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Produktdetails
Trackliste
CD
1Rocket00:03:51
2Believer00:03:43
3Alive00:03:28
4Dreaming00:05:07
5Head first00:04:30
6Hunt00:04:34
7Shiny and warm00:03:58
8I wanna life00:04:13
9Voicething00:04:44
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2010

Leuchtend und warm
Spät dran: Goldfrapp klauen jetzt bei Abba

Es gibt Weisheiten des Pop, die könnten von Sepp Herberger stammen: "It's the singer not the song" heißt eine, ein Erfolgsgeheimnis wie "Das Runde muss ins Eckige". Sängerinnen wie Rihanna, Madonna oder Lady Gaga sind weltweite Marken, sie prägen die Mode weit mehr als die Musik. Jede von ihnen könnte das Telefonbuch jodeln, und es würde zum Hit - vorausgesetzt, das Outfit stimmt.

Star zu sein ist auch eine Stilfrage, und Stil hat Alison Goldfrapp, die exzentrische Frontfrau und Namensgeberin des englischen Dance-Disco-Glamour-Duos "Goldfrapp", reichlich, auch wenn sie es damit bislang nur zum Star der After-Work-Party-Generation gebracht hat. Dabei hat die Dreiundvierzigjährige sogar schon einmal gejodelt, damals, als sie sich nach dem Kunststudium in London mit europäischer Dekadenz und experimentellem Gesang beschäftigte und beides zu recht merkwürdigen Performances kombinierte.

Bajuwarisch-dekadentes Jodeln findet sich ansatzweise auch auf "Head Frist", dem fünften Goldfrapp-Album. Klingt doch "Voicething", der letzte der neun Songs, mit seinem Geräuschgesang zu esoterischen Keyboardsounds wie eine geburtsvorbereitende Hecheltechnik - irgendwo zwischen peinlich und großartig. Poetisch wird's dann beim Song "Shiny and Warm": Laut Plattenfirma gebiert darin eine "blecherne Gebärmutter" das "Gefühl des Wohlbefindens, das man verspürt, wenn man spät nachts im Auto sitzt". In Wahrheit klingt die solide Tanznummer nach Kreativstau und gebiert lediglich das Gefühl, dass man sie so oder so ähnlich schon tausendmal gehört hat.

Dabei gehört es zum selbstgestellten Arbeitsauftrag von Alison Goldfrapp und ihrem Keyboarder Will Gregory, mit intelligentem Pop vom Rande des Mainstreams in dessen Mitte zu wirken. Während der zugewachsene Gregory als stiller Zausel bei öffentlichen Auftritten im Hintergrund bleibt, will Alison Goldfrapp alles: die Kritiker und die Massen begeistern, Avantgarde und in den Charts sein. Lange gelang ihr das auch.

In permanenter Neuerfindung gab Alison Goldfrapp in den vergangenen zehn Jahren die Glamour-Diva, das verträumte Folk-Mäuschen und die Disco-Königin. Sie wechselte ihre Garderobe genauso schnell wie die Musikstile. Dabei schufen Goldfrapp durchaus Großes: Das von den Filmmusiken Ennio Morricones beeinflusste Debüt "Felt Mountain" aus dem Jahr 2000 ist mit seinen "wärmeabweisenden Gletscherklängen" ("Rolling Stone") ein Meilenstein des Pop. Allerdings verkaufte sich der Meilenstein wie drei Tage altes Brot.

Goldfrapp lernten aus dem kommerziellen Misserfolg und produzierten mit "Black Cherry" und "Supernature" zwei Tanz-Alben. Hinter der zerbrechlichen Stimme Alison Goldfrapps, den Beats, dem mal grellen, dann wieder ästhetisch-unterkühlten Vordergrund war beinahe ein höhnisches Kichern hörbar: Seht her, wir spielen euch etwas vor, und ihr tanzt nach unserer Nase. Die ironische Distanz machte aus kleinen, überspannten Popsongs Kunst, ähnlich wie "Seventh Tree", eine verträumte, beat-befreite Wohlfühlattacke aus dem Jahr 2008. Auf dem Easy-Listening-Album tschilpten ständig Vögelchen, verbreiterten Streicher dünne Melodien ins Epische. Maßlos in seinem sonnigen Optimismus lieferte "Seventh Tree" in der Hochphase der Finanzkrisen-Depression die Fahrstuhlmusik für alle Investment-Banker auf ihrem Weg nach unten.

Auch "Head First" soll wieder eine Neuerfindung sein. Tatsächlich aber gebiert die "blecherne Gebärmutter" Klänge und Melodien aus dem Paläozoikum der Dance-Geschichte, den siebziger Jahren. Head first - kopfüber stürzen sich Goldfrapp in diese schon oft musikalisch ausgeschlachtete Zeit. Dazu pappt Alison Goldfrapp im bonbonbunten Video zur Single "Rocket" einen Verflossenen mit reichlich Klebeband an eine penisartige Rakete und schießt ihn zu "Oo-ooh you're never coming back" in eine neue Dimension großartiger Peinlichkeiten. Die Musik bleibt konventionell und bringt weder die Beine noch die grauen Zellen zum Fliegen.

Auch der Titelsong wirkt samt Ironie wie bei Abba geklaut. Richtig gut, weil düster dagegen "Hunt". Dieses Lied passt nicht in das Konzept des Albums, das da heißt: Alison Goldfrapp inszeniert sich selbst. Ihr Stimme scheint ihr davonzufliegen, so hoch und zerbrechlich schwebt sie über dem eiskalten Beat. "Hunt" ist der einzige Song, der sich vom Ego seiner Sängerin emanzipiert. Vielleicht folgt ihm noch der eine oder andere in Zukunft. "Ich würde gern einmal etwas ohne mich machen", sagte Alison Goldfrapp einmal. "Aber dafür bin ich noch zu egozentrisch."

RAOUL LÖBBERT

Goldfrapp, Head First. Mute 8576661 (EMI)

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