The Third Man

Illustratutionen im Plattenbeiheft, das die in ihren Dialog vertieften Musiker zeigt. Man hört es in den wonnig aufwärtstuckernden Zweiklängen des Pianointros zu der Edelschnulze "Estate". Und man kann diesen Modus wiederfinden in den behutsam strahlenden Phrasen, die Ravas Trompete in den harmonischen Feldern erntet, welche Bollani bestellt. Spätestens dann aber hat man es so verinnerlicht, dass man nur mehr wie der Hund Nipper von "His Master's Voice" den Kopf neigen will, wenn Bollani mit verblüffenden Reharmonisierungen und atonalen Brechungen den Wahlverwandtschaften musikalischer Moleküle nachgeht: Hier herrscht Sammlung. Das Schönste an diesem Modus der Konzentration nämlich ist wohl, dass er sich umstandslos auch auf den Zuhörer überträgt, ihn bannt, ihm zur Lust wird.

Man folgt den beiden Musikern gern weiter in die dodekaphonisch-skurrile Nachtwelt des Titelstücks hinein, um sich auf Ravas "Sun Bay" gymnopaedisch zu entspannen, bevor Carlos Jobims melancholisches "Retrato em branco y preto" zur Grundstimmung des Albums zurückführt. Vieles von dem, was in diesem Zeitlupen-Bossa-nova-Krimi erzählt wird, erschließt sich erst mit der Zeit. Dies gilt besonders für jene Passagen, in denen Bollani mit seiner Kunst brilliert, scheinbar disparate musikalische Idiome und Ideen in spannungsreiche Beziehungen zu setzen.

Die Entdeckung, wie formbewusst der diesjährige Gewinner des European Jazzprize auch in diesen Momenten mit seinem Mentor Rava kommuniziert, führt schrittweise in das unterirdische Kanalsystem, das die zwölf Stücke verbindet. Auf dem Weg hinunter drohen dem Hörer kaum Gefahren, nur eine Vorstellung ist beängstigend: Was könnte grausamer als das Klingeln eines Telefons sein, just dann, wenn Orson Welles aus dem Schatten tritt?

ALESSANDRO TOPA

Enrico Rava & Stefano Bollani, The Third Man. ECM 2020 (Uinversal)

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