im Sinn, das in wenigen Tagen erscheint: Die einzelnen Songs darauf konservieren Sounddesigns der Folkrock-Geschichte, die sofort erkennbar sind und ihre nostalgische Wirkung nicht verfehlen. Vieles erinnert an die frühen Neunzigerjahre, etwa zwischen Tom Pettys Album "Learning to Fly" und Sheryl Crows "Tuesday Night Music Club". Und beim Eröffnungsstück "Jealous Moon" wirkt dann auch die Singstimme von Sarah Jarosz auf fast unheimliche Weise, als wäre plötzlich jene Sheryl Crow von damals, die bis zum frühen Morgen an der Bar saß und doch nur ein bisschen Spaß haben wollte, wieder im Raum, während die heutige auch klanglich kaum noch wiederzuerkennen ist.
Sarah Jarosz könnte Sheryl Crows Tochter sein. Sie ist gerade erst Anfang dreißig und doch keine Newcomerin mehr: Sie stand nämlich schon im Alter von zwölf Jahren Mandoline spielend auf Bluegrass-Bühnen mit den Veteranen Ricky Skaggs und David Grisman und erhielt 2017 einen Grammy für das beste Folk-Album des Jahres, "Undercurrent" - um nur zwei Stationen ihrer erstaunlichen Laufbahn zu erwähnen.
Der Trick des Heraufbeschwörens fest im Musikgedächtnis verankerter Szenen gelingt ihr dann gleich noch einmal: Das Lied "Days Can Turn Around" wirkt wie eine direkte Fortsetzung von Neil Youngs "Harvest Moon". Der langsame Besenshuffle, zu dem damals im Takt eine Countrykneipe gefegt wurde, liefert nun den sicheren Boden für die Zeilen "Your mind's in the clouds but you're stuck on the ground / And when you least expect it, days can turn around". Die singt sie wie eine große Country-Queen.
Aber macht Sarah Jarosz nun also nur hommagenhafte Retro-Musik? Das kann man zum Glück auch nicht sagen, denn mit Liedern wie "Columbus & 89th", das von einem Wunder an einer New Yorker Straßenkreuzung handelt und en passant noch kurz Joni Mitchells "Big Yellow Taxi" zitiert, erschließt sie dennoch neue Bereiche des Folkpops, bei dem es zwar eine Grundierung aus Zupfgitarre und Perkussion gibt, die Singstimme aber majestätisch, fast croonerhaft über allen anderen Instrumenten schwebt. Am eigentümlichsten klingt sie auf dem neuen Album bei dem Stück "Don't Break Down On Me", das in seiner geschickten Instrumentierung Erfolge sowohl im Country als auch im Mainstream-Pop versprechen dürfte. "It's always when I need you most that you disappear and you play the ghost", singt sie da. In diesen Zeilen wird deutlich, dass der Titel "Polaroid Lovers" auch noch eine andere Bedeutung hat: Er meint auch solche Liebenden, deren Umarmung nur kurz dauert, bevor einer der beiden verschwindet, sich in Luft auflöst. JAN WIELE
Sarah Jarosz:
"Polaroid Lovers".
Concord (Universal)
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