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Trackliste
CD
1Il Segreto di Susanna (Susannas Geheimnis, Intermezzo in 1 Akt) (Auszug)
2Mantiglia grigia... cappellino rosa00:01:32
3Ben, lo conosco l'odor molesto00:02:44
4Evitiam che un domestico00:01:12
5Guardala! Con quell'aria ingenua e franca00:04:41
6Dal suo gesticolare - Il dolce idillio00:03:35
7Ah! L'odore fatal sin nella veste!00:01:32
8Ah! Scellerata!00:02:57
9Intermezzo - Coglierla debbo...00:03:31
10Via, così non mi lasciate00:05:11
11Bravo Sante, chiudiam tutte le porte00:01:42
12Chi è là? - Son io Susanna00:04:35
13Oh gioia la nube leggera00:04:44
14Ti colgo questa volta!... Tutto è fumo in questo mondo00:03:22
15Serenade für Streicher Es-Dur
162. Andante00:06:51
173. Scherzo: Presto00:02:34
184. Finale : Presto00:05:16
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2021

Schaumbadsolo für lyrischen Sopran
Ein Geniestreich: Axel Ranisch inszeniert die Kurzoper "Il segreto di Susanna" in München

Susanna tut "es". Ihr Mann Gil hat eine Nase dafür. Nur beweisen kann er es ihr nicht. Sie tut "es" immer, wenn er aus dem Haus ist. Er weiß nur nicht, mit wem sie "es" tut. Dass sie "es" mit ihm tut und dass dieser Er nicht Gil ist, darin ist Gil sich sicher, denn eine Frau, gar seine Frau, tut "es" nicht allein. Nur wer er ist, eben der Andere, mit dem sie "es" tut, das muss Gil herauskriegen. Wir voyeuristischen Besucher dieses ehelichen Neurosengartens sehen amüsiert zu, wie dieses "Es" immer mächtiger wird, je stärker es verheimlicht werden soll.

Ermanno Wolf-Ferrari, Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter, komponierte 1909 das gut vierzigminütige Intermezzo "Il segreto di Susanna" - auch in Deutschland als "Susannens Geheimnis" rasch ein Erfolg -, ein hinreißendes Nichts von Drama für einen Sopran, einen Bariton, einen stummen Diener und Orchester, in dem Graf Gil seiner Gattin nachzuweisen sucht, dass sie einen Liebhaber hat. Sein Verdacht löst sich aber buchstäblich in Rauch auf: Susanna pflegt ein "duftendes Lasterchen", wie sie es nennt: Zigaretten. Der Witz des Stücks liegt im Dialog des Librettos von Enrico Golisciani mit seinen stark sexualisierten Untertönen und seinen rhetorischen Verdrängungsmanövern, aber auch in der kitzlig-berauschenden Musik von Wolf-Ferrari, die in den Rauch-Intermezzi das durchgeschmuste "Meistersinger"- Dur Richard Wagners mit dem ebenfalls durchgeschmusten "Fauns"-Dur Claude Debussys verwirbelt.

Axel Ranisch hat diese Petitesse an der Bayerischen Staatsoper für einen Geniestreich genutzt, in dem er die pandemiegezeugte Vertriebsform des Streams durch seine zwei Hauptbegabungen zur Kunst macht: als origineller Film- wie als Musiktheaterregisseur. Ranisch erzählt die Geschichte in - mindestens - zwei Parallelhandlungen: Gil und Susanna kommen zur Paartherapiesitzung bei Doktor Roberto Sante auf die Bühne, wo sie live singen zur schwungvoll-delikaten Begleitung des seidig glänzenden Bayerischen Staatsorchesters unter der Leitung von Yoel Gamzou. Zugleich sehen wir den Eifersuchtskrieg als Film in einer von Katharina Ravlic und Christian Blank verwegen-pompös ausgestatteten Villa mit nackerten Makart-Weibern an den Wänden.

Dem Schauspieler Heiko Pinkowski, aus Ranischs Film "Dicke Mädchen" oder dem "Tatort: Waldlust" bekannt, kommt als Psychoanalytiker und Sexualtherapeut Roberto Sante eine zentrale Rolle als Spielmacher zu. Er sieht - diesmal ohne Bart - aus wie der französische Komiker Coluche und erwärmt den Raum durch sein gutmütiges Clownsphlegma. Doch stille Wasser sind tief und dreckig. Als er gemeinsam mit Michael Nagy in der Rolle des Gil durchs Schlüsselloch Selene Zanetti in der Rolle der Susanna beim Klavierspiel beobachtet, greift Sante dem Gil, wie Rainhard Fendrich es formuliert hätte, "lüstig ans Gesäß".

Eine dritte Ebene tut sich damit auf: Jagt Gil dem Geheimnis seiner Frau hinterher, weil er sein eigenes - die Neigung zu Männern - vor ihr verbirgt? Eine Konstellation, die subtil an den Autor Marcel Proust erinnert, wenn er sein Alter Ego Marcel in "Die Gefangene" zwanghafte Untersuchungen anstellen lässt, ob dessen Freundin Albertine sich heimlich mit anderen Frauen trifft. Oder ist die Attraktion von Gil auf Sante eine einseitige, die sich nur im Kopf des Therapeuten abspielt bis hin zur Phantasie des nackten Vollzugs auf der Hinterbühne? Ranisch lässt das alles so leicht in der Schwebe wie den Rauch der E-Zigaretten, den sich alle drei Protagonisten zublasen. Freilich wird das Saugen und Blasen, manchmal gezielt von Mund zu Mund, durch die Akteure aus der Schwebe auf eine recht klare, man kann auch sagen tiefe, Bedeutungsebene geholt.

Wolf-Ferraris Stück markiert in einer Metapherngeschichte des Rauchs einen Umschlagpunkt. War noch in Iwan Turgenjews Roman "Rauch" oder im Gedicht "Fumée" von Jean Moréas der Rauch ein Symbol für die Flüchtigkeit und Haltlosigkeit der menschlichen Existenz, so kündigt sich im Griff zur Zigarette bei Wolf-Ferrari eine Emanzipation der Frau an, durch die sie sich als Wesen mit eigenem Lustanspruch exponiert. Ranisch begreift, darin ganz nah an der Intention des Stücks, das Rauchen sowohl als Ersatzhandlung als auch als Metapher für verheimlichten Sex, ganz wie Charles Ryder in Evelyn Waughs "Wiedersehen mit Brideshead" den "Fledermausschrei der Sexualität" vernimmt, als er sich mit Lady Julia Flyte eine Zigarette teilt.

Szenisch trifft Ranisch den Ton der Musik. Ihre burlesken Züge finden ihr Pendant in einer Kissenschlacht, ihre stillen Ekstasen des Genusses in luxuriöser Faulenzerei - Selene Zanetti bekommt ein veritables Schaumbadsolo - oder eben in ungestümen Paarungsphantasien. Musikalisch betonen Nagy und Zanetti gar nicht so sehr das Pingpong-Parlando des schnellen Konversationsstücks. Beide singen sich vielmehr, sobald es nur geht, lyrisch strömend aus: Nagy mit einem äußerst eleganten Kavaliersbariton, dem man den stimmlich erfahrenen Don Giovanni angenehm anhört; Zanetti mit einem blühenden Sopran, den sie gleichwohl leicht hält und streng führt. Diesen Lyrismus stärkt Yoel Gamzou mit dem Bayerischen Staatsorchester: Er zielt auf Fluss, Glanz, grazile Schwelgerei ab, auf das Schweben in den Plateauphasen der Lust.

Nachdem man nun - nicht zuletzt in Experimenten mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München - den Rauch von E-Zigaretten so oft als Visualisierungsmittel für die Ausbreitung von infektiösen Aerosolen hat sehen müssen, denkt man bei den Qualmwolken natürlich auch an die verbotene Nähe zwischen Menschen, die diese grundgütige Inszenierung mit Lust, mit Witz und mit sichtbarer Melancholie feiert. Dreißig Tage lang ist sie als Video on Demand auf www.staatsoper.tv abrufbar.

JAN BRACHMANN

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