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Produktdetails
Trackliste
CD
1What Ever Happened?00:02:47
2Reptilia00:03:35
3Automatic Stop00:03:21
412:51 (Album)00:02:26
5You Talk Way Too Much00:02:58
6Between Love & Hate00:03:10
7Meet Me In The Bathroom00:02:52
8Under Control00:03:02
9The Way It Is00:02:17
10The End Has No End00:03:00
11I Can't Win00:02:32
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.10.2003

Diesmal kommen die Herren durchs Badezimmerfenster
Rock'n'Roll hat nichts mit Calvin-Klein-Punk zu tun: Die "Strokes" legen zaghaft ihr zweites Album vor

Es ist eine Menge passiert in den zwei Jahren, die seit dem Debüt der "Strokes" vergangen sind. "Is This It" hätte den jungen New Yorkern beinahe die Luft abgeschnürt und führte dank einer unverhältnismäßigen Berichterstattung dazu, daß an das Zweitwerk gewaltige Erwartungen geknüpft wurden. "Wichtigste Platte des Jahres" - darunter ging es nicht. Die Frage war nur, in welches Jahr sie fallen würde. Jetzt ist es soweit: Am Montag erscheint "Room On Fire" in Deutschland, eine Woche später in Amerika, wo die Band gerade auf Tournee ist. Um die Platte zu verstehen, muß man sich noch einmal vergegenwärtigen, was es mit dem Debüt dieser Gruppe auf sich hatte.

"Is This It" war eine sehr gute Rock-'n'-Roll-Platte. Wer allerdings von Offenbarung sprach, mußte ignorieren, was andere Bands schon zustande gebracht hatten. Es gab unter den elf Liedern faszinierende Songs wie "The Modern Age", mit dem die Band sich einen Plattenvertrag bei BMG erspielte, dazu das in Amerika absurderweise vom Markt genommene "New York City Cops" und nicht zuletzt den Titelsong. Die Musik verströmte die lauernde Nervosität, die hektische Monotonie ihres größten und inzwischen bis zum Überdruß bemühten Vorbilds "Velvet Underground". Aber so großartig diese Songs auch waren - keiner davon hatte jene archetypischen und für immer unvergeßlichen Qualitäten, mit denen die "Beatles" und die "Rolling Stones", die "Kinks" und die "Who" berühmt wurden. Dafür waren sie zu kurz, zu schnell, zu wenig konturiert. Doch das schien Absicht und zwang dazu, genau hinzuhören. Der Produzent Gordon Raphael hatte für einen blechern scheppernden, ungemein elektrisierenden Klang gesorgt, aus dem die Stimme des Sängers und alleinigen Songschreibers Julian Casablancas wie von ferne herüberdrang. Es fehlte nur eine gewisse Wucht. Dabei war von Anfang an klar, daß Casablancas nie die Raffinesse, die Hinterhältig- und Abseitigkeit von Lou Reed erreichen würde. Aber warum sollte er auch? Was er an Material lieferte und die "Strokes" interpretierten, war auch als Imitat noch gut genug.

"What Ever Happened?" heißt, mit jenem Fragezeichen versehen, das dem Debütalbum selbstbewußterweise fehlte, der Auftaktsong von dessen Nachfolger. Wer will, mag darin eine gewisse Ängstlichkeit sehen, für deren Abwesenheit die Band einst bewundert wurde. Ob das auch noch so ist, nachdem das neue Produkt durch die schon wieder bestens geschmierte Rezensionsmaschine gejagt wurde, bleibt abzuwarten. Eines steht jetzt schon fest: Der Wille zur Veränderung kann nicht allzu stark gewesen sein. Das liegt vor allem daran, daß die Band den "Radiohead"-Veteranen Nigel Godrich mitten in der Arbeit entlassen und Gordon Raphael zurückgeholt hat - angeblich, nachdem sämtliche Aufnahmen gelöscht wurden. Sollten diese irgendwann wieder auftauchten, wird man wissen, ob das eine gute Idee war. Womöglich war es ein Fehler. Die Direktheit, die von den "Strokes"-Songs ausgeht und in deren Struktur angelegt ist, teilt sich diesmal eher indirekt mit, über den Musiziergestus, der erneut auf Rotzigkeit aus ist. Wer weiß: Hätte man Godrich an den Reglern sitzen gelassen, vielleicht hätte das Ganze etwas mehr Breitwandformat abbekommen, etwas Pompöses, Druckvolles, das mehr daraus macht, als in Wirklichkeit dahintersteckt. Natürlich haben auch "Radiohead" erst nach zweieinhalb Platten das Feld mit richtig raumgreifenden Schritten abgesteckt (und sich zwischenzeitlich im Gestrüpp des Kunstrock verheddert); aber einer Band wie den "Strokes", die gewissermaßen die Schnellebigkeit in Reinkultur vertreten, hätte es nicht schlecht zu Gesicht gestanden, etwas Neues zu wagen oder es sich verordnen zu lassen.

Dieses Neue ist über gewisse Stilrichtungen, die beim ersten Mal fehlten, trotzdem greifbar. Die Frage ist nur, ob die Reggae- und Wave-Einsprengsel das sind, was die Band ursprünglich wollte. Denn aus ehemals schnörkellosen Garagenrockern sind unversehens Musiker geworden, die auf dem Terrain von Bands wie "Blondie" oder "Police" siedeln. Wäre da nicht Casablancas rüdes Geschrei, man müßte einen Song wie "You Talk Way Too Much" glatt als Imitat des "Blondie"-Melodrams "Union City Blue" bezeichnen. "Under Control" hat zwar, wie alles, was aus dem Retro-Bereich kommt, diese kaputte Schönheit, ist aber im Grunde ein Motown-Song. In England, wo man die "Strokes" am meisten feierte und wo der Überdruß deswegen auch besonders groß sein mag, wurde bereits die Vermutung geäußert, die Fähigkeiten der Musiker ließen eine andere Produktionsweise kaum zu; es fiele sonst auf, daß sie die Instrumente gar nicht richtig beherrschen - ein Einwand, der bei Garagenmusik oft erhoben wird, aber nicht zählt.

Etwas anderes ist bezeichnend: Das konsequente, aber nur dreiunddreißigminütige Geschrammel, aus dem sich Nick Valensis unglaubliche Gitarrensoli herausschälen, endet abrupt, wo die Lieder früher im Vertrauen auf deren Qualität sanft ausliefen - als wollte die Band die Sache nach der Devise "Augen zu und durch!" schnell hinter sich bringen. Dazu besteht kein Anlaß. Auch mit dieser Platte wird man als Hörer nicht so schnell fertig. In den besten und lautesten Momenten, in Songs wie "The End Has No End", "Meet Me in the Bathroom" und "I Can't Win" geht die immer noch erregende Musik in einen Bereich über, in dem Aggression und Euphorie, Übermut und Melancholie eins werden. Hier sind die "Strokes" zu Hause. Sie sollten sich nicht irre machen lassen von Leuten, die sie wegen ihrer gepflegten Derangiertheit als Calvin-Klein-Punker kleinreden. "I wanna be forgotten", heißt die allererste Strophe. Das werden sie hoffentlich zu verhindern wissen.

EDO REENTS

The Strokes, Room On Fire. RCA/BMG 8287 656969

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