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Trackliste
CD
1Shake Dog Shake (Live Version (1984))00:04:15
2Primary (Live Version (1984))00:03:30
3Charlotte Sometimes (Live Version (1984))00:04:06
4The Hanging Garden (Live Version (1984))00:04:07
5Give Me It (Live Version (1984))00:02:46
6The Walk (Live Version (1984))00:03:31
7One Hundred Years (Live Version (1984))00:06:50
8A Forest (Live Version (1984))00:06:46
910:15 Saturday Night (New Version / Live Version (1984))00:03:45
10Killing An Arab (New Version / Live Version (1984))00:02:51
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2004

Kerzenschein mit Kurschatten

Hilfe! Da besorgen wir uns aus der Gruft der Archive - bei einem Vierteljahrhundert "The Cure" darf man ruhig mal Staub aufwirbeln - die schriftlichen Überreste der Bandgeschichte. Und dann finden wir in dem dicken Paket, zwischen spöttischen Huldigungen zum zehnjährigen Bandbestehen von 1989 ("Trotz allen Wandels mag sich Robert Smith mit der düsteren Realität der Erwachsenenwelt nimmermehr versöhnen") und gönnerhaften Ehrenrettungen aus den mittelspäten Neunzigern ("Daß 10 000 Fans diese ,Mißklänge' als Popmusik empfanden, zeigte, daß im Massenpublikum ein neues Verständnis für unorthodoxe Klänge herangewachsen war"), einen Riesenartikel aus einer amerikanischen Zeitschrift, der unter dem Titel "The Talking Cure" eine weltweite Epidemie von Depressionen ankündigt. Und dem Leser auch noch einen Schnelltest an die Hand gibt: "Ich habe Probleme, nachts einzuschlafen." "Ich werde ohne Grund müde." "Ich habe das Gefühl, die anderen wären besser dran, wenn ich tot wäre." Muß man sich jetzt Sorgen machen? Nun gut, der Bericht hat die Schlagwortsuche in die Irre geführt und mit der Bandgeschichte herzlich wenig zu tun. Aber die Songs der archetypischen Gruftrocker legen, und zwar schon seit dem ersten Album "Three Imaginary Boys" von 1979, auf all diese Fragen die Antwort "meistens" nahe - und die gibt die Höchstzahl von Depressionspunkten. Auch auf ihrem jüngsten Album mit dem selbstbezüglichen Titel "The Cure" (auf Geffen/Universal) dreht sich der schwarzgallige Motivkreis um Verlorenheit, Weltuntergang und Auflösung. Doch Hoffnung spendet bereits der Umstand, daß "The Cure" trotz ihres endlosen Endzeitgeredes nie wirklich Schluß gemacht haben und daß sie nun, obwohl sie ihr Gesamtwerk im Jahr 2003 rückwirkend zur "Trilogie" erklärt und damit abgeschlossen hatten, ein taufrisches Studioalbum vorlegen.

Tatsächlich zeigt die Selbstbenennung der Scheibe eine erfolgreiche Gruppentherapie im Wortsinn an. Darauf weisen nicht nur jene scheinbaren Kinderzeichnungen auf dem Cover hin, die bei näherer Betrachtung den Bildern ähneln, mit denen Rudolf Scharping den Militäreinsatz in Jugoslawien rechtfertigte. Der neue Produzent Ross Robinson, der auch hinter Nu-Metal-Erfolgen wie "Limp Bizkit" steht, setzte die Popgruppe in eine Runde und zwang den verschlossenen Existentialisten Robert Smith - der im allerersten "Cure"-Song "Killing An Arab" damals nicht zufällig den "Fremden" von Camus vertonte - zur Redekur über seine Texte. Daß die Songs in Live-Aufnahmen entstanden, hört man dem vitalen und unbekümmerten Geschrammel an. Aber keine Angst, die lichtempfindliche Aura der Düsternis bleibt trotz dieser optimistischen Produktionsästhetik erhalten: Bei der endgültigen Einspielung knipste die Band - kein Witz! - wie auf alten Oberstufenpartys die Lampen aus, um im Studio die Kerzen anzuzünden. Warum nicht. Die borstigen Akkorde am Anfang des Eröffnungsstücks "Lost", der quengelnde Bekenntnisgesang, die flirrenden Keyboards im Hintergrund, das saftige Verstärkerbrummen - all das vertreibt mit einem Schlag die Angst, "The Cure" könnten wie die lebenden Leichen von "Manfred Mann's Earth Band" oder "Status Quo" enden und als ewige Wiedergänger ihrer selbst über die Festplätze tingeln. Im gelungensten Stück der Platte, "The End of The World", klingt in der Verschmelzung von hohem Baßlauf und Stimme der Einfluß von Nachwuchsbands wie den "Strokes" durch, die ihrerseits zum Einfluß von "The Cure" stehen. Aber es gibt auch einfach nur schöne Popträumereien wie "(I Don't Know What's Going) On" und schleierverhangene Klavierballaden wie "Going Nowhere". Wohin gehen wir? Die unheilbaren Romantiker von "The Cure" wissen es ganz genau, da helfen keine anderslautenden Beteuerungen: immer nach Hause.

ANDREAS ROSENFELDER

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