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Produktdetails
Trackliste
CD
1My World is Gone00:04:27
2Lost My Horse00:03:30
3Huckleberry Blues00:04:39
4Sand Creek Massacre Mourning00:04:32
5The Wind Comes In00:05:48
6Blue Rain in Africa00:04:14
7Never Been To The Reservation00:05:02
8Girl Friend's House00:04:35
9Jae Jae Waltz00:04:09
10Gangster And Istatoz Chauffeur00:05:10
11Coming With Crosses00:06:05
12Green Apples00:03:52
13Sit Across Your Table00:04:28
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2013

Ich bin auch gut in düsteren Dingen
Der amerikanische Roots- und Bluesmusiker Otis Taylor besingt unverdrossen das Elend der Unterpriviligierten

Otis Taylor ist eine Art Anti-Dylan, der seine Bilder nicht mit poetischen Metaphern ausmalt, sondern dem Hörer nur grobe Strichzeichnungen liefert, die dieser dann selbst mit den Farben seiner Imagination ausfüllen muss. Er gilt als Erfinder des "Trance Blues", einer minimalistischen Spielart, die mit drei, vier Akkorden auskommt und durch ihre kreiselnde Pendelharmonik eine hypnotische Wirkung entfalten kann.

Fast erinnert die raffinierte Sparsamkeit dieses Konzepts an die störrische Selbstbeschränkung eines John Lee Hooker: Blues in seiner rohesten und rudimentärsten Form. Otis Taylors Texte erzählen dabei von den dunklen Seiten des amerikanischen Traums, von Rassismus, Gewalt, Ungleichheit, Ungerechtigkeit und von alltäglicher Diskriminierung. Dabei ist der vierundsechzigjährige Sänger und Gitarrist aus dem Bundesstaat Colorado durchaus kein Kind von Traurigkeit und sagt von sich: "Ich bin zwar gut in düsteren Dingen, doch ich bin kein unglücklicher Mensch. Ich würde gern so viel Geld mit meiner Musik verdienen, dass ich mir auch einen Porsche leisten kann."

Bis es so weit ist, müsste Taylor noch ein paar Alben vom Kaliber seiner jüngsten Veröffentlichung "My World Is Gone" produzieren, denn dieses Album zählt zu den besten seiner bisher dreizehn Platten. Schon immer hat er den Blues als eine Art Transportmittel für sozialphilosophisch-politische Kommentare genutzt. Doch jetzt gehen Texte und Musik eine bezwingende Einheit ein. Appalachengesänge mischen sich mit Rock 'n' Roll, uralte Sounds aus Afrika hallen in den Liedern nach. Ungewöhnliche Instrumentierungen mit Akustik- und E-Gitarre, Banjo, Mandoline und daneben Cello, Harfe, Fiddle und Kornett schaffen einen Klangraum, in dem das Schicksal der nordamerikanischen Indianer-Stämme - thematischer Fokus der neuen Platte - fast körperlich greifbar wird. Als "Velvet Underground Railroad" hat der "New Yorker" kürzlich den spezifischen Taylor-Sound zu umschreiben versucht.

Mit seiner dunklen, grummelnden Baritonstimme versucht er, in die Psyche der Ureinwohner Amerikas einzutauchen: "Viele Menschen haben heute vergessen, was den Indianern angetan wurde und immer noch wird. Dies ist meine Form von Erinnerungspolitik." Unterstützt wird er dabei von dem brillanten Gitarristen Mato Nanji, selbst ein Mitglied der Nakota Nation, der seine Jugend im South-Dakota's-Yankton-Indianerreservat verbrachte. Im Titelsong "My World Is Gone" analysiert Taylor, mit welchen Verführungskünsten der weiße Mann die indianische Kultur unterwandert hat. In einem anderen Lied - "Blue Rain In Africa" - sinniert ein Indianer über seine kulturelle Identität, nachdem er im Fernsehen die Geburt eines weißen Büffels gesehen hat, des heiligen und äußerst seltenen Tiers. Mit seinem fast schamanistischen Gesangsstil schafft Otis Taylor es, den Figuren seiner Songs den lebensnotwendigen Atem einzuhauchen.

Für ihn ist das Banjo heute ein geschichtsmächtiges Symbol: Es erinnert ihn nicht nur an die eigene Kindheit, sondern bringt eine längst versunkene Musikkultur zur Sprache. Deshalb will er das perkussiv klingende Instrument auch aus dem Dunstkreis weißer Bluegrass-Musik befreien und auf seine afrikanischen Ursprünge zurückführen. Taylor spielt es elektrisch verstärkt, und nicht nur im verhangenen Akkordgewitter von "Sand Creek Massacre Mourning" entfalten seine Banjo-Attacken zu den Marschrhythmen von Larry Thompsons Snare-Drum ungeahnte Schlagkraft. Der Song ruft die Ermordung von zweihundert Cheyenne-Kriegern durch Colonel John Chivingstons Kavallerie im Jahr 1864 in Erinnerung.

Wer glaubt, in diesem Desillusionierungsprogramm der beunruhigenden Sprachbilder sei kein Platz für optimistische Töne, der irrt aber. In "Sit Across Your Table" etwa besingt Otis Taylor die schlichten Wonnen eines gemeinsamen Frühstücks mit der geliebten Frau - die heulende Rockgitarre von Shawn Starski sorgt zusätzlich für aufmunternden Schwung. Taylor bleibt ein musikalisches Chamäleon, das vor seiner Rückkehr auf die Konzertbühne im Jahr 1995 auch schon erfolgreiche Karrieren als Antiquitätenhändler und Trainer eines ausschließlich mit Afroamerikanern besetzten Radrennstalls absolviert hat.

Heute bringt er moralisch wie musikalisch einen gänzlich eigenen Pulsschlag in den Blues. Taylors aufklärerischer Gestus zeigt sich nicht zuletzt darin, dass er an amerikanischen Grundschulen ein Programm namens "Writing The Blues" unterrichtet: "Ich will damit Kinder und Jugendliche dazu ermuntern aufzuschreiben, was sie traurig macht, ihre Ängste, ihre Verluste, ihren Ärger. Dabei kommen häufig ganz einfache Texte heraus. Aber die sind so unglaublich realistisch, so wahrhaftig und rein - und darum geht es doch schließlich in der Musik." Genau darum geht es.

PETER KEMPER.

Otis Taylor, My World Is Gone.

Telarc 34028 (in-akustik)

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