Vertracktheit auf, die diese Band groß gemacht hat, auf der Tournee sah man fünf gesetzte Herren - und eine Heerschar von deutlich jüngeren Begleitmusikern - in großer Spielfreude (F.A.Z. vom 6. August). Und glaubt man der jüngst erschienenen DVD-Box mit Konzertausschnitten und einer einstündigen Dokumentation der Bandgeschichte, hat es sogar den Anschein, als sprächen Wilson und Love wieder miteinander.
Als das noch keine Sensation war, vor vierzig bis fünfzig Jahren also, nahm die Band rasend schnell Platte um Platte auf, und wer sie heute hintereinander weg hört, der staunt über den Lernprozess der talentierten Jugendlichen, die am Anfang immerhin hübsch zusammen sangen und ein paar Jahre später dann eben "Pet Sounds" aufnahmen, ein Meisterwerk eigenen Rechts, aus dessen Entstehungszeit die DVD zur Bandgeschichte einige eindrucksvolle Filmschnipsel zeigt. Sie geben Hinweise darauf, wie diese Transformation möglich war. Brian Wilson war ein penibler Nerd, der seine beiden Brüder, die Band und die Studiomusiker mit freundlichen, aber eindeutigen Gesten exakt dahin brachte, wo er sie haben wollte, und er hatte umgekehrt Mitstreiter, die ebenso gutwillig wie konzentriert bei der Sache waren - was sich dann bekanntlich im Verlauf der Sessions zu "Smile" änderte.
Nun sind, als vorläufiger Abschluss der Jubiläumsfeier, zwölf Beach-Boys-Alben aus dieser Zeit neu auf CD erschienen, die meisten von ihnen jeweils in Mono- wie in Stereo-Abmischung - von "Surfin' U.S.A." (1962) bis zu "Surf's Up" (1971), der Platte also, die immerhin ein paar der "Smile"-Scherben an die Öffentlichkeit brachte. Sie alle ersetzen die vor gut zehn Jahren publizierten Beach-Boys-CDs, die damals einer ganz anderen Strategie geschuldet waren: Statt wie heute zweimal dieselben Lieder auf einer CD brachte man seinerzeit zwei ganze Alben plus Bonustracks auf je einer CD unter. So ging "Today!", ursprünglich im März 1965 erschienen, nahtlos in "Summer Days (And Summer Nights!!)" aus dem Juli 1965 über, auf "Help Me, Ronda" folgte "Help Me, Rhonda", das gegenüber der Version auf dem Vorgängeralbum im Titel ein "h" und den charakteristischen Chorgesang im Refrain bekam. So gesehen, ist man mit den neuen CDs weniger gut bedient, und auch die üppigen Kommentare im Booklet wird man nun vermissen - wie haben sie nur die vertrackte Basslinie in "Salt Lake City" aufgenommen, und wer haucht da "I love you" in "Please Let me Wonder"?
Trotzdem ist die Neuausgabe von "Summer Days (And Summer Nights!!)" eine Entdeckung. Nicht nur, weil man beim konzentrierten Hören einiges besser wahrnimmt, was früher leicht verschleiert war, allem voran das ganze Ausmaß an Unbehaglichkeit in Brian Wilsons Stimme, wenn er mit seinem Vater abrechnete ("I'm Bugged At My Ol' Man"), den Reichtum an Nuancen im Instrumentalstück "Summer Means New Love", das feine Intro zu "California Girls" oder die Begleitung unter dem dominanten Saxophonsolo in "Salt Lake City".
Vor allem aber ist der Vergleich zwischen Mono- und Stereoversion hier tatsächlich erhellend: Die eine, das Original, funktioniert bestens, um Höhepunkte dieser Platte strahlen zu lassen - "California Girls" natürlich in der Wucht seiner Modulationen oder das deutlich von den Beatles beeinflusste "Girl Don't Tell Me" (als wollte Brian Wilson zeigen, dass er derlei eben auch beherrscht, um sich dann wieder ganz anderen Stilen zuzuwenden). Die Stereo-Version wird man dagegen zwar gar nicht unbedingt vorziehen, aber man versteht hier umso besser, auf welchem Weg sich die Beach Boys befanden, welche Stimmen hier in welchen Prozessen übereinandergelegt wurden, um am Ende das Klangbild zu erzeugen, das die Platten dieser Zeit heute noch funkeln lässt.
The Beach Boys, 50: Live in Concert.
2 DVDs BlastMusic 3722195 (Universal).
The Beach Boys, Summer Days (And Summer Nights!!)
Mono/Stereo. Capitol Records 40443324 (EMI)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main