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Trackliste
CD
1The Chokin' Kind
2Super Duper Love
3Fell In Love With A Boy
4Victim Of A Foolish Heart
5Dirty Man
6Some Kind Of Wonderful
7I've fallen in love with you
8I Had A Dream
9All the king's horses
10For The Love Of You
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2004

Der Soul und das Mädchen
Englisch, weiblich, jung: Das Debüt von Joss Stone

In Ronnie Scotts Jazzclub in London, wo im vergangenen Monat der neunundsiebzigjährige "Little" Jimmy Scott zwei Konzerte pro Nacht gab, trat neulich ein Mädchen auf, das bei Jimmy Scotts eigentlichem Comeback vor zwanzig Jahren noch gar nicht geboren war: Joss Stone, sechzehn Jahre alt. Wenn hier im Jazzclub, der hergerichtet ist wie Charlie Parkers legendärer Club Birdland, das Licht ausgeht und Joss Stone auf die Bühne kommt - lange Haare, Jeans, ein orangenes Top, mit einem Blümchentuch um die Hüften gewickelt -, dann wirkt sie mit ihrer porzellanfarbenen Haut und den Perlarmbändern doch sehr wie ein Hippiemädchen, bei dem man sich fragt, was es hier will. Dann fängt sie an zu singen, und plötzlich stimmt doch alles: Eine mächtige, wissende Soulstimme gibt Laut, die Liebe nur als Kummer kennt. Sie liegt irgendwo zwischen Chaka Khan und Janis Joplin, und wenn man sie mit geschlossenen Augen hört, denkt man: Die ist mindestens vierzig. Zwischen den Liedern kichert Joss Stone: "Das ist mein Lieblingslied. Ich hoffe, ich vermassele es nicht."

Joss Stone wuchs mit drei unmusikalischen Geschwistern in Devon, Großbritannien, auf. Der Vater importiert Trockenfrüchte, Mutter Wendy begleitet die Tochter auf Reisen und kümmert sich um ihr Management. Als Joss Stone zwölf war, wußte noch niemand, daß sie besonders gut singen konnte. Sie war nur schlecht in der Schule. Die BBC-Talentshow "Star For A Night", in der sie gewann, war da eine gute Ausrede, um die Schule zu schwänzen. Mit vierzehn wurde sie dem Plattenfirmenchef Steve Greenberg vorgestellt, der sie bei S-Curve Records unter Vertrag nahm und mit der Soul-Veteranin Betty Wright zusammenbrachte: "Von ihr lernte ich alles, was ich kann."

Schon das Cover ihres nun auch in Deutschland erschienenen Albums "The Soul Sessions" sieht aus, als käme es aus einer Zeitmaschine, schätzungsweise 1965. Es klingt auch so. Steve Greenberg und Betty Wright trommelten dafür Soulmusiker der sechziger und siebziger Jahre zusammen: Thimmy Thomas ("Why Can't We Live Together"), Willie "Little Beaver" Hale und Latimore ("Let's Straighten It Out"). Im Studio warf man allerdings die Pläne für das eigentliche Debütalbum, das im Laufe des Jahres veröffentlicht werden soll, über den Haufen und nahm in vier Tagen die "Soul Sessions" auf, eine Auswahl an alten und neuen Liedern: etwa Joe Simons "The Chokin' Kind", Marvin Gayes "Can I Get A Witness", "I Had A Dream" von John S. Sebastian und von den "White Stripes" der Song "Fell in Love With A Girl".

Es ist nicht leicht, in Klassiker noch mehr Persönlichkeit einzubringen, als eh schon drin ist; doch wer sie singt, auf den färbt die Glaubwürdigkeit der Lieder quasi automatisch ab. In Amerika spricht man von upmarket profile und, wenn es die Leute auch kaufen, credibility. Joss Stones Musik hört sich in der Tat an, als wäre sie von einer passionierten Soulband vor vierzig Jahren aufgenommen worden, auch wenn sie selbst aussieht wie die Gewinnerin einer Casting-Show. Sie singt den Blues, aber darf sie ihn auch haben, wo sie doch noch so jung ist? Diese Frage wurde ihr vor allem in Amerika gestellt, wo Leute wie Aretha Franklin, Michael Jackson und Stevie Wonder Platten aufnahmen, bevor sie Auto fahren durften. Die Frage nach dem Alter ist so überflüssig wie die nach der Hautfarbe. Joss Stones PR-Abteilung wies auf Internetseiten hin, auf denen sich folgender Witz fand: "Die einzigen Hautfarben, die ein Soulsänger außer Schwarz tragen darf, heißen Al Green, James Brown und Barry White."

Joss Stone ist noch in einem Alter, in dem man die Presse mit kurzen Antworten abspeist und alles erst mal "nett" findet: den Besuch bei David Letterman, das Telefonat mit Stevie Wonder, die Begegnung mit Lenny Kravitz und "Simply Red", der Besuch im Weißen Haus, auch George W. Bush ist nett, ebenso natürlich Betty Wright. Ansonsten ist ihre Unbekümmertheit von der Art, daß sie im Fahrstuhl mit Jude Law fährt, ohne zu wissen, wer das ist oder warum der berühmt ist und erste Klasse in Flugzeugen und Hotels für Geldverschwendung hält. Im Sommer wird sie in Glastonbury auftreten, ohne jemals selber als Fan dagewesen zu sein. Für alles übrige hat sie ihre Mutter. Es läuft gut für sie, Lenny Kravitz und Lamont Dozier wollen mit ihr arbeiten, Paul Weller hat es schon getan. Mit Sting wird sie im Juni auftreten. Für sie gilt das Leistungsprinzip: "Wer kauft denn heute noch eine CD, nur weil da ein hübsches Mädchen auf dem Cover ist?" Gute Frage.

AREZU WEITHOLZ.

Joss Stone, The Soul Sessions. S-Curve-Records/Virgin 97153 (EMI)

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