannende Geschichte mit einem schockierenden neuen Höhepunkt.