stammt, ist so etwas wie das gute Gewissen in der glamourösen R&B- und Rapwelt. In ihren gesprochenen, meist reimlosen Texten behandelt sie im Gegensatz zu ihren muskelbepackten männlichen Kollegen sozialkritische Themen wie häusliche Gewalt, Rassismus oder geschlechtliche Diskriminierungen in einer Weise, die nur mit der grandiosen Me'shell Ndegéocello vergleichbar ist.
Wie letztere kannte auch Ursula Rucker noch nie musikalische Berührungsängste. In der Vergangenheit hat sie mit so unterschiedlichen Musikern wie dem umtriebigen Produzenten King Britt, den Hip-Hoppern von "The Roots", dem britischen Drum-'n'-Bass-Duo "4 Hero" sowie Berlins DJ-Kollektiv "Jazzanova" zusammengearbeitet. So vielfältig fällt auch ihr bislang ausdrucksstärkstes Album aus. Neben der fragilen Konstruktion "Broken" stehen zornige Kampfansagen an den Sexismus wie "Poon Tang Clan" oder "I Ain't (Yo' Punk Ass Bitch)". Dagegen basiert "Libations" einzig auf einem mehrstimmigen Perkussionsmuster, über dessen anschwellendem Rhythmus die Sängerin ihre Vorfahren im Geiste beschwört. Dazu gehören immerhin so unterschiedliche Charaktere wie W. E. B. Du Bois, Frida Kahlo und Bruce Lee. Aber auch ihre Verehrung für Prince zeigt sich deutlich; das Riff und die Breaks von "L.O.V.E." könnten tatsächlich aus der Feder des Großmeisters persönlich stammen.
Ihre Kombination aus soul-jazzigen Arrangements und gesprochenen Gedichten knüpft formal gesehen an die Musik von Wanda Robinson und Camille Yarbrough aus den Siebzigern an. Wie auch bei diesen heute leider fast vergessenen Künstlerinnen entwickelt Ruckers sanfte wie nachdrückliche Vortragsweise eine akustische Sogwirkung, die den Hörer nach und nach hypnotisch in die Wortfolgen hineinzieht.
Im ganzen entpuppt sich Ursula Rucker mit ihrem unverstellten Blick auf die Wirklichkeit als standhafte Melancholikerin. Das wird vor allem in dem lediglich von ihrer Stimme getragenen "Church Party" deutlich. Der Rückblick auf die Vergangenheit des Rap endet mit dem sehnsuchtsvollen Resümee: "When Hip-Hop Was Funky / When Hip-Hop Was Fresh / When Hip-Hop Was Life." Nur wer ernsthaft an die Tugenden des Hip-Hop glaubt, kann deren Verlust schmerzlich beklagen und zugleich wie eine ägyptische Göttin erhobenen Hauptes in die Zukunft blicken.
SVEN BECKSTETTE
Ursula Rucker, Ma'at Mama, !K7194 CD, !K7 Records (Rough Trade)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main