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Produktdetails
Trackliste
LP
1I'm torn up
2Don't mean a thing
3Call me
4Like a mighty river
5That glow
6Broken bones & pocket change
7Sugar dyed
8Half the city
9Grass is greener
10Let it be so
11Dixie rothko
12It's midnight
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2014

Endlich ein Denkmal für den Blues

Eines der unberechenbarsten, experimentierhungrigsten Multi-Talente in der Jazzgeschichte ist Elliott Sharp. Jazz? Den hat er immer wieder bis zur Unkenntlichkeit über alle Grenzen geschoben - Streichquartette, Noise, Oberton-Untersuchungen, Elektronik, Chaosforschung. Durch die New Yorker Downtown-Szene stapft er mal mit tonnenschweren Partituren unterm Arm oder mit einem einsamen Gitarrenkoffer. Vom "verschlungenen Labyrinth seiner unterschiedlich definierten Projektebenen" spricht der Jazzforscher Martin Kunzler. Und zu diesen gehörte immer einmal wieder der Blues, so auch das neueste Werk: Sharps Terraplane, "4 am Always" (Yellowbird). Um "vier Uhr morgens" siedelt Sharp die Produktion an, eine Tageszeit, zu der "dunkle Gedanken" durchs Gemüt und "Linien kalten Schweißes über die Stirn" ziehen, wo der tatsächliche oder eingebildete Zustand der Welt zu jenen Depressionen führt, die für den Blues so typisch sind. Mit mehr als zehn Gitarrentypen und in Playback-Orgien übereinandergeschichteten Elektro-Sounds, mit Rock-Grooves und Maschinen-Ästhetik, Jimi-Hendrix-Erinnerungen und vagen Zitaten aus dem frühen Folk Blues entsteht hier ein mit bestechendem Eigensinn errichtetes Denkmal, wie der Blues noch keines hatte.

u.o.

Bands und Interpreten des Neo-Soul schießen immer noch wie Pilze aus dem Boden - das ist geschmacklich ja ein gutes Zeichen, auch wenn sich die Sache oft in der Hommage erschöpft. Aus welchen Quellen schöpft diese Musikrichtung, außer aus dem puren Stilwillen? Von Charles Bradley (freilich ein Veteran) über Eli "Paperboy" Reed bis hin zu den Alabama Shakes - alles schon mal gehört, irgendwie. Von Letzteren sprießt den Soul-Verehrern nun quasi ein Ableger, direkt aus Birmingham, Alabama, ins Ohr: St. Paul & The Broken Bones machen einen zwar imitativen, aber das kann in diesem Falle nur bedeuten: aufregenden, frenetischen Südstaaten-Soul. Ein untersetzter, eher beamtenmäßig aussehender Brillenträger namens Paul Janeway röhrt die klassisch-schematischen Uptempo-Songs und die Balladen außerordentlich schneidend, wie James Brown, Arthur Conley und King Floyd zusammen. "Half The City" (Single Lock/Alive) ist ein schönes, intensives Stück klassischen Souls. Auch die Produktion (natürlich aus dem Hause Muscle Shoals) ist von gestern.

edo.

Ist es wirklich nur ein Instrument, an dem alle diese Rondos und Fantasias von Carl Philipp Emanuel Bach auf dem neuen Schornsheim-Album (Capriccio/Naxos) eingespielt wurden? Kaum zu glauben! Es klingt wie viele. Sehr wenig verbindet die körperlose, feingesponnene Klangfarbe etwa in der erfrischenden Fantasia Es-Dur (Wq 58/6) mit den dumpfen Tönen des Rondo E-Dur (Wq 58/3), die aus einem eher schwachbrüstigen Hammerflügel zu kommen scheinen. Christine Schornsheim hat für diese Aufnahme einen historischen Tangentenflügel gewählt: Kleine Holzstäbe stoßen von unten gegen die Saiten bei diesem Instrument, das Ende des achtzehnten Jahrhunderts für kurze Zeit in Mode war. Es kann, wenn die Stäbchen "una corde" nur gegen eine einzige Saite stoßen, aber auch als dynamikgelehrtes Cembalo auftreten. Zart, tänzerisch erklingen nimmt Schornsheim viele dieser Rondos, beinahe zu galant. Dann kehrt sie unvermittelt, im variablen Spiel mit Dynamik und Tempi, zurück zu Sturm und Drang. Unbekümmert schnell schwirren die Prestissimo-Arpeggien der Fantasia II C-Dur (Wq 59/6) vorüber, metallisch-perkussiv die Passagen der F-Dur Fantasia (Wq 59/5). Und perfekt passen die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten des Tangentenflügels zu den teils improvisatorisch angelegten Kompositionen, ganz wunderbar, wie bunt gefärbt die Tastenmusik CPE Bachs bei Schornsheim strahlt.

hemm

Man könne ja, behauptet der ausgewiesene Blockflötenvirtuose, die Tatsache, dass die Blockflöte weithin als ein Kinderinstrument gilt, auch enorm positiv betrachten. Bei Stefan Temmingh, dem Könner, ist dieser Satz frei von Koketterie. Auf seinem hinreißenden Konzeptalbum "Inspired by Song" (DHM/Sony) geht es wirklich um jene ursprüngliche, im besten Sinne kindliche Unmittelbarkeit des Musikmachens, die noch nichts weiß von den Stil-Tabus der Hochkultur. Es geht um Gassenhauer, Ohrwürmer, Volkslieder aus dem englischen Sprachraum, die hier freilich zu hoher Kunst werden, von Temmingh und seiner "Gentlemen's Band" in Arrangements präsentiert, die ebenso anspruchsvoll sind wie unorthodox. Die Sopranistin Dorothee Mields eröffnet den Reigen mit dem lustvoll zelebrierten Traditional "John, come kiss me now". Mit weiteren Evergreens, etwa "Greensleeves" oder "Lady Ann Bothwel's Lament", liefert sie ihren Mitstreitern die Vorlagen zu Bearbeitungen, die sich zu schillernden Kunstgebilden ausspinnen. Fast wie ein Jazzkonzert wirkt das. Technisch brillant, spontan, spielerisch - so muss Traditionspflege sein.

wild

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