dieser gerade sechzehn Jahre alt. Kürzlich, also fast zehn Jahre und vier Alben später, äußerte Turner sich wehmütig darüber, dass die damalige Unschuld und Naivität der Band wohl für immer verloren seien. Wie ein lyrischer Beweis hierfür klingt denn auch die Liedzeile "You look like you've been for breakfast at the Heartbreak Hotel". So ist das, wenn einem die Welt beim Erwachsenwerden zuschaut.
Gewiss nicht verloren hat die Band das Händchen für eindringliche, sehr tanzbare Rocksongs, wie sie mit "The Hellcat Spangled Shalalala" oder "Reckless Serenade" auf dem neuen Werk "Suck It And See" unter Beweis stellt. Mit Stücken wie "Brick by Brick" knüpft man noch einmal an die Punkphase an, welche die Band spätestens mit dem Album "Humbug" (2009) verlassen zu haben schien zugunsten ruhigerer, sogar schon elegischer Stücke. Manche Passagen klingen jetzt allerdings etwas gewollt schief - man kann sich eben nicht mehr auf das Schülerband-Image und die Ästhetik des ersten Versuchs zurückziehen.
Die teils harte äußere Hülle kann jedoch nicht verdecken, dass es auf dem Album letztlich um weiche Themen geht. Immer wieder werden flüchtige Romanzen gegen die große Liebe ("Love Is a Laserquest") abgewogen. Alex Turner zeigt hier keinerlei Hemmungen vor Pathos, einmal erwägt er anrührenderweise, die Kerzen auszublasen, um zu sehen, ob seine Angebetete im Dunkeln leuchtet.
Solche Ideen mögen allerdings auch daher kommen, dass Turner parallel zur Arbeit am neuen Album der Band einige Songs für den Soundtrack eines Films schreiben musste, der - was Wunder - von einem Erwachsenwerden in der englischen Provinz handelt und natürlich auch viel mit erster Liebe zu tun hat. "Submarine" heißt der Film von Richard Ayoade, in dem auch Sally Hawkins (bekannt durch "Happy Go Lucky") mitspielt und der gerade in englischen Kinos anläuft.
Auf dem bereits im März erschienenen Soundtrack dazu zeigt Turner sich musikalisch von einer ganz anderen Seite, mit stillen Singer/Songwriter-Stücken zur Akustikgitarre, und es findet sich darauf auch der wunderschöne "Piledriver Waltz", ein Tanz mit der Dampframme also, den er nun mit seiner Band nochmals veröffentlicht.
Auf dem Album der Arctic Monkeys leitet dieser Walzer eine Schlussphase ein, in der Turner in Sachen lyrischer Liebeswerbung noch einmal aufs Ganze geht. Die Musik dazu erreicht zuweilen etwas Getragenes wie bei Morrissey oder Richard Hawley, das Alex Turner schon sehr glaubhaft vermitteln kann. Was die Sprachbilder für dichterische Komplimente angeht, steht Turner jedoch für durchaus jugendliche, zeitgebundene Einfälle, die sich vom Schönheitskatalog der höfischen Dichtung weit entfernt haben - es wäre ja auch langweilig, wenn es heute immer noch um rosenrote Lippen und blütenweiße Zähne ginge.
Jetzt vergleicht man die Liebste lieber mit ausgefallenen Getränken: "You're rarer than a can of Dandelion & Burdock / And those other girls are just postmix lemonade", heißt es im Titelstück "Suck it and See". Damit ist gleichzeitig auch jeder Verdacht einer mit diesem Titel womöglich gemeinten Derbheit ausgeräumt.
Erstaunlich ist, dass es sich bei "Dandelion and Burdock" (Löwenzahn und Große Klette) um eine alkoholfreie Kräuterlimonade handelt: Von solcher im wahrsten Sinne des Wortes harmlosen Metaphorik und erst recht der dahinterstehenden Lebensweise sollten sich Pete Doherty und Amy Winehouse eine Scheibe abschneiden!
JAN WIELE
Arctic Monkeys, Suck It And See
Domino Records 4944694 (Goodtogo)
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