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Produktdetails
Trackliste
CD 1
1Written on skin (Oper in 3 Akten) (Gesamtaufnahme)
2The protector, Agnès and the boy00:07:46
3Chorus of angels00:02:01
4Agnès and the boy00:08:21
5The protector and the visitors - John and Marie00:05:46
6Agnès and the boy00:08:26
7The protector's bad dream (2. Akt)00:01:17
8The protector and Agnès00:08:25
9The protector and the boy00:08:56
10Agnès and the boy00:05:26
CD 2
1The protector, Agnès and the boy (3. Akt)00:04:06
2The protector and Agnès00:06:07
3Chorus of angels and the protector00:06:47
4The protector and Agnès00:08:20
5The boy - Angel 100:05:16
6Duett (für Klavier und Orchester)00:12:05
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2013

Der Geist des Landes, besungen mit Herzbluterguss

Benjamin Brittens Oper "Gloriana" in Hamburg, George Benjamins "Written on Skin" in London: Wohin führt die neue Sehnsucht nach der Nationaloper?

Für die meisten europäischen Nationen liegt die Blütezeit ihrer Nationaloper so weit zurück in der Vergangenheit, dass all diese Rusalkas, Leonoren, Walküren und Agathen schon etwas Staub gefangen haben, der dann von der Regie wieder weggeputzt werden muss. Nur in England ist das anders. Dort lebt ein frischer Nationalstolz. Dort wartet man in Covent Garden bis heute darauf, dass einer vorbeikommt und die ultimative Meisteroper abliefert, in der sich britische Tugenden, britische Ideale und britischer Humor abgebildet finden in einer so spezifisch britischen Weise, dass sich die Nachbarvölker nur noch staunend dazuschalten können, wie sie es, zum Beispiel, zuletzt taten bei der Hochzeit von William und Kate.

Der gesellschaftliche Auftrieb, der Anfang dieses Monats bei den wenigen Aufführungen der Oper "Written on Skin" des britischen Komponisten George Benjamin im Royal Opera House Covent Garden in London zu erleben war, spricht da eine deutliche Sprache. Benjamin, der selbst dirigierte, wurde gefeiert wie ein Held, der aus gewonnener Schlacht nach Hause zurückkehrt. Endlich wieder ein komponierender Brite mit Weltgeltung!

Solisten (Barbara Hannigan, Bejun Mehta) und Ausstattung (Katie Mitchell) waren vom Allerfeinsten. Gleichwohl ist das Werk - komplex, aber zugleich tonmalerisch komponiert in einem für lange wie auch kurze Ohren gleichermaßen gefälligen, moderat zeitgenössischem Idiom - in doppelter Hinsicht ein Import. Die Uraufführung von "Written on Skin" hatte beim französischen Festival in Aix (siehe F.A.Z. vom 11. Juli 2012) stattgefunden, die Story spielt an auf einen historisch authentischen Renaissance-Eifersuchtsmordfall. Trotzdem könnte, was sich bei Gesualdo oder Guillem de Cabestanh abspielte, ebenso gut eine original britische Gothic Novel sein: Mächtiger, reicher, alter Mann erschlägt Liebhaber seiner schönen, jungen Frau, setzt ihr dessen Herz zum Nachtmahl vor, woraufhin sie es vorzieht, stolz wie Tosca aus dem Fenster in den Tod zu springen.

Vor sechzig Jahren wurde in Covent Garden, aus Anlass der Krönungsfeierlichkeiten von Elizabeth II., bei dem vorerst letzten Versuch, eine britische Nationaloper zu lancieren, eine ganz andere, ebenfalls tödlich endende Liebesgeschichte erzählt. Diese Oper heißt "Gloriana"; sie handelt von einer alten, reichen, mächtigen Frau, die ihren jungen Liebhaber köpfen lässt - ebenfalls ein scheußlicher, historisch authentischer Fall.

Dabei wurde der jungen Elisabeth II., die zugleich Widmungsträgerin dieser offiziellen Krönungsoper war, vom Komponisten Benjamin Britten der Spiegel ihrer gleichnamigen Vorgängerin im Amte vorgehalten: Es ging um die alternde Elisabeth I. und darum, wie sie sich vom Earl of Essex, Robert Devereux, der sie verriet, auf dergestalt unschöne Weise trennte - nach drei Akten und acht Tableaus voller Günstlings- und Intrigenwirtschaft. Man muss sagen: Galant war das nicht gerade. Nicht die Königin selbst, aber doch die Kritiker und die britische Gesellschaft nahmen Britten das auch ziemlich übel.

Dazu kommt, dass "Gloriana" nicht zu Brittens besten Opern gehört. Trotz manch fein und geschickt hineingewebter Lokalfarbe, trotz etlicher Zitate aus der Musik des goldenen britannischen Zeitalters, trotz des gewaltigen instrumentalen und personellen Aufwandes und trotz etlicher hinreißend schön komponierter Chöre und Ensembles: dieses Stück ist eine schwere, sperrige Kopfgeburt.

Es fiel 1963 durch und ließ sich seither, auch wenn das ab und zu ausprobiert wurde, zuletzt in Münster und Gelsenkirchen, nie wieder beleben. Die Hamburgische Staatsoper hat jetzt alle Kräfte aufgeboten, diesen schlechten Ruf von "Gloriana" zu rehabilitieren. Die Philharmoniker Hamburg bieten unter Leitung von Simone Young das Äußerste auf an Brillanz und Perfektion, dessen sie fähig sind. Aus dem Ensemble der Hamburgischen Staatsoper kommen so großartige Nebenrollendarsteller wie Helen Kwon (als Lady Rich). Aber auch Richard Charles (als Recorder of Norwich) kann sich hören lassen! Als Königin Elisabeth I. steht Amanda Roocroft fast ständig auf der Bühne, sie hat viel zu singen und zu sagen. Die Schärfe, die ihre Stimme in den oberen Registern mitbringt, passt vielleicht gut zu der Bitterkeit, die sie immer wieder in die Grandezza dieser Hauptgestalt mischt. Aber nicht zur Musik. Auch Robert Murray als Essex wirkt angestrengt, unfrei. Selbst das wundervolle Lautenlied im zweiten Tableau - eine der letzten, rührend hilflosen Liebesszenen des ungleichen Paares -, geht ihm nicht so schmelzend leicht und süß über die Lippen, wie es sein sollte.

Vielleicht tun sich die Sänger aber auch schwer, weil sie das Korsett einer allzu elaborierten und ambitionierten Regie mittragen helfen müssen. Richard Jones hat die Oper als Theater auf dem Theater inszeniert, in doppelter historischer Perspektive: Er zeigt eine Laienaufführung von "Gloriana" aus dem Jahre 1963, die sich Mühe gibt, authentisch elisabethanisch zu wirken. Da wackeln also heftig die Pappkulissen. Möglicherweise ist dies Ausdruck des spezifischen britischen Talents, über sich selbst Witze zu machen, die man in Hamburg nicht recht versteht. Möglicherweise ist das aber auch nur wieder eine Kopfgeburt. "Was soll der Scheiß hier?", ruft einer von der Galerie herunter, mitten in den Umbau hinein. Nur einmal gibt es einen echten Lacher: Als Sir Robert Cecil (Alfredo Daza) die Königin belehrt darüber, dass die wahre Kunst des Regierens "im Aussitzen, Schweigen und Verhindern" liege. Das ist zeitlos und überregional. Demnächst übrigens wird diese "Gloriana"-Inszenierung nach Covent Garden exportiert - mit hoffentlich mehr Glück.

ELEONORE BÜNING

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