Heruntergedimmtheit unverwechselbar war: zwei Gitarren, zwei poetisch-zurückhaltende Stimmen, wenig Drums und genug Elektronik, um das Ganze in eine Art atmosphärischen Hallraum zu verwandeln. Es passierte fast nichts in diesen Liedern, weshalb die allerkleinste Bewegung zum Ereignis werden konnte.
Als sie von ihrer ersten Tour, die eine Welttour war, zurückkamen, zogen sie von zu Hause aus, trafen Freunde, gingen tanzen, mieteten sich eine gemeinsame Wohnung mit einem Studio und begannen neue Lieder aufzunehmen. Die "Coexist"-Songs, die daraus entstanden, sind noch elektronischer, mit noch weniger Gitarre. Und sie sind - man hätte nicht gedacht, dass es überhaupt geht - tatsächlich noch minimalistischer, noch zurückgenommener.
Alles Überbordende, Überflüssige, jede Ablenkung, Übertreibung fällt weg in den Arrangements von The XX, die man sich beim Komponieren im Studio ein bisschen so vorstellt wie Samuel Beckett beim Schreiben, weil auch für Beckett das Kürzen das Wichtigste war, die Reduktion auf das Wesentliche.
"Angels" und "Chained" sind mit Abstand die schönsten Song auf diesem Album, das in seinen Texten vom Wagnis der Liebe erzählt, von Verschmelzungssehnsüchten und (deshalb der Titel "Coexist") der nüchternen Erkenntnis, am Ende doch immer voneinander getrennt zu sein. Das ist melancholisch. Und natürlich klingt diese Platte auch so. Man hört das besser mit Unterbrechungen. Immer, wenn man "Coexist" wieder anmacht, ist man aber aufs Neue überwältigt, wie viel Intensität aus fast nichts entstehen kann.
Julia Encke
The XX: "Coexist". Young Turks / Beggars Group / Indigo
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main