für dieses vergessene Instrument sind jetzt auf dem Album Complete Music for Solo Lyra Viol (Harmonia Mundi) erschienen. Die Tanztypen Allemande, Courante und Sarabande dominieren das Repertoire. Hundert Jahre vor Bachs Cellosuiten wird bereits hier ein volles, akkordisches Spiel auf dem Streichinstrument verlangt und durch große Sprünge die Illusion von Mehrstimmigkeit erzeugt. Erstaunliche Musik, von Boothby mit vitaler Taktfreiheit gespielt.
jbm.
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Einfach mal ins Studio gegangen, den eigenen Kram aufgenommen und ihn einigen Schallplattenfirmen angeboten. Keine wollte zunächst, jetzt endlich ist sie da, eine der originellsten Produktionen der Saison mit dem Titel "Springlink" (Alessa Records ALR 1036). Das österreichische Trio dieses Namens besteht aus der Sängerin Agnes Heginger, dem Bassisten Peter Herbert und dem Pianisten Christoph Cech und macht eine technisch und stilistisch lustvolle Musik höchster Ansprüche und schäumender Musizierlust in komplizierten Kompositionen und inspirierten Improvisationen. Die stupende Intonationskunst der klassisch ausgebildeten und mit ihrem Programm zwischen Chanson, Jazz und zeitgenössischer E-Musik weitgereisten Agnes Heginger ist in den sprunghaft schwierigen Scats ebenso bestaunenswert wie in den lyrischen, mit höchster Klangschönheit ans Herz gehenden Kantilenen. Die Ausdrucksskala kennt als Dienerin der anspruchsvollen Kompositionen keine Grenzen zwischen dem Tonfall von Trost am Kinderbett, aufbegehrender Frechheit, Gekicher, leicht ironisch angehauchtem opernhaftem Pathos und "instrumental" geführter Stimme: ein Gesamtkunstwerk der Sonderklasse.
u.o.
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Viele Melodien von Angelo Badalamentis Soundtrack dürften Fans von "Twin Peaks" ebenso in Erinnerung geblieben sein wie Special Agent Dale Coopers Faible für Douglastannen oder den verdammt guten Kaffee im "Double R Diner". Sich an der Musik der in den neunziger Jahren Maßstäbe setzenden TV-Serie zu vergreifen, die demnächst fortgesetzt wird, gleicht einem Sakrileg. Xiu Xiu, eine experimentelle Band aus Kalifornien, der ohnehin wenig heilig ist, hat es dennoch gewagt - auf Bitten eines Museums anlässlich einer Ausstellung zum Werk von David Lynch. Ihre Neuinterpretation "Xiu Xiu: Plays The Music Of Twin Peaks" (Pias/Bella Union) hält Schönheit und Schrecken, Kitsch und Kunst nicht so elegant und elegisch in der Waage wie das Original, begegnet diesem aber mit Respekt. Die Formation um den Unheilspropheten Jamie Stewart interessiert sich nicht für die seichten Aspekte der Seifenoper, betont dafür mittels verzerrter Gitarren und lärmender Elektronik den Horror und den Abgrund, die unter jeder sanft gekräuselten Synthesizerfläche lauern. Das Ergebnis ist betörend und verstörend zugleich. So schwarz wie eine mondlose Nacht.
axmü
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Vor vierzig Jahren hat Ry Cooder auf seinem Album "Jazz" dem ganz frühen Jazz ein Denkmal gesetzt, darunter auch dem Kornettisten und Pianisten Bix Beiderbecke. Da wird es also mal wieder Zeit für "A Tribute to Bix Beiderbecke" (ACT/Edel Kultur), diesmal von dem deutschen Quartett Echoes of Swing und ein paar illustren Gästen. Den Gedanken, Beiderbeckes Songs einfach nur wiederzubeleben, haben sich die Musiker verkniffen und stattdessen ein mit besessenem Detailreichtum ausgestattetes Kaleidoskop aus alter und neuer Musik gestaltet. Die Vorstellung, wie Jazzpionier Beiderbecke in den zwanziger Jahren auf Tango und Bossa Nova reagiert hätte, wird Klang, wenn der Münchner Saxophonist Mulo Francel die Beiderbecke-Komposition "In The Dark" in einen Tango verwandelt oder wenn der Echoes-Saxophonist Chris Hopkins den Evergreen "The Girl from Ipanema" im coolen Stil der frühen Jazz-Ära arrangiert. Es gibt so viel zu entdecken und zu loben an dieser Veröffentlichung, der auf einer zweiten CD auch noch zehn Original-Songs von Bix Beiderbecke beiliegen: Der famose Boogaloo-Beat der beiden Schlagzeuger Oliver Mewes und Pete York auf "Happy Feet" oder die verarbeiteten Einflüsse von Blues bis Debussy und durchweg die Gewitztheit der Beteiligten machen die CD nicht nur zu einer Lehrstunde, sondern zu einer Offenbarung.
roth
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