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Produktdetails
Trackliste
CDDVD 1
1Miss You00:04:48
2When The Whip Comes Down00:04:20
3Just My Imagination (Running Away With Me)00:04:38
4Some Girls00:04:36
5Lies00:03:11
6Far Away Eyes00:04:23
7Respectable00:03:09
8Before They Make Me Run00:03:24
9Beast Of Burden00:04:25
10Shattered00:03:46
CDDVD 2
1Claudine00:03:42
2So Young00:03:18
3Do You Think I Really Care?00:04:22
4When You're Gone00:03:51
5No Spare Parts00:04:30
6Don't Be A Stranger00:04:06
7We Had It All00:02:54
8Tallahassee Lassie00:02:37
9I Love You Too Much00:03:10
10Keep Up Blues00:04:20
11You Win Again00:03:00
12Petrol Blues00:01:35
CDDVD 3
1Respectable00:03:09
2Far Away Eyes00:04:13
3Miss You00:03:59
4Beast Of Burden00:06:31
5Shattered00:04:49
6Tumbling Dice00:04:35
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2011

Die hatten noch etwas in der Hinterhand

Klingt "Some Girls" etwa wie Status Quo? Die Deluxe-Ausgabe des Rolling-Stones-Albums von 1978 ist vor allem wegen des Bonusmaterials interessant - ein Rockarchiv, in dem alle Zahnräder ineinandergreifen.

Von Wolfgang Schneider

So weit ist es gekommen: Fünfzig Jahre rollen die Steine nun schon und sind immer noch nicht ganz unten angekommen. Und es wäre ein Wunder, wenn Mick Jagger dieses Jubiläum nicht zu einer Wertschöpfungskette nutzen würde. Sie beginnt mit einer Deluxe-Edition des angeblich meistverkauften Albums, "Some Girls" aus dem Jahr 1978. In der Rockgeschichtsschreibung gilt es als ein Meisterwerk, als Rückkehr der Band zu Form und Relevanz. Das ist eine Ungerechtigkeit gegenüber dem vorhergehenden Studiowerk "Black And Blue", einem ihrer bestproduzierten Alben.

Bei der Arbeit an "Some Girls" war die Band im sechzehnten Jahr. Trotzdem wurden die Mittdreißiger von den Jungspunden des Punk als Rock-Opas geschmäht. Die Stones wollten es ihnen zeigen. So jetteten sie mit der Concorde von New York nach Paris, um im eigenen Studio ihre dekadente Version des Punk einzuspielen. Reduktion hieß das Programm - bei einer Band, die doch nie berüchtigt war für zu hohe Komplexität.

Waren die Alben seit den späten sechziger Jahren immer wieder aufgewertet worden durch erstklassige Studiomusiker, so verzichtete man nun darauf. Stattdessen drosch der vom zeitgemäßen Dilettantismus ermutigte Mick Jagger die dritte E-Gitarre. Heute, wo der von der Popkritik so lange als letzte "authentische" Rockrebellion verherrlichte Punk zum Kuratorenphänomen geworden ist, hört man die Ergebnisse mit gemischten Gefühlen. "Respectable", diesen merkwürdigen Zwitter, eine Art Punk'n'Roll, lässt man sich ja noch gefallen. "When the Whip Comes Down" fängt schmissig an, geht dann aber mit dem allzu monotonen Wechsel von A-Dur und D-Dur, der im Temptations-Cover "Just My Imagination" nur in etwas langsamerer Spielart fortgesetzt wird, auf die Nerven.

Mit solchen Songs allein wäre das Album nicht zum Triumph geworden. Jagger, dem es auch um die Finanzierung des interkontinentalen Jetset-Lebens ging, suchte den Anschluss an den zweiten Trend jener Jahre: Disco. So war "Miss You" ein cleverer Welthit mit elastischer Ohrwurmmelodie und verfügte über genug lässigen Witz, um mit dem "Verrat" des Rock an die Discowelle auszusöhnen. Gut ist auch das bluesige "Some Girls", in dem sich Jagger in die Pose des sexuell ausgelaugten Frauenverächters wirft und humorlose Feministinnen provoziert. Ein Höhepunkt ist "Far Away Eyes", dessen leicht bräsige, von Ron Woods Pedal-Steel-Gitarre dominierte Musik zur furiosen Country-Parodie vor allem durch den komisch-knödeligen Sprechgesang wird. "Beast of Burden" ist eine klassische Stones-Ballade, reitet aber doch ein bisschen zu ausdauernd auf seiner schönen kleinen Melodie herum. Die New-York-Hommage "Shattered" ist mit dem düster grummelnden Riff und dem leicht hysterischen Rap-Gesang das coolste Stück der Platte.

Viel gerühmt wurde die Produktion von Chris Kimsey. Aber ist sie wirklich so überzeugend? Auffallend ist der dünne, beinahe schrille Sound, der durch das Remastering nicht besser geworden ist. Die Gitarren klingen kraftlos und verwaschen, nach einer wursteligen, gewollt konfusen Garagenband. Das Piano bleibt auf "Some Girls" außen vor. Ian Stewart soll die Sessions verlassen haben mit der Bemerkung, die Stones klängen jetzt wie "bloody Status Quo".

Gerade weil das Album nicht ganz so überragend ist wie sein Ruf, bietet die Deluxe-Edition eine entschiedene Bereicherung. Die Pariser Sessions für "Some Girls" waren ja sehr ergiebig. Und man kann nicht sagen, dass die Stones sogleich das Beste davon herausgeschossen hätten. Die Stücke wurden auf kommende Alben verteilt, eine Hymne wie "Start Me Up" erst drei Jahre später auf "Tattoo You" plaziert. Und so kann nun auch die Bonus-CD mit zwölf unveröffentlichten Songs noch einmal zur angenehmen Überraschung werden. Hört man die beiden CDs hintereinander, hat man den Eindruck, dass im Anschluss an das bisweilen angestrengte Zeitgeist-Programm nach Herzenslust gejamt wurde. Da machen die Stones, was sie aus dem offiziellen Album ausgesondert haben und was sie am besten können: geradlinigen Blues- und Countryrock. Klar, dass damit 1978 kein Blumentopf oder Kritikerkopf zu gewinnen war. Heute freut man sich darüber.

Großartig sind das krachende "Tallahassee Lassie", der federnde Rockabilly "Claudine" und der frische Country-Rocker "Do You Think I Really Care", der das hat, was die besten Stones-Songs seit je auszeichnet: diesen gewissen euphorisch-melodischen Schnörkel, der aus dem musikalischen Allerweltsmaterial etwas Besonderes macht. Keith Richards singt die sentimental-schlottrige Ballade "We Had It All", und das wirkt längst nicht so verrumpelt wie sonst viele seiner Solodarbietungen. Bei dem Power-Blues "So Young" kommt sein synergetisches Zusammenspiel mit Ron Wood sehr gut zur Geltung. Dieses Weaving hat ja seine Reize gegenüber der konventionellen Aufteilung von Lead- und Rhythmusgitarre zu Zeiten Mick Taylors und seiner melodiös dahinperlenden Soli. Nun knirscht der eine Stone einen stummelhaften Lick, der andere antwortet darauf mit einer Chuck-Berry-Reprise, worauf der erste wieder einen Akkord wie einen Bläsersatz zerlegt und der andere ein Mini-Solo dazugibt.

Die Gitarristen, die beide nicht so gut darin sind, längere originelle Melodiebögen und wohlstrukturierte Soli aufzubauen, arbeiten kleinteilig, aber effektiv zusammen - wie die Zahnräder einer Maschine greifen ihre Beiträge und Zitate aus den Archiven des Rock'n'Roll ineinander. Mit den Overdubs - vor allem der Gesang wurde neu aufgenommen - wirken die Songs zeitlos, die Gitarren klingen präziser als auf dem Originalalbum.

Zum Auftakt des Jubiläums haben die Rolling Stones also allerhand zu bieten. Dazu gehört unbedingt auch "Brussels Affair", ein kraftstrotzender Konzertmitschnitt von der "Goats Head Soup"-Tour 1973, der als eine der besten Liveaufnahmen der Band gilt. Jetzt gibt es den vormaligen Bootleg in stark verbesserter Tonqualität als Download auf der Seite Rollingstones.com. Angekündigt als "another chanson très triste", hört man dort eine grandiose, fast elfminütige Version von "You Can't Always Get What You Want". Da hat der Stones-Fan, was er braucht, und stimmt ein in Jaggers zungenfertigen Zwischenkommentar: "Oh la la, c'est si bon."

Rolling Stones, Some Girls.

Deluxe Edition,

2 CDs.

Polydor 3003569 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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