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Produktdetails
Trackliste
CD
1Dance Tonight00:02:56
2Ever Present Past00:02:57
3See Your Sunshine00:03:19
4Only Mama Knows00:04:18
5You Tell Me00:03:16
6Mr. Bellamy00:03:39
7Gratitude00:03:19
8Vintage Clothes00:02:22
9That Was Me00:02:39
10Feet In The Clouds00:03:24
11House Of Wax00:04:59
12The End of the End00:02:53
13Nod Your Head00:01:59
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2007

Danke, Dad!
Von wegen Gehirnverwurstungen: Paul McCartney ist genial

Anlass, etwas über Paul McCartney zu schreiben, gibt es eigentlich immer. Entweder wird er sechzig (dann wird's etwas länger) oder vierundsechzig (dann wird's, wegen des gleichnamigen Lieds, neckisch-glossig) oder er wird, wie jetzt (aber nicht heute), fünfundsechzig. Das sind die Jubiläen. Hinzu kommt der Boulevard-McCartney: Paul hat ganz viel Geld; Paul hat diese komische Frau mit dem Holzbein, von der er erst geliebt und dann doch verlassen wird; Paul legt sich mit Yoko Ono an, weil er die Geschichte umschreiben will: also nicht mehr "Lennon/McCartney" sagen, sondern umgekehrt oder am besten nur noch "McCartney". Wenn dies alles durch ist, aber wirklich erst dann, erinnert man sich daran, dass Paul McCartney ja auch noch Musiker ist.

Dazu ist aus gegebenem Anlass Folgendes zu sagen: Die neue Platte (komischerweise nicht mehr von EMI verlegt) ist ganz gut. Sie ist vielleicht nicht seine beste - das bleibt wohl ewig "Band On The Run" (vor "Flaming Pie" und "Run, Devil, Run") -, aber mehr als respektabel.

Wenn man die CD-Hülle aufmacht, sieht man auf der Disk uraltes Kinderspielzeug abgedruckt. Aha, denkt man, das soll wohl den Titel einlösen: "Memory Almost Full", bevor man im Booklet liest, dass das ganz anders gemeint ist, nämlich im Sinne einer überschrittenen Kapazität unserer Gehirne durch zu viel Information. Nun, gegen solchen Kulturpessimismus ist nichts einzuwenden - trüge McCartney durch seinen auch diesmal kaum zu bremsenden Mitteilungsdrang über die Entstehungsgeschichte der Lieder nicht selber dazu bei, dass die grauen Zellen schon voll sind, bevor die Scheibe im Apparat steckt.

Dass das Booklet große Eselsohren hat, ist Absicht: eine Art Knoten fürs Taschentuch, wobei dem Rezensenten - die Zellen sind, wie gesagt, schon voll - entfallen ist, was man sich da merken soll. McCartney wird uns auf seine alten Tage doch wohl nicht mit einem Konzeptalbum kommen?! Das letzte, "Sgt. Pepper", hat uns eigentlich gereicht. Dann aber liest man die Information zum ersten Lied und schämt sich für jeden despektierlichen Gedanken, den man je über Paul McCartney hatte: Der Inhaber eines Gitarrengeschäfts, in dem McCartney immer herumlungert, hatte gerade eine Mandoline für Linkshänder auf Lager, Paul weiß natürlich nicht, wie die Griffe funktionieren, nimmt es mit nach Hause, klimpert und stampft in der Küche herum, und plötzlich ist das Lied fertig: "Dance Tonight", ein entspannter, wunderbar leichter, allerdings auch etwas alberner Skiffle, der die These bestätigt, dass die banal wirkenden Paul-McCartney-Lieder irgendwie die besten sind. Dieses entstand als letztes; wenn die olle Heather noch im Haus gewesen wäre, hätte er sich das kaum erlauben können. Schöner hat jedenfalls seit Ray Davies kein in die Jahre gekommener Rockmusiker über das gesungen, wozu dieser Beruf im Grunde nur animieren soll. Der Mann ist eben doch ein Genie.

Der Rest ist bestes Paul-McCartney-Imitat, Reminiszenzen an so gut wie alle Schaffensphasen, solo wie mit den Dings, den "Beatles": "Eleanor Rigby", Martha, meine Süße und "Helter Skelter" lassen schön grüßen, dazu die "Tug Of War"-Sachen, manches mit der Gitarre schroff Angeschrägte, das French Horn fehlt auch nicht, und selbst wenn es zwischendurch schubidu macht, ist das nicht schlimm, daraus entwickelt sich dann eine Kurzsymphonie mit pfiffigen Takt- und Tempowechseln. Wer, so ist spätestens zu fragen, wenn man bis zum beschwingten "Vintage Clothes" und dem lässigen Softrock von "That Was Me" durchgedrungen ist, kann unter den Alten heute so naiv-unbeschwert wirkende, aber raffiniert gemachte Rockmusik machen? Vergebens aber sucht man nach galligen Scheidungsliedern, es sei denn, "Gratitude" ist ironisch gemeint.

Doch man höre ganz bis zum Ende durch, das ans "Abbey Road"-Finale anknüpft. "The End of the End" ist eine heitere Sterbeanzeige, das Gegenteil zu W.H. Audens großem Poem: also nicht alle Uhren anhalten, das Telefon abschalten und so was, sondern dem bald Verewigten schöne Geschichten von früher erzählen, ihn zum Lachen bringen. Er habe, erzählt McCartney, das Lied seiner Familie vorgespielt (vermutlich ohne Heather), und man sei allgemein doch ganz schön bewegt gewesen - "because, you know, it's dad". Ja, das ist er, wahrhaftig. Danke für diese Rentnerplatte!

EDO REENTS

Paul McCartney, Memory Almost Full. Universal 30348

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