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Produktdetails
Trackliste
CD
11. Allegro con fuoco00:01:36
22. Andante cantabile00:05:00
33. Allegretto grazioso00:02:44
44. Allegro risoluto00:02:40
5Sonate für Violine solo op. 31 Nr. 2
62. Ruhig bewegte Achtel00:03:00
73. Gemächlichere Viertel00:01:52
84. 5 Variationen über das Lied Komm, lieber Mai von Mozart (Leicht bewegt)00:05:14
9Sonate für Violine solo op. 13
102. Prestissimo00:04:11
113. Allegro deciso00:03:11
12Sonate für Violine solo op. 12
132. Allegretto scherzando - Trio: Einfach, wie eine Volksweise00:04:26
143. Langsam00:02:43
154. Lebendig00:03:57
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2022

Viersaitiges Schmetterlingsflattern
Die lettische Geigerin Baiba Skride spielt moderne Sonaten für Violine solo

Keineswegs ist, wie oft angenommen wird, die unbegleitete Musik für Violine, die Kunst des mehrstimmigen Spiels auf ihren vier Saiten nach Johann Sebastian Bachs berühmten Sonaten und Partiten von 1720 umgehend "ausgestorben" und erst im zwanzigsten Jahrhundert wiederbelebt worden. Sie hat auch nicht erst mit diesem einzigartigen Opus begonnen. Komponisten wie Heinrich Ignaz Franz Biber oder Johann Paul von Westhoff hatten bereits Jahrzehnte zuvor solche Spielweisen ausgelotet. Mit einer Solosonate "ohne Bass" gab Johann Georg Pisendel als geigender Zeitgenosse von Bach 1717 womöglich den Anstoß zu dessen "Sei solo". Fünfzehn Jahre nach dem legendären Sechserpack ließ der etwas ältere Georg Philipp Telemann seine zwölf Fantasien "per il Violino senza Basso" drucken, die unlängst ebenso mustergültig wie seelenberührend von Alina Ibragimova neu eingespielt worden sind (Hyperion CDA68384).

Stücke für Geige allein sind nach Bachs Tod auch in der Übergangszeit zum Stil der Wiener Klassik entstanden. Der böhmische Virtuose und Mitbegründer der Mannheimer Schule Johann Stamitz (1717 bis 1757) hat anspruchsvolle, technisch enorm fordernde zweistimmige Divertimenti "sans basse" komponiert. Friedrich Wilhelm Rust (1739 bis 1796) war als Geiger Schüler von Franz Benda, ist aber auch in Italien bei Giuseppe Tartini und Gaetano Pugnani sowie als Clavierspieler in Halle bei Wilhelm Friedemann, in Berlin bei Carl Philipp Emanuel Bach in die Lehre gegangen. Gegen Ende seines Lebens schrieb er zwei geniale, horrend schwer zu spielende Sonaten für Violine solo. Sie fußen auf Bachs epochalen Gattungsbeiträgen, weisen aber weit in die Zukunft. Im neunzehnten Jahrhundert waren sie nie ganz vergessen, wurden aber doch von großen Interpreten damals und bis in jüngste Zeit weitgehend ignoriert. Chouchane Siranossian hat vor acht Jahren jeweils eines der besagten Werke von Stamitz und Rust für ihr erstes Soloalbum brillant zu neuem Leben erweckt (Oehms).

Nach Niccolò Paganinis Capricen aus der Zeit bis 1817 hat das kompositorische Interesse an dieser Disziplin des Geigenspiels nachgelassen und ist erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wieder stärker in den Vordergrund getreten. Max Reger unternahm ab 1900 insgesamt elf Versuche schöpferischer Rückbesinnung auf die nunmehr ins kanonische Repertoire eingehenden Muster Bachs und inspirierte damit zahlreiche Kollegen. Vor allem in den Zwanzigerjahren entspann sich so ein regelrechter Wettbewerb. Eugène Ysaÿe legte 1924 seine sechs Solosonaten op. 27 vor. Paul Hindemiths Sonate op. 31/2 erschien im selben Jahr. Schon 1921 ließ der Schweizer Komponist Walter Courvoisier (1875 bis 1931) mit seinen ambitionierten Sechs Suiten op. 31 aufhorchen, die Hansheinz Schneeberger 1998 erstmals eingespielt hat (Animato, 2 CDs).

Die aus Riga stammende Geigerin Baba Skride hat nun ihr neues Album "Violin unlimited" der Hindemith-Sonate sowie weniger bekannten Werken für Violine solo von Philipp Jarnach, Eduard Erdmann und Erwin Schulhoff gewidmet. Erdmann (1896 bis 1958) wurde wie Skride in Lettland geboren. In Berlin besuchte er die Kompositionsklasse von Heinz Tiessen. Als hervorragender Pianist setzte er sich auch für zeitgenössische Musik ein. Seine Klavierprofessur an der Kölner Musikhochschule kündigte er aus Protest gegen antisemitische Nazi-Kulturpolitik, worauf seine Musik mit Aufführungsverbot belegt wurde. Seine von Skride klangschön zelebrierte Sonate für Violine allein von 1921 schreitet im ausladenden Kopfsatz erfindungsreich und geigerisch wendig die Tonräume aus. Auch die Folgesätze künden von üppiger kompositorischer Phantasie.

Philipp Jarnach schrieb bereits 1913 eine erste Solosonate für Geige. Als Schüler Busonis ließ er 1922 eine weitere folgen. Skride zwingt die expressive, immer wieder zweistimmig oder akkordisch verzweigte Melodie des Anfangs bewundernswert unter den Bogen weit ausschwingender Gesangsgesten und streut luftige Pizzicato-Wölkchen drüber. Hindemiths Sonate, in dessen Hochzeitsjahr entstanden, erweist sich allen nüchternen Satzbezeichnungen zum Trotz als emphatische Liebeserklärung. Frühlingshaft vertrillerte Linien und zärtlich gezupfte Arpeggien verheißen unbeschwertes Glück. Mozarts "Komm lieber Mai" wird am Ende schmetterlingsgleich von grifftechnischen Extravaganzen umflattert.

Die 1927 publizierte Sonate des Reger-Schülers Erwin Schulhoff schließt im Stirnsatz quasi barocke Formeln kurz mit Folk-Fiddle-Effekten. Skride prescht schwindelerregend durch die Kurven dieser Rallye. Das kantabel strömende Andante belebt sie ausdrucksstark mit ihrem satten Stradivari-Ton. Wie auf Zehenspitzen leitet der mit Pizzicati garnierte dritte Satz über zum virtuos dahinrasenden Finale. WERNER M. GRIMMEL

Violin unlimited:

Solo-Sonaten von

Erwin Schulhoff, Paul Hindemith, Philipp

Jarnach und Eduard Erdmann. Baiba Skride; Orfeo C210051 (Naxos).

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