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  • EAN: 8014394401468
  • Artikelnr.: 25063282
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2013

Triumph der Brüderlichkeit
Beethovens Neunte mit der Staatskapelle Weimar

Stefan Solyom ist Schwede, doch am Pult der Staatskapelle Weimar, deren Chefdirigent er als Generalmusikdirektor der Stadt seit 2009 ist, vertritt er im besten Sinne die deutsche Kapellmeister-Tradition. Beim Festival "Burghofspiele" im Wiesbadener Kurhaus wurde das zum Auftakt des gründlich gearbeiteten Beethoven-Programms schon mit der Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 72a deutlich: Der Klang des groß besetzten Orchesters wirkte im ersten Eindruck massig, füllig, aber nicht unbeweglich, dabei sehr von den Streichern bestimmt, die in der sogenannten deutschen Aufstellung mit den Bratschen vorn rechts sehr geschlossen agieren. Mit relativ breit gewählten, aber durch kräftige Akzentuierungen und klare Phrasierungen nicht zu langsam wirkenden Tempi und in dem sicher auch zu späterem Repertoire der Romantik gut passenden Klangideal setzte sich der 1979 geborene Dirigent, der mit der historischen Aufführungspraxis aufgewachsen ist, originell vom Schlankheitswahn und Geschwindigkeitsrausch der "Originalklang"-Jünger ab.

Wer nun erfährt, dass daraufhin die Fantasie für Klavier, Chor und Orchester c-Moll op. 80 erklang, ahnt auch schon, was das Hauptwerk des Abends war. Denn die Chorfantasie wird ja - mit gutem Grund - fast immer der Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125 als kleine Schwester an die Hand gegeben. Die Beziehung zwischen den beiden form- und gattungssprengenden Kompositionen kam auch hier zur Geltung. Die Interpreten versuchten dazu nicht, den kuriosen und sprunghaften Charakter der Chorfantasie zu mildern und künstliche Übergänge zwischen den Blöcken zu schaffen. Die Pianistin Mona Asuka Ott spielte vom Anschlag her zwar ziemlich starr und angespannt, zeigte aber doch Gespür für die schnell wechselnden Anforderungen ihres Parts: bald durchsetzungsfähig gegenüber dem vollen Orchester im großen Klavierkonzert-Habitus, bald kammermusikalisch zurückgenommen, bald nach Chorbegleiter-Art spielend. Die von Kantor Martin Lutz vorbereitete Schiersteiner Kantorei setzte auf die Verse von Christoph Kuffner, die Schillers Ode "An die Freude" in der Neunten nicht fernstehen, angenehm weich ein und entfaltete zum Schluss eine beachtliche Klangwucht.

Die Neunte bekam, von den Brucknerschen "Urklängen" des Anfangs her spannungsgeladen, schon im Kopfsatz die nötige Dringlichkeit und Schärfe. Wenngleich die auch im Folgenden oft zu laut gespielten Trompetenstimmen die Durchhörbarkeit nicht gerade beförderten, so wurde doch klar, dass Solyom die Sinfonie auch thematisch-motivisch durchleuchtet hatte. Exzellent war der besonders im zweiten Satz sehr wichtige und exponierte Pauken-Part gestaltet: knackig im Klang, präzis, selbstbewusst, als ein von Beethoven bewusst gesetzter "Störfaktor", von dem viel Spannung ausgeht. Sehr distinkt waren im Orchestersatz die schnell bewegten Ketten von Viertelnoten ausgeführt.

Wie dicht auch der langsame dritte Satz komponiert ist, wurde gerade deutlich, indem Solyom viele sonst eher unbeachtete "Nebenstimmen" hörbar machte. Zudem zog er auch über diesen zum Zerfasern tendierenden Satz einen großen Spannungsbogen. Schön war schließlich im Finale zu bemerken, wie das Wort in die Sinfonie mit instrumentalen Mitteln schleichend Einzug hält, verrätselt in den textfreien und hier dennoch so sprechend interpretierten Rezitativen der Celli und Bässe. Wie dann die Sinfonie zur Kantate oder gar zur Oper und wie Divergentes unter einem universellen Anspruch zusammengezwungen wird, kam bestens heraus. Dass dabei im Zusammenwirken von Solisten, Chor und vollem Orchester und im Ineinandersingen verschiedener Verse ein diffuses Klangbild entsteht, ist wohl unvermeidlich. Die Choristen, vor allem die dominierenden Sopranistinnen, kamen in den hoch liegenden Partien mehrfach an ihre Grenzen und wurden bei aller Sangeskraft doch mitunter vom Orchester gedeckt. Die Solisten Johanni van Oostrum (mit kräftigem Sopran), Nadine Weissmann (Alt), Szabolcs Brickner (mit grellem Tenor) und Mario Hoff (Bass) trugen das Ihre zum lautstarken Triumph der Brüderlichkeit bei.

GUIDO HOLZE

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