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Produktdetails
Trackliste
LP
1Playing With My Emotions00:04:12
2Ain't That Something00:05:28
3All The Love00:09:04
4So Long Savior00:02:40
5Rainy Day00:04:49
6La Di Da00:04:11
7Hold That Line00:06:07
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.2022

Mühen der Mondprinzessin

Rockmusiker romantisieren den Stein am Himmel: Mit ihrem ehrgeizigen Projekt "I Am The Moon" deutet die Tedeschi Trucks Band den historischen "Layla"-Stoff auf vier Konzeptalben neu aus.

Popkultur ist voll von unglücklichen Liebesgeschichten. Ja, man könnte sagen: Das Leiden am Liebeswahn gehört zum Kerngeschäft der Popmusik. Eines der bekanntesten Alben, das eine romantische Beziehung als nicht enden wollenden Herzschmerz schildert, ist Eric Claptons "Layla And Other Assorted Love Songs", in dem der Gitarrist 1970 sein fatales Verlangen nach Pattie Harrison, der Frau seines besten Freunds George Harrison, thematisierte. Als Inspirationsquelle für den ikonischen Titelsong diente ihm das einhundertseitige Gedicht "Layla and Majnun" des persischen Dichters Nizami Ganjavi aus dem 12. Jahrhundert. Während er in Layla die umschwärmte Pattie verkörpert sah, identifizierte sich Clapton mit dem liebeskranken Majnun, für den die Angebetete nicht zuletzt wegen des unüberbrückbaren Standesunterschieds unerreichbar bleibt und der in seinem unerfüllten Begehren zunehmend dem Irrsinn verfällt.

Doch kann eine solche Deutung dem komplexen Sufi-Poem überhaupt gerecht werden? Was denkt beispielsweise Layla selbst über ihre heikle Romanze? Während Clapton die Frau eindimensional als Objekt der Begierde begreift - nach dem Motto: Ich will dich, aber ich kann dich nicht haben -, macht sich jetzt die Tedeschi Trucks Band für eine feministische Lesart des historischen Textes stark, in der Layla nicht länger ein von Männern entworfenes abstraktes Liebeskonzept repräsentiert, sondern eine selbstbestimmte Frau. Sie wird von ihrem literarischen Schöpfer ja keineswegs als hilflose Schönheit geschildert. Im Mai 2020, zwei Monate nachdem die Pandemie der Band den Weg auf die Konzertbühne versperrt hatte, kam der Sänger Mike Mattison auf die glorreiche Idee, das Gedicht "Layla and Majnun" einmal einer genaueren Lektüre zu unterziehen. Ach, hätten die Schöpfer des aktuellen Ballermann-Hits namens "Layla" sich doch auch durch den persischen Poeten erleuchten lassen!

Im Januar 2021 begannen die Aufnahmen von vierundzwanzig neuen Songs in Trucks' Heimstudio Swamp Raga in Jacksonville, Florida - die "Layla"-Dichtung hatte einen unerhörten Kreativitätsschub in der Band freigesetzt. Um nicht das gesamte Material auf einen Schlag zu verheizen, entschloss man sich, die Stücke nach und nach auf vier Alben mit jeweils sechs Songs zu veröffentlichen. Thematisch gliedert sich das Werk unter dem Titel "I Am The Moon" in vier Episoden: "Crescent" - hier werden alle Charaktere der Story eingeführt -, "Ascension" mit vielstimmigen Vignetten entflammender Liebe, "The Fall" als Verrätselung romantischer Gefühle und "Farewell" mit assoziativen Abschiedsgesten.

Der Titelsong "I Am The Moon" bezieht sich auf jene Szene des Gedichts, in der Layla im Hause ihres Vaters eingeschlossen ist. Textzeilen wie "I walk these halls like a prisoner / 'Cause they want to save me from myself" handeln dabei auch von den Einsamkeitsgefühlen der Musiker während der Pandemie. Tedeschis gesangliche Interpretation erinnert an ein wehmütiges Al-Green-Arrangement aus den Siebzigern, an dessen Ende Derek Trucks mit seinem jubilierenden Bottleneck-Spiel einen wahren Notensturm entfesselt.

Dass es sich bei dem Projekt um das bisher ehrgeizigste Unterfangen der zwölfköpfigen Tedeschi Trucks Band handelt, wird durch die visuelle Begleitung noch unterstrichen. Zu jedem Album veröffentlichte das Kollektiv einen rund halbstündigen Film, der auf dem bandeigenen Youtube-Kanal vorab die Musik auch optisch erlebbar macht: Mixturen aus Studio- und Live-Einspielungen, atmosphärischen Fotografien, psychedelischen Malereien und allegorischen Bildsequenzen haben den Anspruch, die "kaleidoskopischen Strukturen der Musik" einzufangen. Keine leichte Aufgabe, die aber der impressionistisch veranlagte Dokumentarfilmer Alix Lambert mit Bravour bewältigt.

In subtilen Verblendungen von Blues, Funk, Country, Jazz und Gospel webt das Ensemble ein betörendes Gegenwartspanorama. Wie auf einem opulenten orientalischen Wandteppich erscheinen Szenen, in denen es um das Faszinosum romantischer Empfindungen, um die Lust an der Vergeblichkeit, die Tragik unerschütterlichen Glaubens, um die Zerstörungskraft von Beziehungen und nicht zuletzt um das verhängnisvolle Verliebtsein in die Liebe selbst geht. Lord Byron hatte Ganjavis Geschichte einmal als "Romeo und Julia des Ostens" gelobt. Für Trucks & Co verkörpert Layla das Paradox vollkommener Liebe - die bleibt unerreichbar wie der Mond, jener immer wieder romantisierte Stein am Himmel: "You are a star / I am a stone / Up here spinning alone" heißt es im Titelsong. In der sanft swingenden Eröffnungsnummer "Hear My Dear" mit ihrem Slow-Burning-Southern-Sound besingt Tedeschi dagegen die Schwierigkeiten hinreichender Welterfahrung: "As we watch the world go by / There's so much we search to find / Holding on to memories / Knowing there's so much more to say."

So vielfältig die Perspektiven in Ganjavis Dichtung sind, so ausschweifend gelingt ihre musikalische Umsetzung. "Yes We Will" vom dritten Album "The Fall" bietet ausreichend Raum für Trucks, das Wurzelwerk des elektrischen Blues als Inspirationsquelle der Band freizulegen, während das an eine Kirchenhymne erinnernde "So Long Savior" von Trucks an der Akustikgitarre und Tedeschi am Schlagzeug angetrieben wird. Von seltener Intensität ist der Wah-Wah-Funk von "Ain't That Something" mit schneidenden Bläser-Sätzen. Überragend aber klingt das zwölfminütige Instrumental "Pasaquan". Trucks' sehnsüchtiges Griffbrett-Gleiten versöhnt hier die Spiritualität des späten John Coltrane mit den Worldbeat-Turbulenzen von Santanas "Caravanserai". Natürlich werden auch Erinnerungen an die Southern-Rock-Ekstasen der Allman Brothers wach, wo der jugendliche Derek jahrelang in den Fußstapfen von Claptons "Blutsbruder" Duane Allman wandelte. In anderen Stücken verbünden sich die Klänge der Marching-Bands aus New Orleans, wenn sie mit jubelnder Respektlosigkeit von einem Begräbnis heimkehren, mit mondsüchtigen Delta-Phantasien.

Episch und intim zugleich: Die mehr als zwei Stunden währende Studioproduktion "I Am The Moon" ist liebevolle Hommage an den historischen "Layla"-Stoff und zeitgemäße Aneignung gleichermaßen. Dabei überschneiden sich Sehnsüchte und Ängste, wie sie in der klassischen Vorlage ausgemalt werden, immer wieder mit den Empfindungen von Isolation und Abgeschiedenheit, die nicht zuletzt über Nacht arbeitslos gewordene Künstler in den letzten zwei Jahren zu spüren bekamen. Bei allen elegischen Untertönen kann das "I Am The Moon"-Projekt auch als Hoffnungssignal, als Kampf um die Wiederaufnahme zerbrochener sozialer Beziehungen begriffen werden. PETER KEMPER

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