(welches den Bandnamen inspiriert hat) und motzt die Melodien so auf, dass das Thema von "Love Story" dagegen mickrig klingt. "Die beiden Jungs haben geheult, als sie die Songs zum ersten Mal in dieser riesigen Dimension gehört haben", ließ Tschirner wissen. Tja, das ist schon schlimm, wenn man so von sich selbst gerührt ist. Vielleicht sollte die Single, die das Trio nun schon in diversen Fernsehshows zum Besten gegeben hat, nicht "Bis einer geht" heißen, sondern besser "Bis einer heult". Trotzdem kann man sich dem Charme von vielen Stücken einfach nicht entziehen, die manchmal wie alte Chansons anmuten, dann wie pompös-barocke Arrangements von Neil Hannons Gruppe The Divine Comedy, dann wieder wie swingender Sixties-Deutschpop, unterlegt mit aufgekratzter Orgel. Tschirners zart-verletzliche Stimme dagegen zieht einen so manches Mal in die dunklen Wälder zurück. Zu den Ohrwürmern des Albums "Premiere" (Tynska Records / Tonpool) gehört ein Lied mit dem Text "Wir alle waren so / Verliebt in Sophie Marceau", nach dem man sich sofort noch einmal "La Boum" anschauen möchte. Oder sogar einen Film mit Nora Tschirner.
Aus den Wäldern ins Dickicht der Städte führt dagegen die abgründige Lyrik von Textor. Der Rapper der Formation Kinderzimmer Productions hat mit seinem Soloalbum "Schwarz Gold Blau" (Trikont US 0439/Indigo) eine überraschende Wende zum Chanson vollzogen, die viele für lieduntauglich gehaltene Zeilen vertont. Von der Sozialreportage über junge Kumpels in der Großraumdiskothek ("Lift Off") über seltsame Lebensweisheiten ("Vertraue nie einer Frau mit 'nem Louis-Vuitton-Tattoo") gelangt er Schritt für Schritt in die Gefilde des Absurden, wie sich vor allem in dem Song "Neu Ulm" zeigt, der fast nur aus deutschen Ortsnamen besteht und sie alle derselben Frage unterwirft: "Braunschweig, warum / warum nicht? / Lüdenscheid, warum / warum nicht? Fürth?"). Und selbst ein scheinbar vertrautes Lied ("Kreuzberger Nächte") wird bei Textor so umgekrempelt, dass es eine Lust ist.
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