Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktdetails
Trackliste
CD
1Cape Cañaveral00:04:04
2Sausalito00:03:09
3Get-Well-Cards00:03:32
4Lenders In The Temple00:04:35
5Danny Callahan00:03:57
6I Don't Want To Die (In The Hospital)00:03:30
7Eagle On A Pole00:04:41
8NYC - Gone, Gone00:01:12
9Moab00:03:37
10Valle Místico (Ruben's Song)00:00:50
11Souled Out!!!00:03:30
12Milk Thistle00:05:21
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2008

Ich möchte meiner Liebsten Zöpfe flechten
Kommt er uns jetzt als die schnellste Maus von Mexiko? Conor Obersts Soloplatte

Im Zusammenhang mit Conor Oberst ist gelegentlich von dessen Midwest-Hinterwäldlertum die Rede, vielleicht in gutgemeinter oder sogar bewundernder Absicht, aber der mokante Unterton ist nicht zu überhören - Motto: Solch verrückte Musik kann nur einer machen, der aus Omaha, Nebraska, kommt. Damit da mal Ruhe ist, hier eine nur sehr vorläufige Liste mit anderen Söhnen dieser Stadt im Niemandsland, die übrigens nicht sehr viel weniger Einwohner hat als, sagen wir, Nürnberg: In Omaha geboren wurden, nach abnehmender Hippness sortiert, unter anderen Fred Astaire, Malcolm X, Buddy Miles, Marlon Brando, Montgomery Clift, Alexander Payne, Warren Buffett, Gerald Ford, Nick Nolte, Andy Roddick und Elliott Smith. Verblüffend, nicht wahr?

Bei "Nebraska" denkt man rockhistorisch natürlich zuerst an die gleichnamige Springsteen-Platte von 1982 und wäre damit, was eine gewisse trantütige Depressionsmusik betrifft, auch schon beim wonder boy des Jahrgangs 1980, der äußerlich einfach nicht altern will - Gedankenblässe scheint doch gut für den Teint zu sein. Bei "Omaha" sei an das gleichnamige Lied erinnert, das Don Everly 1971 auf seiner ersten Soloplatte gesungen hat.

Dass nun auch Conor Oberst eine Soloplatte gemacht hat, bedürfte der Mitteilung eigentlich gar nicht - auch als Chef der Band Bright Eyes, die seit Beginn dieses Jahrzehnts zu den interessantesten Nachlassverwaltern und Entwicklungshelfern der Americana-Musik zu zählen ist, war und ist Oberst weitgehend auf sich gestellt; und man vergesse die drei Alben nicht, die er schon als Kind eingespielt hat.

Die am Freitag herausgekommene, unbetitelte Platte ist, wie noch jede Bright-Eyes-Musik, einigermaßen in der breiten Mitte zwischen den oben Erwähnten anzusiedeln: zwischen Springsteens staubtrockener, fast schäbiger Kargheit und der einst so überraschend großspurig ausgreifenden Üppigkeit Don Everlys, der sich damit an die Spitze einer Bewegung aus vorübergehend genial gewordenen Solisten setzte, die ihre Vorstellungen nur als Einzelne, freilich mit prominentester Studiobegleitung, verwirklichen konnten; mit ebenbürtigen Produkten konnten ihm auf diesem Weg allerdings nur Gene Clarke ("No Other", 1974) und Dennis Wilson mit seiner 1977 eingespielten und erst unlängst als CD veröffentlichten Platte "Pacific Ocean Blue" (F.A.Z. vom 19. Juli) folgen.

Das neue Conor-Oberst-Werk wurde zu Anfang des Jahres in der südmexikanischen Stadt Tepoztlán eingespielt, die einst den aztekischen Herrschern als Winterresidenz diente - eine für diesen Musiker fast bodenständige Wahl. Die Platte ist eine einzige große Metapher für das Unterwegssein, die es meistens freilich offenlässt, ob damit nicht auch Fluchtbewegungen beschrieben sind. Ganz offensichtlich ist aus dem bleichen Stubenhocker, der als nahezu perfekter Lyriker immer schon viel über die Welt wusste, ein Herumtreiber geworden. "There's nothing that the road cannot heal", lautet eine so grundlegende wie eben auch originelle Zeile aus dem mit dosierter Wucht rockenden Song "Moab". Der von Oberst allein, nur mit akustischer Gitarre besorgte Auftakt "Cape Canaveral" beschwört, zur Musik seltsam kontrastierend, den Futurismus vergangener Jahrzehnte, den schon Elton John mit "Rocket Man" besungen hat.

In "Sausalito" rumpelt Oberst gutmütig an die Bay von San Francisco, hinein in die klare kalifornische Luft, die ihm gut bekommt. Denn auf diesem Album unterlässt er, erstmals in seiner Karriere, weitgehend jene Independent-Mätzchen, die auch Kritikern, die der Schönheit seiner Musik im Grunde reserviert gegenüberstanden, einen Vorwand gaben, ihn zu mögen - allzu lange wurde Conor Oberst als das Wunderkind eines Songwritings gehätschelt, das niemand verstand.

Man darf es ihm nicht verdenken, dass er es sich in dieser seidenen Affektiertheit eine Zeitlang denn auch recht gemütlich machte; aber mit der lupenreinen Country-Platte "I'm Wide Awake, It's Morning" befreite er sich daraus (F.A.Z. vom 29. Januar 2005), um zwei Jahre später mit dem gleichfalls recht countrylastigen "Cassadaga" ein wenig in Richtung Alternative/Independent zurückzurudern; immerhin enthielt diese Platte den schönsten, am stärksten zu Herzen gehenden Conor-Oberst-Song überhaupt "No One Would Riot For Less" - und wenn man sich bei dieser Gelegenheit nach Obersts poetischer Verwandtschaft umschauen wollte, dann müsste man vielleicht gar nicht mal unbedingt Kerouac nennen als vielmehr Hofmannsthal. Denn wie der früh überreif gewordene Sänger der "Ballade des äußeren Lebens", so kommt einem auch Oberst immer noch vor, "von unterdrücktem Weinen blaß und bebend", wie es in der Poe-Anverwandlung "Psyche" heißt.

Diesen waidwunden Ton beherrscht Conor perfekt, auch wenn er nach Art der Tüftler lieber indirekt zu beeindrucken versucht und beim Liebeswerben auf die Strategien der Musikkassetten-Überspieler-Generation zurückgreift, für die er eigentlich zu spät geboren ist: "I wanna be your bootlegger / Want to mix you up something strange", heißt es in dem Lied "Get-Well-Cards". Dabei möchte Oberst seiner Liebsten gerne Zöpfe flechten, als wäre er gar kein Mann: "Braid your hair like a sister / Name you like a hurricane". Mit solch gewagter Lyrik ist er plötzlich ganz nahe bei Prince, als dessen Neffen man Oberst bezeichnen könnte.

"I Don't Want to Die (In the Hospital)" nimmt, in überraschendem Schweinsgalopp, das Krankenhaus als Un-Ort des Lebens auf, wie man dies von dem alten, unter anderem von Joe Cocker intonierten Blues "St. James Infirmary" oder auch dem seinerzeit zu Unrecht abqualifizierten Manic-Street-Preachers Song "Roses in the Hospital" kennt. Ansonsten serviert uns Oberst abwechselnd Verhalten-Introspektives und dezent Krachledernes.

Nach allem, was man von ihm in den vergangenen Jahren zu hören bekommen hat, hätte man sich die erste offizielle Conor-Oberst-Soloplatte genialer oder zumindest genialischer vorgestellt. Das schon seit geraumer Zeit merklich gestraffte Musizierkonzept, von dem er beim legendären, letztlich aus dem Ruder gelaufenen Bright-Eyes-Album "Lifted" noch so weit entfernt war wie Omaha von Sausalito, funktioniert auch diesmal, und die eigens zusammengestellte Mystic Valley Band fügt sich da problemlos ein. Damit hat sich Oberst wieder einmal als überragender Country-Musiker seiner Generation erwiesen.

EDO REENTS

Conor Oberst, Conor Oberst. Wichita/Cooperative Music 175 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr