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Produktdetails
Trackliste
CD
1Lisztomania00:03:25
2190100:03:12
3Fences00:03:45
4Love Like A Sunset [Part 1]00:05:39
5Love Like A Sunset [Part 2]00:01:57
6Lasso00:02:48
7Rome00:04:38
8Countdown00:03:57
9Girlfriend00:03:24
10Armistice00:03:05
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2009

Machen Sie sofort diese Musik lauter!

Sie kommen aus Frankreich, sie singen auf Englisch, und auf ihrem neuen Album haben sie wieder alles richtig gemacht: Phoenix denken so lange über ihre Musik nach, dass man das am Ende zum Glück nicht mehr hört. Dann haben die Gitarren das Wort.

Es fängt schon damit an, wie diese Platte heißt: "Wolfgang Amadeus Phoenix". Weil dieser Titel etwas in Gang setzt, was nur die schönste Popmusik vermag: auf ein Versprechen zu bauen, das niemals eingelöst wird oder vielleicht doch; etwas in der Schwebe zu halten und nicht zu klären oder nur halb. Ist das jetzt Ironie? Größenwahn? Oder doch genau richtig? Sind Phoenix, vier französische Männer mit Gitarren, die neuen Genies der Popmusik? Oder hängen sie sich nur an die Tradition und ziehen sie mit sich nach vorn? Am Ende muss man aber sagen: Gründe und Theorien sind im Fall von "Wolfgang Amadeus Phoenix" vollkommen egal. Es klingt erst mal einfach nur gut.

Thomas Mars, Laurent Brancowitz, Deck D'Arcy und Christian Mazzalai sind Freunde seit Kindertagen, sie sind groß geworden vor den Toren von Paris und gehören heute unter die Popbands, die eher länger als kürzer über Strategien nachdenken - Strategien, zu denen eben auch Plattentitel gehören. Dass ihre Musik sich aber am Ende von allen Überlegungen löst, macht Phoenix so wunderbar: Gut, dass es sie gibt, dass sie geblieben sind nach allem Hype und dem verständlich großen Glück über eine Band, die nicht nur gut aussah, mit den richtigen Leuten aus den anderen Künsten verbandelt war (nämlich im Falle von Sänger Thomas Mars mit der Regisseurin Sophia Coppola), sondern auch noch tolle Musik machte, und all das irgendwie mit links.

Und noch schöner ist, dass Phoenix jetzt eine neue Platte aufgenommen haben, die es schafft, so etwas wie eine Synthese zu sein zwischen ihren ersten drei Alben, die manchmal leicht überambitioniert waren, und dem vierten, das sich davon frei machte und auf so eine unmaskuline Art und Weise rockte, wie man es lange nicht mehr gehört hatte, vielleicht sogar noch nie. "It's never been like that" war im August 2005 sehr schnell in Berlin entstanden und weitgehend frei von Elektronik gewesen.

Die neue, fünfte Platte, aufgenommen in New York und auf der Seine in einem Hausboot, beginnt gleich mit einem seltsam verzerrten Tastenklang, und dann geht es auf Gitarren los mit "Lisztomania" - schon wieder so ein Titel, der alles und nichts bedeutet und deswegen gleich im Ohr bleibt. Zehn Lieder hat das neue Album, und eines davon ist vielleicht die Essenz von alledem, klingt wie das, was Phoenix im Innersten zusammenhält: "Girlfriend", das vorletzte Stück, beginnt mit einem Crescendo, wird also langsam lauter, tritt ans Licht, bricht ab, die Gitarre zickt so leicht, fast wie Funk herum, dann beginnt Thomas Mars mit seinen Strophen, ziemlich lässig, aber auch weich und weise. Kurz darauf hält das Lied noch mal an, bleibt verträumt in der Luft hängen, stampft wieder los, zieht sich hin, und das Ganze kulminiert in einem "Giiierrlfrieeeeend". Wer spricht? Ein Mann, der sich seine Freundin anschaut oder alle Freundinnen auf der Welt. Ein Mann, der einen Popsong singt oder alle auf einmal.

Phoenix haben in ihrer Karriere schon eine Handvoll überragender Songs aufgenommen: "Too Young", der erste Hit, kündete mit Fanfaren sich selbst als neuestes Popwunder an, "If I Ever Feel Better" hatte einen Refrain, der einen im Surf davonwehte, "Everything is Everything" war weißer Funk, "Long Distance Call" schließlich, vom letzten Album, coolster Rock, tanzbar, clever, man musste immer unweigerlich grinsen, wenn das Lied im Radio lief. Dahin gehören Phoenix in jedem Fall: Sie spielen aktuelle Musik, trotz aller historischen Zitate, die am Ende doch nur Kritiker freuen, trotz all der Titelwitze auf große Komponisten. Eine Musik, die man sofort lauter stellen möchte. Dass Phoenix das Radio erobert haben wie Franz Ferdinand, mit Hymnen, die am Autoselbstfahrer genauso sinnvoll sind wie in der Galerie, das gehört zu den Happy Ends im Pop der letzten Jahre.

In der Mitte bricht die Platte etwas auseinander, in dem Instrumentalstück, das "Love Like A Sunset 1" heißt, und einem Nachklapp gleichen Titels, auf dem Mars dann doch singt. Danach hangelt sich die Band mit "Lasso" wieder in die Spur zurück, und man wundert sich, woher jetzt wieder diese Hooks und diese Taktwechsel kommen, wie es diese Band schafft, so oft das gleiche Stück zu spielen, aber jedes Mal schöner und anders.

Spielte man das Album von hinten nach vorn, würde es sich trotzdem von Lied zu Lied steigern. Phoenix haben einen Hang zum Slogan, zum eleganten Jargon; erstaunlich amerikanisch klingen die Texte, und erst wenn man mit dem Sänger Thomas Mars spricht, hört man aus seinen Sätzen den französischen Zungenschlag wieder heraus. Die Band hat in Interviews gesagt, dass sie früher Frankreich hinter sich lassen, diese Herkunft abstreifen wollte. Aber nicht das eine und nicht das andere zu sein - auch das ist eine große Antriebskraft in der Popmusik. Diese Etikettenprobleme allerdings übertönt "Wolfgang Amadeus Phoenix" mit jedem Lied. Nur Phoenix klingen wie Phoenix, traumverloren, euphorisch, klug und naiv.

TOBIAS RÜTHER

Phoenix, Wolfgang Amadeus Phoenix. V2/Cooperative Music 2447187 (Universal)

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