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Produktdetails
Trackliste
CD
1Fix It00:02:56
2Milk & honey00:03:04
3Cheap comments00:03:17
4Let's see00:02:54
5Bullets from another dimension00:02:40
6Under a clear blue sky00:03:22
7Access adrenalin00:03:15
8Behaviour00:01:13
9Automatic00:04:54
10Alright00:02:20
11House on fire00:03:51
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2011

Vom anderen Planeten

Ein bisschen Punk, ein bisschen Pop und sehr viel Ska: Die Berliner Band Beatsteaks marschiert an die Spitze, und selbst Marius Müller-Westernhagen mag sie.

Ein Glück für die Beatsteaks, dass Zitieren in der Musik nicht strafbar ist. Ansonsten klänge eine Zeile ihres neuen Albums "Boombox" wie ein veritables Schuldeingeständnis, und zwar selbst in den mutmaßlich recht tauben Ohren des Vorsitzenden am Obersten Rockgerichtshof: "We're stealing it from different planets and we put it on a boombox", singt Sänger Arnim Teutoburg-Weiß im Song "Automatic". Ein Traum für jeden Richter: Die Verdächtigen geben den Ideenklau zu, sie gestehen sogar, wo sie das Diebesgut versteckt haben. Schuldig, Akte geschlossen.

Doch so einfach geht es nicht, wahr ist nur: Die Mitte der neunziger Jahre als Punkband gestarteten Beatsteaks haben sich für ihr sechstes Studioalbum "Boombox" reichlich in der Rockmusikgeschichte bedient. Da schrammeln in "Cheap Comments" die Gitarren wie einst im NDW-Hit "Eisbär" von Grauzone. Und Sänger Teutoburg-Weiß klingt verdächtig nach Joey Ramone, wenn er mit einem "Baba, bababa, babababababa" die textliche Pause zwischen Refrainende und nächster Strophe füllt. "Let's See" wiederum ist eine Ska-Nummer in bester Two-Tone-Manier, mit einem Keyboard-Solo, das so billig nach Hammondorgel klingt, dass es entweder mutig oder genial ist.

Die Vielfalt der Stile wirkt nicht verwirrend, sondern konsequent. Irritierend allenfalls das Spiel mit dem Albumtitel: "Boombox" ist ein anderes Wort für Gettoblaster. Die Beatsteaks wiederum nennen ihren Proberaum in Berlin so, wo sie mit Produzent Moses Schneider einen Großteil des Albums live eingespielt haben, nachdem es in einem regulären Studio nicht ganz rund lief. Das Album ist einfach ein wunderbares Mixtape, das jedem Kassettendeck, aber auch jeglichem anderen Musikabspielgerät guttut, ein Anachronismus in Zeiten des Herunterladens, der rückwärtsgewandt in die Zukunft weist.

Wie bei jedem Mixtape hat der Zusammensteller dabei die Musik ausgewählt, die er selbst am liebsten hört. Die Beatsteaks waren sowieso schon immer eine Band, die viel gecovert hat - auch als sie längst als Headliner auf großen Festivals spielte. Als die fünf Berliner mit ihrem dritten Album "Living Targets" auf Tournee gingen, überraschten sie die Fans vor der Weihnachtspause mit der "Wohnzimmer EP", auf der sie Songs von Steve Miller über The Cure bis Cheap Trick interpretierten. Auch auf späteren Touren gehörten Cover wie selbstverständlich zum Set.

So ist es ein ganz natürlicher Vorgang, dass die Band auf "Boombox" diese Fülle an Zitaten einstreut. Das Faszinierende ist aber, dass sie sich dabei wieder selbst viel treuer wird, als zu erwarten ist. Authentizität ist eine Eigenschaft, die den Beatsteaks immer wieder nachgesagt wurde. Und authentisch ist das neue Album, dafür muss man die Berliner beglückwünschen: "Boombox" wirkt, als ob hier fünf Männer in den Dreißigern und frühen Vierzigern einfach die Musik machten, auf die sie Lust haben, und zwar selbst auf die Gefahr hin, dass ihnen jemand vorwirft, dass sie zu poppig klingen, wie bei der ersten Single "Milk & Honey", oder zu radioinkompatibel, wie bei dem 73 Sekunden langen Punkkracher "Behaviour".

Nach dem eher dunklen und etwas fahrig wirkenden Vorgänger "Limbo Messiah", dem man den Druck anmerkte, unter dem die Band nach ihrem Durchbruch "Smack Smash" stand, und nach einer fast drei Jahre langen Pause machen die Beatsteaks wieder Musik, die Freude macht. Sie hätten so lange an den Liedern gefeilt, "bis am Ende alle ein Lächeln auf den Lippen hatten", hat Bassist Torsten Scholz jetzt nach einer Präsentation der Platte in Frankfurt gesagt. Es ist jedenfalls ein ansteckendes Lächeln.

Und manchmal umspielt dabei auch Überraschung die Lippen. Zum Beispiel, wenn der eine Gitarrist Peter Baumann sein Stamminstrument beiseitelegt, um sich sowohl vor Publikum als auch vermutlich bei den Liveaufnahmen in der Boombox ein bisschen wie Charlie Browns Kumpel Schroeder über das Keyboard zu beugen und ihm bisweilen schräge Töne zu entlocken. Oder wenn der andere Gitarrist Bernd Kurtzke am Korg-Sampler herumschraubt, um die Effekte auf "Boombox" zu produzieren.

So changiert das neue Beatsteaks-Album zwischen ein bisschen Punk, etwas Pop und viel Ska. Marius Müller-Westernhagen sagte der "Stuttgarter Zeitung" unlängst: "Ich mag die Beatsteaks, das ist eine gute Rock-'n'-Roll-Band." Vermutlich kann sich die ehemalige Punkband auch einen anderen Verteidiger als Westernhagen vorstellen. Solange sein Plädoyer aber zu einem Erfolg vor dem Rockgerichtshof führt, ist ihr das wohl auch recht. Insofern: unschuldig. Freispruch erster Klasse.

MARTIN GROPP

Beatsteaks,

Boombox

Warner Music 1144337

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