Man hat dem Mann viel nachgesagt. Ein Schmusesänger sei er, oder vielleicht doch weit eher ein verkanntes Gitarren-As; oder vielleicht doch eher wie in einsamen Stunden am Meer ersonnen. Eines allerdings hat lange Jahre niemand Chris Rea nachgesagt: Allzu viel Mut. Bis zum Jahre 2002 jedenfalls nicht. Da erschien sein Album “Stony Road” als erstes Lebenszeichen nach nur sehr knapp überstandener Krankheit. Ein pures, wenngleich glücklicherweise nicht puristisches Blues-Album erster Güte. Auf dem Weg in den OP, erzählte Rea damals, habe er sich, schon halb unter Narkose, kurz gefragt, w...
Man hat dem Mann viel nachgesagt. Ein Schmusesänger sei er, oder vielleicht doch weit eher ein verkanntes Gitarren-As; oder vielleicht doch eher wie in einsamen Stunden am Meer ersonnen. Eines allerdings hat lange Jahre niemand Chris Rea nachgesagt: Allzu viel Mut.
Bis zum Jahre 2002 jedenfalls nicht. Da erschien sein Album “Stony Road” als erstes Lebenszeichen nach nur sehr knapp überstandener Krankheit. Ein pures, wenngleich glücklicherweise nicht puristisches Blues-Album erster Güte. Auf dem Weg in den OP, erzählte Rea damals, habe er sich, schon halb unter Narkose, kurz gefragt, welches wohl sein bestes Album bislang sei. “Da musste ich mir eingestehen, dass ich zwar sehr erfolgreiche, aber noch keine guten Platten gemacht hatte.” Nie wieder, schwor sich der Brite, wolle er sich fortan auf faule Kompromisse einlassen.
Er hat sein Wort gehalten. Und jetzt wird aus dem mutigen Chris Rea sogar ein waghalsiger Draufgänger. Im Oktober dieses Jahres wird der 54-Jährige zum Rekordhalter, ohne dafür seine jüngsten Ideale verraten zu müssen. Frank Zappa nahm vor über 20 Jahren sechs Studio-Alben in einem Jahr auf, der Red Hot Chili Pepper John Frusciante übertraf die Marke im letzten Jahr um ein Album. Doch Rea legt jetzt mit dem EarBook “Blue Guitars” gleich elf Alben vor, deren über 130 Songs er binnen eines Jahres geschrieben und aufgenommen hat.
Inspiration und Leitfaden war ihm hierbei ein Buch, die amüsante Enzyklopädie “Blues” des einstigen Rolling Stone Bill Wyman. “Ich dachte mir, das wäre mal eine gute Idee, mein liebstes Genre in geographische wie auch stilistische Kategorien einzuordnen und zu jedem Kapitel ein Dutzend Songs zu schreiben, ohne das ganze zu einer Lehrveranstaltung werden zu lassen.” Gesagt, getan wäre hier jetzt eine ziemlich blöde Bemerkung, denn immerhin hat Rea die Idee nur deshalb in die Tat umsetzen können, weil er mehrfach guten Vorsätzen untreu wurde. “Es war ja geplant”, grinst der Musiker und entzündet eine nächste Zigarette, “dass ich mich schonen würde. Aber diese Box war ein derart großes Logistik-Kunststück, dass ich am Ende dann doch wieder 18 Stunden am Tag arbeitete, um die Termine halten zu können.”
Die elf Kapitel seines Blues-Universums indes waren die Mühsal wert. Rea hat sie wie folgt benannt: Beginnings, Country Blues, New Orleans, Electric Memphis Blues, Texas Blues, Chicago Blues, Blues Ballads, Soul And Motown Blues, Celtic/Irish Blues, Latin Blues und 60s And 70s (Modern). “Ich finde es jetzt sehr spannend zu hören, wem welches Album am besten gefällt.” Seine Gattin hat sich für den Texas Blues entschieden, wir können uns aber ebenso gut vorstellen, das ganze EarBook mit in den Urlaub zu nehmen und danach nie wieder missen zu wollen. Jedenfalls ist aus dem freundlichen Man on the Beach irgendwie ein echter Teufelskerl geworden.
Das einmalige Werk enthält 11 CDs mit über 130 neuen Titeln, 1 DVD und über 50 selbstgemalte Bilder der Künstlers!