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Produktdetails
Trackliste
CD
1Carmen (Oper in 4 Akten) (Auszug)
2Eilen wir herbei - Ha, sie kommt - Wenn ich Liebe euch schenk'00:04:49
3Ja, die Liebe hat bunte Flügel (Habanera)00:03:48
4Wie, du kommst von der Mutter? - Ich seh' die Mutter dort00:09:15
5Draußen am Wall von Sevilla00:03:58
6Vorspiel zum 2. Akt00:01:31
7Was ist Zigeuners höchste Lust?00:04:28
8Ein Hoch dem Torero - Euren Toast kann ich wohl erwidern - Auf in den Kampf, Torero00:05:28
9Tanzen will ich zu eurer Ehr'00:04:35
10Hier an dem Herzen treu geborgen (Blumenarie)00:03:57
11Vorspiel zum 3. Akt00:02:21
12Hier an der Felsenschlucht - Ich sprach, dass ich furchtlos mich fühle00:06:03
13Mische! Hebe! (Kartenterzett)00:06:44
14Vorspiel zum 4. Akt00:02:15
15Sie ist da! Es ist die Quadrilla - Liebst du mich?00:06:35
16José? - Ich bin's00:08:53
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2023

Spiel mit Klischees
MAINZ Die neue "Carmen" überzeugt am Staatstheater nur musikalisch

Wer die Ankündigung des Staatstheaters Mainz liest, der zufolge Luise Kautz in ihrer Neuinszenierung von Georges Bizets "Carmen" die "Patina-Schicht aus Folklore-Kitsch behutsam abklopft", kann, wenn er sie denn hatte, trotzdem jede Sorge vor einem progressiven Regiekonzept vergessen. Die 1987 geborene Regisseurin lässt sich im Programmheft mit der These zitieren, sie wehre sich gegen eingeschriebene Bilder, etwa von Flamenco tanzenden Frauen im Negligé. Nur: Wo gab es denn zuletzt noch solch eine "Carmen" auf der Opernbühne? Bestimmt nicht, nur als Beispiel, an der Oper Frankfurt, wo Barrie Kosky 2016 auf einer Showtreppe die Geschichte des Scheiterns von Carmen und Don José als bitterernste Revue schlüssig gezeigt hat.

Im Großen Haus des Staatstheaters Mainz, wo "Carmen" bis in die gesprochenen Dialoge in französischer Originalsprache gespielt wird, bemüht Kautz gleich eine Vielzahl mal gegenwärtiger, mal tradierter Klischees. Da tritt Carmen, eine Figur am gesellschaftlichen Rand, in Jogginghose auf, die, wenn sie richtig wütend wird, eine der in Sevilla offenbar zahlreich herumstehenden Orangenkisten umstößt. Über dem Schmugglermilieu des zweiten Aktes lässt ein riesiger Stierkopf blutrot seine Augen leuchten, im Finale schwenkt das Volk, Touristen wie Einheimische, tapfer rot-gelbe Spanienfähnchen, bis die Arme schmerzen müssen.

Regiehandwerklich ist vieles unbeholfen ausgespielt, handfeste Streitigkeiten gipfeln in Schlägen in die Luft, die ihr Opfer sichtlich nicht erreichen, Auftritte und Abgänge des Chors geraten umständlich lang. Und wenn das Kollektiv aus dem Mainzer Opernchor und der viel vokale Frische einbringenden Jugendkantorei der Evangelischen Singakademie Wiesbaden sich auf der Bühne eingefunden hat, muss ständig gelacht, gewinkt oder gehopst werden.

Dabei hätte der Ausstattungsrahmen, vor allem in Gestalt der Bühnenbilder von Valentin Mattka, doch Grundlage für mehr Tiefgang in der Umsetzung von Bizets Bühnenrealismus geboten, der bei der Pariser Uraufführung 1875 zukunftsweisend war: Mal lässt Mattka den harten Steinboden von südlich gleißender Sonne bescheinen, mal platziert er die Schmugglergesellschaft im abseitigen Schmutz einer Baustelle. Charlotte Werkmeisters stilistisch breit gefächertes Kostümpotpourri färbt die Szene immerhin bunt.

Wie die Regisseurin auf die ebenfalls im Programmheft geäußerte Idee gekommen ist, es gebe zwischen Carmen und Don José keinen wahrhaftigen Moment, bleibt ihr Geheimnis. Dabei gehört es zu den interessanten Fragen, warum Don José für die Außenseiterin Carmen alle Bindungen, ob als Soldat, Sohn oder Geliebter Micaelas, löst und ihr in ihre Außenseiterwelt folgt. Zieht sie ihn als Femme fatale an? Will er seine Macht über sie ausspielen? Will er gar einen Mutterkomplex überwinden? Alles schon gesehene, mal mehr, mal weniger überzeugende Ansätze. Die Mainzer Neuinszenierung jedoch verzichtet ganz auf eine plausible oder zumindest diskussionswürdige Deutung. Die beiden sind halt zusammen.

Glücklicherweise zeigen die starken Mainzer Vokalsolisten mehr Tiefenschärfe. Der Tenor Ragaa Eldin singt seine Liebeserklärung in der "Blumenarie" passioniert und kultiviert, frei und ehrlich, und trotzdem wirken Karina Repovas Zweifel an seiner Liebe verständlich, nicht nur, weil er sie unmittelbar zuvor noch geschlagen hat. Aber das sollen keine wahrhaftigen Momente sein? Repova, Mainzer Ensemblemitglied, hat als vielschichtige, mal extrovertierte, mal in sich gekehrte, mit ihrem enorm variablen Mezzosopran aber stets authentische Carmen jede Menge Wahrhaftigkeit parat, gerade auch im Zusammenwirken mit Don José, der sie am Ende auf weit offener Bühne ersticht.

Die anderen Solisten singen rollendeckend, ohne von der Regisseurin genauer profiliert zu werden: Laura Esposito ist eine mädchenhafte Micaela, Stephan Bootz ein treffend ordinärer Leutnant Zuniga, Liam James Karai ein baritonal stattlicher Torero Escamillo. Das Philharmonische Staatsorchester Mainz bietet unter der Leitung seines ersten Kapellmeisters Daniel Montané eine schmissige, kraftvolle und mitreißend eingängige Grundierung, die trotz einzelner Unschärfen der Bläser ohne Risse bleibt. AXEL ZIBULSKI

Carmen

Nächste Vorstellungen am 8. und 27. Oktober von jeweils 19.30 Uhr an

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