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Produktdetails
  • Anzahl: 1 Audio CD
  • Erscheinungstermin: 8. Juni 2012
  • Hersteller: Concord / Universal Music,
  • EAN: 0888072337718
  • Artikelnr.: 35651570
Trackliste
CD
1Analog Man00:04:03
2Wrecking Ball00:03:46
3Lucky That Way00:04:15
4Spanish Dancer00:03:50
5Band Played On00:04:04
6Family00:04:22
7One Day At A Time00:03:18
8Hi-Roller Baby00:03:19
9Funk 5000:01:57
10India00:03:44
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.06.2012

Fahren mit Führerschein
Rock als Reaktion: Das Leben war und ist gut zum Eagles-Gitarristen Joe Walsh

Von Edo Reents

Joe Walsh ist für die Eagles das, was Ron Wood für die Rolling Stones ist: ein nicht gerade unentbehrliches, aber seine Sache solide erledigendes und vor allem für gute Stimmung sorgendes Mitglied, dem es die Tatsache, dass es erst relativ spät (aber nicht zu spät) dazugestoßen ist, erspart hat, in Sippenhaft genommen zu werden. Es gibt unter den wichtigen Bands wohl kaum eine zweite, der ihre Verdienste so wenig gedankt werden wie den Eagles, die eigentlich seit "Hotel California" (1976) dastehen als der Inbegriff von einfallsloser Kommerzmusik, als Ausgeburt kalifornischer Oberflächlichkeit.

Joe Walsh blieb wohl auch deswegen von den Schmähungen verschont, weil ihn kaum jemand kannte oder mit Steve Walsh von der Gruppe Kansas verwechselte. Verschmitzt wusste er sich darunter wegzuducken, während die Hauptsongschreiber und -streithähne Don Henley und Glenn Frey alles abbekamen. Es hat aber auch wohl mit den ewigen Best-of-Platten und den die Studiomusik nur reproduzierenden Wiedervereinigungstourneen zu tun, dass man in den Eagles längst nur noch ein selbstzufriedenes Monster sieht, das sich seinen Stillstand dank der bald dreißig Millionen verkauften Exemplare einer einzigen Hit-Kompilation allerdings auch leisten kann. Die gepflegte Langeweile von Glenn Freys demnächst erscheinenden Klassiker-Covern bestätigt zumindest dieses Vorurteil.

Während die Haupt-Eagles als in Wirklichkeit extrem versierte Handwerker mit einem ausgeprägten Sinn für Ohrwurmqualitäten ihre Musik so komponierten, arrangierten und interpretierten, dass auch die letzte überstehende Ecke abgeschliffen war, ohne deswegen glatt zu klingen, mied Joe Walsh das Gefällige eher und festigte seinen in den Jahren zuvor erarbeiteten Ruf als nicht ganz berechenbarer Kauz, dem ein genialer Riff, ein glühender Slide-Lauf im Zweifelsfall mehr bedeuten als Massenapplaus. Die Begeisterung Pete Townshends genügte ihm: "I don't want to sound ridiculous, but Walsh is one of the guys I go nuts-rapturous about."

Und jetzt geht dieser Joe Walsh, statt sich wie Glenn Frey gepflegter Nostalgie hinzugeben, total in die Offensive und legt, erstmals wieder nach zwanzig Jahren, eine Platte vor, die aus ihrem Konservatismus absolut keinen Hehl macht. "Analog Man" ist die Ton gewordene Weigerung, an der digitalen Lebenswelt teilzuhaben, Schweinerock statt Twitter. Man kennt das von Männern seines Alters. Loudon Wainwright III. gab schon 2001 auf seiner Platte "Last Man On Earth" zu Protokoll, dass er mit Computern nichts zu tun haben und ausschließlich als echter Mann - in seinem Fall musste man ergänzen: als Liebhaber aus Fleisch und Blut - gewürdigt werden wollte. Das klang störrisch, aber musikalisch bleibt es das Beste, was Wainwright in den vergangenen zwanzig Jahren gemacht hat.

Das kann man nun auch von Joe Walsh sagen, der sich im Schutze seines Schräger-Vogel-Images wieder angeschlichen hat und uns mit dem Titelstück gleich eins auf die Zwölf gibt: Zu der außerordentlich brutalen, in ihrer Rockklischeehaftigkeit geradezu unverschämten Rhythmusgitarre gibt er mit immer noch scharf schnarrender Stimme den älteren Herrn, der sich nicht mehr zurechtfindet und darunter leidet, dass heute Zehnjährige mehr Durchblick zu haben scheinen als seinesgleichen: "Welcome to cyber-space, I'm lost in a fog / Everything is digital - I'm still analog / When something goes wrong, I don't have a clue / Some 10 year old smart-ass has to show me what to do". Damit hat sich's aber nicht. Um das Album "verstehen" zu können, muss man sich klarmachen, wer dieser Mann eigentlich ist.

Joe Walsh fing 1966 an bei der James Gang, deren Rahmen er mit seiner Pyrotechnik allerdings schon nach der zweiten, epochalen Platte "Rides Again" (1970), die übrigens vom späteren Eagles-Produzenten Bill Szymczyk betreut wurde, sprengte, um fortan unter eigenem Namen zu arbeiten. Das unter dem Titel "Barnstorm" mit dem Bassisten Kenny Passarelli und dem Schlagzeuger Joe Vitale eingespielte, wiederum von Szymczyk produzierte Debüt enthielt zwar genügend von Walshs zündenden Läufen, hatte insgesamt aber eine gewisse geläufige, typisch kalifornische Kompaktheit, wie sie Westküsten-Sessionmusiker, bei denen Walsh sich in der Folge bedienen sollte, eben draufhatten. Haften blieb davon wenig.

Das änderte sich mit der originell betitelten Platte "The Smoker You Drink, The Player You Get", die nicht nur ausgereiften Bluesrock wie "Rocky Mountain Way" enthielt, sondern mit Balladen und Midtempo-Songs sehr ausgewogen bestückt war. Seinen solistischen Gipfel erreichte Joe Walsh aber erst 1978 mit "But Seriously, Folks ...". Hier fand sich das achtminütige Meisterwerk "Life's Been Good", auf dem Walsh mit effektvoller Verzögerung seine Brachialriffs zu Gehör brachte und sich dabei abfällig über das Luxusleben äußerte, zu dem er unter dem Einfluss der Eagles animiert worden war: "My Maserati does 185 / I lost my license now I can't drive". Der Neue-Deutsche-Welle-Sänger Markus lieferte dazu, vielleicht ohne es zu wissen, die deutsche Autofahrerversion mit "Ich will Spaß": "Mein Maserati fährt 210 / Schwupp, die Polizei hat's nicht geseh'n", wobei die 210 wohl auch damals schon etwas knapp bemessen waren.

Das neue, von Jeff Lynne produzierte Album schließt in mehrerer Hinsicht an den Walsh-Kosmos an; außer dem erwähnten Analog-Punch finden sich schöne Echos: "Lucky that Way" schreibt den ätzenden Hedonismus-Spott um in eine selbstgenügsame Lebensbeschreibung mit nur noch sanfter Kritik am Californian way of life und ist wie "Family" eine Reminiszenz auf die 1978er-Ballade "Second Hand Store"; "Funk 50" knüpft gekonnt an "Funk 49", einen der schlagkräftigsten James-Gang-Titel, an; und am Ende, aber leider nur auf dem Bonustitel "But I Try" singt der alte Little Richard und greift sogar noch in die Tasten.

Als "Analog Man" scheint Joe Walsh jetzt in der Tat dazustehen wie ein Stockkonservativer; Rockmusik ist in dieser Form etwas von gestern. Wenn es aber trotzdem die Platte zur rechten Zeit ist, dann, weil sie mit vitalem Schwung eine Sehnsucht artikuliert, die jeden von uns hin und wieder befällt: das verdammte Internet einfach mal abzuschalten.

Joe Walsh,

Analog Man

Fantasy Records 7233846 (Universal)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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