Produktdetails
Trackliste
CD
1S Muss Weitergehen (Intro)00:01:46
2Ich Bin So00:04:17
3Mein Herz00:04:08
4Du Bist Auserwählt (Interlude)00:00:22
5Die Auserwählte00:05:10
6Was Immer Du Da Tust00:04:38
7Am Tag Danach (Interlude)00:00:19
8Allein00:03:48
9Bis Ich Wieder Rappen Will (Interlude)00:01:12
10Setlurflow00:04:32
11Feel So Bad00:04:10
12Liebe00:04:37
13Keine Macht's Besser00:03:52
14An Alle00:04:42
15Wichtige Meldungen (Interlude)00:00:40
16Das Wichtigste00:04:14
17Ja!00:03:58
18Baby00:03:35
19Keine Titelinformation (Data Track)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2003

"Willst du wissen, wie der Sex so lief?"
Sabrina Setlur, die erfolgreichste Rapperin Deutschlands, meldet sich nach langer musikalischer Pause mit einem neuen Album zurück

Es ist immer so eine Sache, wenn Musiker persönliche Platten machen. Sie müssen dann den Eindruck erwecken, als hätten sie ihr Leben beneidenswert gut im Griff. Alle Dramen liegen hinter ihnen, sie haben neue Erkenntnisse gewonnen, neue Liebe gefunden, am besten zu sich selbst, sind einen ganzen großen Schritt weiter als bei der ersten, bei der zweiten, bei der letzten Platte. Und bei der nächsten Platte wird es dann wieder genauso sein. Dann wird es wieder heißen, ja damals, bei der letzten, da steckte ich noch ganz tief drin - aber jetzt, seht her, es geht mir gut, alles verarbeitet, hört auf die Texte, da steht alles drin. Man weiß also nie genau, wie es einem Künstler wirklich gerade geht. Und vielleicht ist das ja eigentlich auch ganz egal.

Sabrina Setlur scheint es im Moment sehr gut zu gehen. An einem der letzten warmen Septembertage sitzt sie in einem Hotel in Berlin, sieht toll aus, wirkt bestens gelaunt, sehr zurückgelehnt sitzt sie da, und nur manchmal beugt sie sich nach vorne, um eins der Lakritzbonbons zu stibitzen, die in einem Glas vor ihr auf dem Tisch stehen. Ihre neue Platte ist, jawohl, eine sehr persönliche. So persönlich, daß sie nach Setlurs Spitznamen benannt ist, "Sabs". Es ist ihre vierte Platte, und seit der letzten ist eine lange Zeit vergangen. Drei Jahre lang hat man nichts von Sabrina Setlur gehört, nichts Musikalisches jedenfalls.

Warum hat das so lange gedauert mit der neuen Platte?

Ich habe Zeit gebraucht, Kraft zu tanken, mich auf die Musik zu konzentrieren.

Vor knapp drei Jahren hatten Sie eine Liaison mit Boris Becker. Haben Sie über die ganzen Boulevardschlagzeilen, die es damals über Sie gab, aus den Augen verloren, daß Sie Musikerin sind?

Nee, deshalb habe ich mich ja auch zurückgezogen. Was da passierte, hatte nichts mit mir zu tun. Ich hatte keine Lust mehr, nach draußen zu gehen, aus jedem kleinen bißchen wurde gleich wieder was gestrickt. Natürlich ist man als Künstler geschmeichelt, in den Medien zu stehen, aber doch bitte mit dem, was man tut. Als das komplett aus der Kontrolle geriet, fand ich, es sei Zeit für mich, zu gehen.

Ein anderer hätte die neugewonnene Popularität genutzt und schnell eine neue Platte gemacht.

Genau das wollte ich nicht. Die Leute, die mich nur aus der Klatschpresse kennen, sind sowieso keine Plattenkäufer von mir.

Es ist eine dieser traurigen Geschichten des Medienzeitalters, wo das Private als Nachricht gilt und sich mit seiner Vermarktung hohe Auflage und viel Geld machen läßt: Sabrina Setlur, Deutschlands erfolgreichste Rapperin, wurde so richtig berühmt erst als Geliebte eines noch berühmteren Mannes. Es war eine eher kurze Affäre im Winter vor drei Jahren, direkt nach Beckers Trennung von Ehefrau Barbara - aber der stichflammenartige Ruhm, der in diesen wenigen hysterischen Wochen um sie aufloderte, überstrahlte und überdeckte alles, was sie bis dahin geschafft hatte. Und das war für eine 27jährige eine ganze Menge.

Mehr als zwei Millionen Tonträger hatte sie seit ihrem Debüt "Schwester S" von 1995 verkauft, sie hatte Hits wie "Du liebst mich nicht" oder "Frei sein", der Song, der Xavier Naidoo, der den Refrain sang, erst zum Star machte; in ihren Videos schlug sie mit einem Baseballschläger alles mögliche zu Scherben, oder sie brüllte ihren Zorn aus einem Raubtierkäfig hervor; und immer sah sie dabei wunderschön und irgendwie samtig aus: Sabrina Setlur gab weiblicher Wut einen schönen Namen und deutschem Rap eine weibliche Stimme. Dann kam Boris Becker. Und danach wurde es sehr still um sie.

In letzter Zeit tauchte ihr Name dann hin und wieder in den Zeitungen auf, aber es waren eher besorgniserregende Dinge, die da über Sabrina Setlur zu lesen waren. Sie sei schrecklich dünn geworden, hieß es, Freunde würden sich Sorgen machen, das Wort "Magersucht" geisterte zwischen den Zeilen herum, versehen mit scheinheiligem Fragezeichen. Ende Juni wurde sie mit 1,7 Promille am Steuer ihres 911er Porsches erwischt. Und dann machte sie auch noch bei der Sendung "Popstars" mit, die in der dritten Staffel ein bißchen ramschig wirkt. Da saß sie in der Jury und hatte darüber zu urteilen, wie gefügig sich Mädchen und Jungen aus Heilbronn oder Donaueschingen in Christina-Aguilera- und Ricky-Martin-Kopien verwandeln lassen. Klang alles ein bißchen nach Abstieg.

Zum Glück hat Sabrina Setlur nun eine neue Platte gemacht, und es kann endlich wieder über ihre Musik geredet werden. Die Platte knüpft genau da an, wo die unglückselige Geschichte mit Boris Becker sie rausgerissen hatte, Sabrina Setlur ist wieder, wo sie hingehört: Mitten im deutschen Hip-Hop made in Rödelheim. Und wer ihre Musik immer schon mochte, wird die neue Platte lieben: dunkle Keyboardklänge und Kopfnick-Rhythmen zu hessisch gefärbten Staccato-Salven, eher düster als albern, eher kämpferisch als lieblich.

"Ich bin so" heißt die erste Single, der Refrain: "Ich bin so, daß die ,Bild'-Zeitung über mich schreiben will", und da ist er gleich wieder, der ganze wunderbare Setlursche Trotz. Diese hingerotzte Ihr-könnt-mich-alle-mal-Attitüde, die bei ihr immer so federnd und aus der Hüfte klingt. Sie hat ja nicht viel Konkurrenz in Deutschland, weibliche MCs, zumindest bekannte, gibt es so gut wie keine, aber so gekonnt wie Setlur mittlerweile reimt, so elegant, wie sie sich die Sätze zurechtbiegt, einzelne Silben dehnt wie Kaugummi, andere schnellfeuert wie mit einem Gewehr, kann sie es mühelos mit ihren amerikanischen Kolleginnen aufnehmen - eine Lil'Kim ist längst nicht so flexibel mit Sprache, eine MC Lyte nicht so wandelbar, und Eve kann eben nicht so schön hessisch.

Sabrina Setlur gilt als die angry young woman des deutschen Musikgeschäfts. In ihren Texten hat sie Ex-Freunde auf das wütendste beschimpft, sie greift gerne zu Kraftausdrücken, und in der Talkshow "Boulevard Bio" erzählte sie einmal, es sei ein Glück, daß ihre aus Indien stammende Verwandtschaft zu schlecht Deutsch könne, um ihre Flüche zu verstehen. Auch auf der neuen Platte gibt es wieder viel Wut. Kampfansagen gegen nicht näher bestimmte Gegner, gegen andere Rapperinnen, "kleine Bitches", die "nur auf Viva sein wollen". Aber es sind auch andere Töne auf dieser Platte, leise, liebevolle. Das Lied "Mein Herz" handelt von einer Trennung, die in Freundschaft gelang: "Wir sind halt nicht mehr die, die wir mal waren - ich hoffe, dir geht's besser jetzt, mir auch." Oder "Feel so bad", das von der Dunkelheit erzählt, "die über die Seele fegt": "Ich bin so müd', daß ich nicht pennen kann / könnt' einfach nur noch flennen, Mann / bräucht' dringend Hilfe / hab' den Kopf in der Schlinge."

In einem Interview mit der "Viva-BamS" haben Sie sich vor zwei Jahren als "sehr depressiv" bezeichnet. Sind Sie das immer noch?

Wie bitte? Schwachsinn, das habe ich bestimmt so nicht gesagt. Jeder Mensch hat seine Ups and Downs. Depression hat gleich einen so negativen Touch, dabei muß das nicht gleich mit Selbstmordgedanken einhergehen. Klar gibt es bei mir Tage, an denen ich nicht so gut gelaunt bin. Ist das eine Depression? Auf jeden Fall ist es normal.

Würden Sie sagen, Sie sind ein glücklicher Mensch?

Im Moment würde ich mich zu den glücklichsten Menschen zählen. Einfach, weil ich so glücklich mit der Platte bin. Weil ich etwas Großartiges geschaffen habe, weil ich mit großartigen Menschen zusammenarbeite, weil ich viel Liebe entgegengebracht bekomme von Menschen, die ich auch liebe.

In vielen Ihrer Lieder beziehen Sie Stellung gegen ein nicht näher definiertes Feindbild. Wer ist der Gegner?

Menschen, die mir Böses wollten, mich nicht respektiert haben, mir im Weg standen. Es geht an jeden, der mich in irgendeiner Art und Weise abfuckt. Aber über vieles rege ich mich nicht mehr auf. Es bringt nichts, und vieles ist auch einfach nicht so wichtig.

Auf dem Song "Die Auserwählte" heißt es: "Wir haben alle Scheiße in uns, aber ich laß sie raus." Was meinen Sie?

Wir haben alle unsere Probleme, und viele leben mit ihnen und verkümmern. Ich drücke meine Gefühle aus, indem ich schreibe. Wenn ich malen könnte, würde ich vielleicht malen. Oder töpfern. Oder Ausdruckstanz machen.

Ein Lied auf dem neuen Album spricht die Becker-Geschichte und das, was die Medien daraus machten, direkt an: "Wichtige Meldungen" heißt es, eine Collage aus diversen Klatschsendungen. "Guten Abend, hier ist ,Exklusiv', ich bin Frauke Ludowig . . .", hört man Frauke Ludowigs Stimme: "Ganz Deutschland hat wochenlang darüber spekuliert, jetzt ist es raus . . ." ". . . wie Psychologen die Körpersprache des neuen Traumpaars Becker-Setlur bewerten . . ." Das Ganze mündet ins nächste Stück, "Das Wichtigste", in dem Setlur ihrer ganzen Wut auf die Klatschpresse freie Bahn läßt. "Wollt ihr hören harte Stories, wie es war mit Boris? (. . .) Willst du wissen, wie der Sex so lief (. . .) Steckst du nur tief in meiner Scheiße, weil du Dreck so liebst?" Es war ein solcher Irrsinn, der auf Setlur und Becker herunterbrach, die sich eben erst kennengelernt und vorübergehend ineinander verliebt hatten. Moses Pelham, Setlurs Produzent, sagte damals in einem Interview, als jemand, der Setlur sehr nahestehe, fühle er sich persönlich vergewaltigt von dem Ansturm von Journalisten und Paparazzi.

Hat es sich auch für Sie so angefühlt wie eine Vergewaltigung?

Absolut. Ich bin Künstlerin. Ich mache Musik, und zwar seit zehn Jahren. Das ist jetzt mein viertes Album, bitte darüber könnt Ihr schreiben, etwas anderes hat niemanden zu interessieren.

Lesen Sie selbst heute noch "Bunte" oder "Gala" oder gucken sich Klatschsendungen wie "Exklusiv" an?

Nein. Ich weiß ja, wie es bei mir war, ich weiß, daß die Hälfte erstunken und erlogen war, und gehe davon aus, daß lange nicht alles wahr ist, was da berichtet wird.

Wie hat Sie diese Geschichte verändert?

Ich bin vorsichtiger geworden. Ich mache weniger, zu Events, die nichts mit mir als Person zu tun haben, gehe ich nicht mehr. Was bringt mir das? Nur um gesehen zu werden, warum?

Haben Sie diese Roten-Teppich-Veranstaltungen, dieses ganze Gesehenwerden und Dazugehören nicht auch mal spannend gefunden?

Ich würde lügen, wenn ich das bestreiten würde. Aber es entfernt dich so weit von dem, was du eigentlich bist.

Wohl wenige deutsche Künstlerinnen haben sich in der Öffentlichkeit so sehr gewandelt wie Sabrina Setlur. Als sie ihre erste Platte machte, mit 21, trug sie weite Baggy Pants oder Latzhosen. Ein paar Jahre später dann ein radikaler Imagewechsel. Aus dem Homegirl wurde auf einmal eine Modeikone, die Gucci trug und von der "Bild"-Zeitung zur erotischsten Frau Deutschlands gekürt wurde. Dann rasierte sie sich plötzlich eine Glatze, irgendwann wurde ihre Nase schmaler, von einer Brustvergrößerung war die Rede. Heute hat sie lange glattgefönte Haare. Sie trägt einen langen Jeansrock und ein Designer-Oberteil. Und sie ist dünner geworden.

Wie haben Sie so abgenommen?

Ich habe in der Zeit, in der ich mich zurückgezogen habe, ganz egoistisch gedacht: Was brauche ich, was braucht mein Körper? Und mein Körper brauchte Ruhe. Und Sport. Ich bin ins Fitneßstudio gegangen, und ich habe mit Yoga angefangen, aber das soll nicht so ein großes Thema werden, bitte, das klingt gleich so klischeemäßig, und das war es nicht. Es war einfach gut, um zur Ruhe zu kommen.

Was macht es mit dem Selbstbild von einem, wenn die Öffentlichkeit immer genau zu- und hinschaut?

Ich habe den großen Halt in meiner Musik, in meiner Platte gefunden, und solange ich mich da auf sicherem Terrain bewege, amüsiert es mich nur, wenn Leute spekulieren, ob ich mir neue Ohren habe machen lassen.

Und dann sagt sie noch einmal, daß sie ein großartiges Album gemacht hat und daß sie wisse, was sie könne und wer sie sei. Bestimmt viermal sagt sie das in diesem Interview. Es klingt wie eine Beschwörung.

JOHANNA ADORJÁN

Die Single "Ich bin so" erscheint am Montag, das neue Album von Sabrina Setlur, "Sabs", am 3. November bei 3p.

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