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Produktdetails
Trackliste
CD
1Lo00:06:25
2Pieces Of Emotion00:04:13
3Song For Her00:06:24
4So Groovy00:05:50
5Morning Joy00:05:27
6Motion00:05:14
7Project 5800:06:13
8Snapshot00:04:53
9Possible Thought00:06:03
10Inside Game00:05:06
11Clubbing00:07:03
12Song For Her00:06:22
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2007

Manu Katchés "Playground" ist ein Meisterwerk des Jazz

Rund dreißig Jahre lang versorgte Manu Katché die Größen des Pop, Rock und Jazz mit Rhythmus. Endlich schreibt er eigene Balladen - ein Album mit den besten Essenzen der Musik der Welt.

Welche Musiker im Jazz die Hauptrolle spielen, mag Diskussionen auslösen, wer den Jazz vorantreibt, nicht: die Schlagzeuger. Sie sind immer die Herz-Lungen-Maschinen von Combos und Bigbands gewesen. Von ihrer Präzision, ihrem reibungslosen Funktionieren hing alles ab. Sie hatten zu swingen, aber sie durften mit ihren Tempi nicht davonlaufen. Und "Umsteigen" galt als Todsünde: Wer nach einem ausgedehnten Wirbel auf Snaredrum und Stand-Tom-tom die Taktschwerpunkte verwechselte, konnte sein Schlagwerkzeug gleich einpacken.

Das machte auch den Unterschied zu den übrigen Musikern eines Jazzensembles aus: Schnelligkeit, Präzision und perfekte Technik galten nie als so gewichtig, als dass man die Größe eines Jazzmusikers daran hätte ablesen können. Oscar Petersons eloquentes Pianogesprudel hat unter Kennern nie den Rang eingenommen, der Thelonious Monks eckigem Tasten am Klavier zugestanden wurde. Die verbogenen Stenogramme von Miles Davis haben den Jazz geprägt und sind in seine Annalen eingegangen. Ob dem Alleskönner Wynton Marsalis das mit seinen eleganten Trompetenlinien und seiner stupenden Technik gelingen wird, muss sich erst noch erweisen. Aber was den Bläsern, Pianisten, auch Sängern schon immer recht war, war den Schlagzeugern noch nie billig.

Wie hätte kreativer Dilettantismus auch bei einem Schlagzeuger aussehen können, und was hätte das für die Musiker des Ensembles bedeutet? Im Grunde konnten sich andere Musiker ihren Ausbruch aus der herkömmlichen Spieltechnik auch deshalb leisten, weil die Schlagzeuger unbeirrt am Metrum festhielten und eben nicht den berühmten Satz von Miles Davis in die Tat umsetzten: Spielt nicht, was ihr könnt, spielt, was ihr nicht könnt.

Was sie konnten, haben sie immer in den Dienst des Ensembles gestellt: Gene Krupa seine Wirbel für Benny Goodmans "Sing, sing, sing", mit denen die Schlagzeugsoli im Jazz obligatorisch wurden, und Max Roach seine irregulären Rhythmen und asymmetrischen Phrasierungen, die nicht mehr die Motive der Bläser imitierten, sondern selbst melodisch-rhythmische Anregungen boten. Danach kam Elvin Jones, bei dem nichts mehr das durchgehende Metrum zu stützen schien, der Puls aber immer noch spürbar blieb. Schließlich traten die Drummer des Jazzrock auf den Plan und erinnerten daran, dass nichts so stimulierend sein kann wie ein vital durchgehaltener Beat, so verlässlich wie das Amen in der Kirche.

Das alles muss man in Erinnerung rufen, um begreiflich zu machen, welchen Rang ein Schlagzeuger einnimmt, der seit fast dreißig Jahren Musikern aus Pop, Rock und Jazz die rhythmische Basis geliefert hat - und erst jetzt seine zweite CD unter eigenem Namen herausgebracht hat, die man freilich unter die Meisterwerke des Jazz einreihen muss: Manu Katché. Alles, was im Jazz herausragendes Handwerk eines Schlagzeugers seit Gene Krupa und über Elvin Jones hinaus ausmacht, vereinigt diese Aufnahme unter dem lakonischen Titel "Playground".

Dass dieser Drummer sein Handwerk versteht, merkt man - um es paradox zu formulieren - zunächst daran, dass eigentlich nichts heraussticht, jeder Schlag am rechten Fleck sitzt, jede Berührung der Becken die Farbe der Bläser und des Pianisten zum Leuchten bringt. Auf dieser grandiosen CD gibt es keine einzige Stelle, an der die virtuose Technik mit Stöcken und Besen zur Selbstdarstellung missbraucht wird. Zugleich aber raubt die ungeheure Präzision der eingestreuten Wirbel und "Fill ins" schier den Atem. Man fragt sich, woher dieser Drive und diese Intensität kommen. Und man kann die Antwort in der Ökonomie der technischen Mittel und in dem finden, was man nicht hört, was offenbar zurückgehalten wird. Manu Katché lässt spüren, dass das, was er spielt, nur den Bruchteil seines Könnens darstellt. Darunter ist ein Vulkan verborgen.

Man höre sich nur "So Groovy" an, und man versteht sofort, was Musiker aus ganz unterschiedlichen ästhetischen Richtungen an Manu Katché so geschätzt haben, dass er zum gefragtesten Session drummer der Szene werden konnte: für Dire Straits und Joni Mitchell, die Bee Gees und für Tracy Chapman, Tori Amos, Youssou N'Dour und natürlich für eine ganze Phalanx großer Jazzmusiker. Da wird das Schlagzeug zum Klangfarbenmixer und improvisatorischen Impulsgeber, zum melodischen Kontrapunkt und zum Basso continuo, auf dem der Saxophonist Trygve Seim, der Trompeter Mathias Eick und die beiden Mitglieder aus Tomasz Stankos Quartett, der Pianist Marcin Wasilewski und der Kontrabassist Slawomir Kurkiewicz ihre Ideen entfalten können wie Opernsänger Arien und Rezitative.

Manu Katché, 1958 geboren, hat am Pariser Conservatoire studiert, und was er dort an subtilen Klangvorstellungen entwickelt hat, ist wie selbstverständlich eingeflossen in die Erfahrungen im Aufnahmestudio mit all dem modernen elektronischen Equipment, vor allem aber in die Praxis des Begleitmusikers für eine ganze Palette unterschiedlichster Künstler. Einige der Stücke auf "Playground" prägt der Pianist Marcin Wasilewski mit seiner kristallinen Tongebung und den wie in Marmor gravierten Phrasen. Aber sie könnten kaum so glänzen ohne die Farben, die Manu Katché mit seinem sorgfältig gestimmten Drumset hinzufügt. Er intoniert seine Perkussionsinstrumente immer wieder neu, orientiert die Tonhöhen offenbar am Spiel der Bläser und des Pianisten. So werden etwa die kleinen "Splash Cymbals" nie als Effektinstrumente eingesetzt, vielmehr quasi melodisch genutzt, um dem hohen Register des Pianisten noch mehr Brillanz zu verleihen. Und wenn Mathias Eick trunken-melancholische Melismen aus seinem Instrument entlässt, als wolle er Chet Baker postum seine Reverenz erweisen, dann hat Manu Katché dazu offenbar die Felle von Snaredrum, Tom-tom und Fußtrommel so gespannt, dass sie dem Nocturno-Gestus der Trompete die entsprechende Resonanz verschaffen.

Man kann sich nicht satt hören an diesem wundervollen Wechselspiel zwischen kompositorisch-improvisatorischen Aktionen und spontanen Reaktionen. Das Album enthält vor allem Balladen aus der Feder des Schlagzeugers selbst. Es scheint, als vereine Manu Katché in seinem Spiel die besten Essenzen aus klassischer europäischer Musik, vitalem amerikanischem Jazz und selbstvergessener Spielfreude des afrikanischen Kontinents: Er ist ein Genie, und dies ist sein Streich.

WOLFGANG SANDNER

Manu Katché, Playground. ECM 2016 (Universal)

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