
© Chris Schwagga
Gaël Faye
Seine erste Karriere startete Gaël Faye, der 1982 in der burundischen Hauptstadt Bujumbura geboren wurde, als Rapper. Im Hip-Hop-Duo "Milk Coffee and Sugar" begann Faye mit dem Franko-Kameruner Edgar Sekloka, Musik mit politischen Themen zu verbinden. Mit seinem ersten Soloalbum, das ihn 2012 als Musiker bekannt machte, ging er den Weg weiter und setzte schon im Titelstück auf kulturelle Kontraste: "Pili pili sur un croissant au beurre" ("Chili auf einem Buttercroissant"). Seine Texte sind ebenso persönlich wie poetisch und nah an der eigenen Geschichte. Musikalisch öffnet er das Hip-Hop-Genre mit Einflüssen aus Jazz und afrikanischer Musik. Dafür arbeitete er unter anderem mit dem Komponisten Guillaume Poncelet zusammen. Eine zweite Platte erschien dieses Jahr unter dem Titel "Rythmes et botanique".
Parallel startete Gaël Faye 2016 mit seiner literarischen Karriere durch, als er mit seinem Debütroman "Kleines Land" in Frankreich auf Anhieb einen Bestseller landete. Auch Kritik und Jurys waren begeistert; es folgten zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen. Sein Buch ist noch stärker von der Beschäftigung mit seiner Herkunft und den erlittenen Traumata geprägt als seine Musik:
"Das Schreiben hat mir Halt gegeben, hat mir geholfen, mich abzugrenzen, Schutzwälle aufzubauen, in einem Moment, in dem ich das Gefühl hatte, Spielball der Weltgeschichte zu sein. Denn Sie können sich nicht vorstellen, wie groß die Unsicherheit in einem Kind ist, wenn es sein Land im Krieg verlassen musste. Und wie lange einen diese Unsicherheit verfolgt."
Mit einer ruandischen Mutter und einem französischen Vaters wuchs Gaël Faye in Burundi auf, bis der Bürgerkrieg ihn 1995 ins Exil zwang. Hier ging er weiter zur Schule und absolvierte ein Wirtschaftsstudium. Zwei Jahre arbeitete er in London als Investmentbanker, bevor er nach Frankreich zurückkehrte und sich der Musik widmete. Da er sich in drei Ländern verwurzelt fühlt, beschloss er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern nach Ruanda zu ziehen. Dort lebt er nun mit seiner Familie in Kigali - sofern er nicht gerade wieder nach Frankreich pendelt, Burundi besucht oder auf Konzert- und Lesereise ist.
Parallel startete Gaël Faye 2016 mit seiner literarischen Karriere durch, als er mit seinem Debütroman "Kleines Land" in Frankreich auf Anhieb einen Bestseller landete. Auch Kritik und Jurys waren begeistert; es folgten zahlreiche Nominierungen und Auszeichnungen. Sein Buch ist noch stärker von der Beschäftigung mit seiner Herkunft und den erlittenen Traumata geprägt als seine Musik:
"Das Schreiben hat mir Halt gegeben, hat mir geholfen, mich abzugrenzen, Schutzwälle aufzubauen, in einem Moment, in dem ich das Gefühl hatte, Spielball der Weltgeschichte zu sein. Denn Sie können sich nicht vorstellen, wie groß die Unsicherheit in einem Kind ist, wenn es sein Land im Krieg verlassen musste. Und wie lange einen diese Unsicherheit verfolgt."
Mit einer ruandischen Mutter und einem französischen Vaters wuchs Gaël Faye in Burundi auf, bis der Bürgerkrieg ihn 1995 ins Exil zwang. Hier ging er weiter zur Schule und absolvierte ein Wirtschaftsstudium. Zwei Jahre arbeitete er in London als Investmentbanker, bevor er nach Frankreich zurückkehrte und sich der Musik widmete. Da er sich in drei Ländern verwurzelt fühlt, beschloss er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern nach Ruanda zu ziehen. Dort lebt er nun mit seiner Familie in Kigali - sofern er nicht gerade wieder nach Frankreich pendelt, Burundi besucht oder auf Konzert- und Lesereise ist.
Eine afrikanische Kindheit: "Kleines Land" von Gaël Faye
"Kleines Land, man hat dich zerstört, aber du bist immer noch da", rappt der im Exil lebende Musiker Gaël Faye in seinem Stück "Petit pays" über sein Heimatland Burundi. Dieses Lied trifft im Kern sein Herzensthema, das ihm keine Ruhe lässt. Doch ein Lied allein kann bei Weitem nicht die Komplexität der Gefühle und der Erinnerungen greifbar machen. So beschloss Faye, ein Buch zu schreiben, das persönlich, aber nicht autobiografisch ist. Zwar teilt der Protagonist von "Kleines Land", das nun zum französischen Schwerpunkt…mehr
"Kleines Land, man hat dich zerstört, aber du bist immer noch da", rappt der im Exil lebende Musiker Gaël Faye in seinem Stück "Petit pays" über sein Heimatland Burundi. Dieses Lied trifft im Kern sein Herzensthema, das ihm keine Ruhe lässt. Doch ein Lied allein kann bei Weitem nicht die Komplexität der Gefühle und der Erinnerungen greifbar machen. So beschloss Faye, ein Buch zu schreiben, das persönlich, aber nicht autobiografisch ist. Zwar teilt der Protagonist von "Kleines Land", das nun zum französischen Schwerpunkt…mehr
Eine afrikanische Kindheit: "Kleines Land" von Gaël Faye
"Kleines Land, man hat dich zerstört, aber du bist immer noch da", rappt der im Exil lebende Musiker Gaël Faye in seinem Stück "Petit pays" über sein Heimatland Burundi. Dieses Lied trifft im Kern sein Herzensthema, das ihm keine Ruhe lässt. Doch ein Lied allein kann bei Weitem nicht die Komplexität der Gefühle und der Erinnerungen greifbar machen. So beschloss Faye, ein Buch zu schreiben, das persönlich, aber nicht autobiografisch ist. Zwar teilt der Protagonist von "Kleines Land", das nun zum französischen Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse auf Deutsch erschienen ist, viele Eckdaten mit dem Autor. Doch ein reines Erinnerungsbuch ist es nicht. Dieses hätte weit mehr Grausamkeiten beinhaltet, sagt Faye. Er habe das Berichtete abgemildert und gleichzeitig authentisch verdichtet. Sein Text soll ein Gegenbild schaffen zu den Nachrichten über Afrika, denn diese "zeigen die Wirklichkeit, aber nicht die Wahrheit", wie es im Buch heißt. Die Hintergründe der Geschichte, der Völkermord an den Tutsi und die fortlaufenden Kriege, reichen weit in die 1990er-Jahre zurück.
In der kurz gehaltenen Rahmenhandlung lebt der 33-jährige Gabriel ein wurzelloses Leben in Paris; seine Bekanntschaften sind flüchtig und seine Gedanken schweifen ab. "Seit zwanzig Jahren kehre ich zurück, nachts im Traum, tags in Gedanken; in mein Viertel, in die Sackgasse, wo ich mit meiner Familie und meinen Freunden ein glückliches Leben führte." Im Folgenden erinnert er sich detailliert an Erlebnisse seiner Kindheit, an die Zeit als "Dreimangohoch". Schon damals war er befremdet von der Einteilung der Menschen in Ethnien, obwohl sie doch scheinbar nichts unterscheidet: weder die Heimat noch die Religion noch die Sprache. Sollten die Ursache für Hass und Streit zwischen Hutu, Tutsi und Pygmäen etwa die Nasen sein, wie sein Vater behauptete?
Trotz der seitdem geschehenen Schrecken besteht "Kleines Land" über weite Passagen aus leichten, mitreißenden Anekdoten. Gabriel wächst mit französischem Vater und ruandischer Mutter, mit der kleinen Schwester Ana und Hausangestellten in einer recht guten Wohngegend auf. Mit seinen Freunden treibt Gaby, so sein selbst gewählter Spitzname, kleine Bandenstreiche. Die Jungs stibitzen Mangos aus den Nachbargärten, üben nachts den Sprung vom Zehn-Meter-Turm oder richten sich einen alten VW-Bus als Treffpunkt ein. Wenn Gaby versucht, seiner Brieffreundin in Frankreich von den ersten freien Wahlen in Burundi zu berichten, oder wenn die Familie vom Verwandtschaftsbesuch im Nachbarland nur durch Glück zurück über die Grenze gelangt, dann drängt die Politik bereits in den Kinderalltag. Auch unter seinen Freunden tun sich allmählich Abgründe auf - bis eine Handgranate zum Spielzeug wird. Gabriels Mutter floh als Tutsi aus Ruanda, als das Haus ihrer Familie während eines Massakers niedergebrannt wurde, und sehnt sich nach Sicherheit für ihre Familie. Frankreich wäre die Lösung, doch davonwill der Vater nichts wissen. Dann ist es plötzlich zu spät dafür. Die Familie muss die Gräuel in Ruanda tatenlos verfolgen und um ihr Leben fürchten. Gabriel und seine Schwester Ana können schließlich nach Frankreich geschickt werden, müssen aber ihre Familie und ihre Heimat zurücklassen.
Die Ereignisse von 1994 prägen das kleine Land Burundi bis heute. Der Welthunger-Index zählt es zu den ärmsten Ländern der Welt. So kann Gabriel, als er tatsächlich nach Bujumbura reist, von der Unbeschwertheit seiner Jugend nichts wiederfinden. Dennoch findet er mehr, als er je erwartet hätte ... Gaël Faye ist nur noch zu Besuch im Land seiner Kindheit, dem er mit seinem Buch ein ergreifendes Denkmal setzt, die nebenbei auch eine kleine Hommage an die Literatur selbst ist. Als Musiker und Texter besitzt Faye ein feines Sprachgefühl, sodass dieses literarische Debüt in reifen, poetischen Sätzen verfasst ist. Der kurze Roman öffnete 2016 dem französischen Publikum die Herzen, erhielt den Prix Goncourt des lycéens und wurde zum Bestseller.
"Kleines Land, man hat dich zerstört, aber du bist immer noch da", rappt der im Exil lebende Musiker Gaël Faye in seinem Stück "Petit pays" über sein Heimatland Burundi. Dieses Lied trifft im Kern sein Herzensthema, das ihm keine Ruhe lässt. Doch ein Lied allein kann bei Weitem nicht die Komplexität der Gefühle und der Erinnerungen greifbar machen. So beschloss Faye, ein Buch zu schreiben, das persönlich, aber nicht autobiografisch ist. Zwar teilt der Protagonist von "Kleines Land", das nun zum französischen Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse auf Deutsch erschienen ist, viele Eckdaten mit dem Autor. Doch ein reines Erinnerungsbuch ist es nicht. Dieses hätte weit mehr Grausamkeiten beinhaltet, sagt Faye. Er habe das Berichtete abgemildert und gleichzeitig authentisch verdichtet. Sein Text soll ein Gegenbild schaffen zu den Nachrichten über Afrika, denn diese "zeigen die Wirklichkeit, aber nicht die Wahrheit", wie es im Buch heißt. Die Hintergründe der Geschichte, der Völkermord an den Tutsi und die fortlaufenden Kriege, reichen weit in die 1990er-Jahre zurück.
In der kurz gehaltenen Rahmenhandlung lebt der 33-jährige Gabriel ein wurzelloses Leben in Paris; seine Bekanntschaften sind flüchtig und seine Gedanken schweifen ab. "Seit zwanzig Jahren kehre ich zurück, nachts im Traum, tags in Gedanken; in mein Viertel, in die Sackgasse, wo ich mit meiner Familie und meinen Freunden ein glückliches Leben führte." Im Folgenden erinnert er sich detailliert an Erlebnisse seiner Kindheit, an die Zeit als "Dreimangohoch". Schon damals war er befremdet von der Einteilung der Menschen in Ethnien, obwohl sie doch scheinbar nichts unterscheidet: weder die Heimat noch die Religion noch die Sprache. Sollten die Ursache für Hass und Streit zwischen Hutu, Tutsi und Pygmäen etwa die Nasen sein, wie sein Vater behauptete?
Trotz der seitdem geschehenen Schrecken besteht "Kleines Land" über weite Passagen aus leichten, mitreißenden Anekdoten. Gabriel wächst mit französischem Vater und ruandischer Mutter, mit der kleinen Schwester Ana und Hausangestellten in einer recht guten Wohngegend auf. Mit seinen Freunden treibt Gaby, so sein selbst gewählter Spitzname, kleine Bandenstreiche. Die Jungs stibitzen Mangos aus den Nachbargärten, üben nachts den Sprung vom Zehn-Meter-Turm oder richten sich einen alten VW-Bus als Treffpunkt ein. Wenn Gaby versucht, seiner Brieffreundin in Frankreich von den ersten freien Wahlen in Burundi zu berichten, oder wenn die Familie vom Verwandtschaftsbesuch im Nachbarland nur durch Glück zurück über die Grenze gelangt, dann drängt die Politik bereits in den Kinderalltag. Auch unter seinen Freunden tun sich allmählich Abgründe auf - bis eine Handgranate zum Spielzeug wird. Gabriels Mutter floh als Tutsi aus Ruanda, als das Haus ihrer Familie während eines Massakers niedergebrannt wurde, und sehnt sich nach Sicherheit für ihre Familie. Frankreich wäre die Lösung, doch davonwill der Vater nichts wissen. Dann ist es plötzlich zu spät dafür. Die Familie muss die Gräuel in Ruanda tatenlos verfolgen und um ihr Leben fürchten. Gabriel und seine Schwester Ana können schließlich nach Frankreich geschickt werden, müssen aber ihre Familie und ihre Heimat zurücklassen.
Die Ereignisse von 1994 prägen das kleine Land Burundi bis heute. Der Welthunger-Index zählt es zu den ärmsten Ländern der Welt. So kann Gabriel, als er tatsächlich nach Bujumbura reist, von der Unbeschwertheit seiner Jugend nichts wiederfinden. Dennoch findet er mehr, als er je erwartet hätte ... Gaël Faye ist nur noch zu Besuch im Land seiner Kindheit, dem er mit seinem Buch ein ergreifendes Denkmal setzt, die nebenbei auch eine kleine Hommage an die Literatur selbst ist. Als Musiker und Texter besitzt Faye ein feines Sprachgefühl, sodass dieses literarische Debüt in reifen, poetischen Sätzen verfasst ist. Der kurze Roman öffnete 2016 dem französischen Publikum die Herzen, erhielt den Prix Goncourt des lycéens und wurde zum Bestseller.