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Ah! Quel Cinéma! - Stereo Total
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2019

Ein letzter Strauss mit Malven

Rechtzeitig zu ihrem Debüt bei den Bayreuther Festspielen bringt die norwegische Sopranistin Lise Davidsen eine Solo-CD bei Decca heraus, die auch ihren Namen trägt. Und sie eröffnet sie mit zwei Szenen der Elisabeth aus dem "Tannhäuser" von Richard Wagner, jener Rolle, die sie gerade auf dem Grünen Hügel singt. Was für eine Stimme! Jauchzend hell in der Höhe, voller Kraft, genau kontrolliert, Samt und Stahl in einem. Noch stärker beeindruckt sie durch ihre geheimnisvolle Tiefe mit dem großen Monolog der Ariadne "Es gibt ein Reich, wo alles rein ist" aus der Oper "Ariadne auf Naxos von Richard Strauss. Unter den folgenden Strauss-Liedern ist die Orchestration der späten Miniatur "Malven" durch Wolfgang Rihm eine besondere Kostbarkeit, weil sie sich an den intimen Stil von Strauss' letztem Bühnenwerk "Capriccio" kundig und liebevoll anlehnt. Leider zeigen das Philharmonia Orchestra und der Dirigent Esa-Pekka Salonen in ihrem fließenden Gleichmaß keinerlei Sensibilität für besondere Harmoniewechsel oder die Aura einzelner Worte, so dass besonders in Strauss' "Vier letzten Liedern" die Eindringlichkeit von Davidsens Gesang wenig Unterstützung erfährt.

jbm.

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Sie sind ein Spätausläufer der Neuen Deutschen Welle - das deutsch-französische Duo Stereo Total, das nun 25 Jahre alt wird, hat Underground-Hits wie "Sex zu dritt" und "Schön von hinten" landen können, gleichzeitig immer an der Dynamik von Schrott-Instrumentarium und eigenwilligem Humor festgehalten. Jetzt legen Françoise Cactus - Grundlagen ihres Ruhms legte sie als Schlagzeugerin der Punkband Lolitas - und ihr Lebensgefährte, der, ähem, Multi-Instrumentalist Brezel Göring mit "Ah! Quel Cinéma!" (Tapete/Indigo) ein neues Album vor. Das wirkt immer noch auf charmante Weise mehr gewollt als gekonnt, wenn sich die beiden selbst auf den Arm nehmen ("Ich bin cool") und im Hintergrund die billige Orgel scheppert, allerdings schlägt die Band diesmal auch ungewohnt ernste Töne an, wenn etwa auf "Dancing with a memory" sentimental zurückgeblickt oder in "Le Spleen" vor einer düsteren Klangcollage der Suizid thematisiert wird. Aber das steht Stereo Total gar nicht schlecht - und alberne Songs wie das musikalische Zitate-Massaker "Keine Musik" sind immer noch im Überfluss vorhanden: "Kein Boogie-Woogie vor dem Abendgebet" schwört Françoise Cactus im Refrain.

roth

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Im Jahr von Hitlers Machtergreifung hat Erich Wolfgang Korngold vor rechtzeitiger Emigration noch einmal die über Epochen gereifte Klangwelt seiner Heimatstadt Wien beschworen. Sein Steichquartett Nr. 2 wurzelt in klassischer bis spätromantischer Tradition, wendet sie impressionistisch zart und expressionistisch nervös, lässt Volksliedgesten nachtönen und erweist irritierend dem Wiener Walzer Reverenz. Ihm huldigt auch das erste von Erwin Schulhoffs fünf Streichquartettstücken. Mit ihnen brach der Reger-Schüler 1923 in avantgardistische Bereiche auf. Gegen Korngolds Etabliertheit im Kunstmusikbetrieb setzte er auf damals radikale Anleihen bei Jazz, Dada und Modetänzen. Das Jerusalem Quartet hat beide Werke nun für das Album "The Yiddish Cabaret" (harmonia mundi) mit Arrangements für Stimme und Streichquartett kombiniert. Von Leonid Desyatnikov (Jahrgang 1955) frei transkribierte jiddische Lieder der Zwanziger beschwören die untergegangene Welt jüdischen Lebens in Polen. Hila Baggios charmanter Varieté-Gesang schützt den Blick auf diese sentimentale, musikantische, selbstironische Kultur vor Verdunklung durch den nachfolgenden Holocaust.

wmg.

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Jim Lauderdale ist kein Außerirdischer - "From Another World" (Yep Roc/Cargo) heißt sein neues Album deshalb, weil seine Songs aus einer Welt der Empathie und Liebe kommen, sagt der aus North Carolina stammende Country-Sänger. Ein großer Verehrer von Gram Parsons ist er, und genau wie der glorifiziert er die "Cosmic American Music" - andere sagen schlicht Country-Rock dazu. Seit drei Jahrzehnten schreibt Lauderdale Hits für Leute wie die Dixie Chicks, George Strait oder Patty Loveless - seine eigenen Platten wildern zwischen Country, Rock, Folk und Bluegrass (das makellose Debüt mit dem Mandolinen-Spieler Roland White aus dem Jahr 1980 wurde vergangenes Jahr endlich veröffentlicht). Auf Lauderdales neuem Album jubeln ("The Secrets of the Pyramids") und schluchzen ("One Away") die Steel-Gitarren, für den Song "Like People from Another World" hat er sich kurzerhand das berühmte Arrangement, das die Byrds einst dem Dylan-Song "You Ain't Going Nowhere" angedeihen ließen, ausgeliehen. Vor allem aber ist die Qualität seiner Songs elektrisierend: Zupackendere Lieder wie "Slow Turn in the Road" oder den Auftaktsong "Some Horses Run Free" findet man im zeitgenössischen Country-Genre selten - da kann höchstens noch Shooting-Star Luke Combs ("Beer Never Broke My Heart") mithalten.

roth

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