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Irgendwo in einem In-Viertel einer größeren deutschen Stadt, irgendwann in naher Zukunft: Bei einer Weihnachtsfeier bestellt ein junger Mann arglos eine Gänsekeule - und erntet von seinen Kollegen fassungslose Blicke. Alle sind inzwischen Vegetarier. Eine peinliche Situation, in der nur eines hilft: die Verkündung des Vorsatzes, ab Neujahr vollständig auf Fleisch zu verzichten. Doch ein Leben ohne tote Tiere auf dem Teller ist äußerst hart. Der Mittagstisch, einst Höhepunkt des Arbeitstags, erinnert verdächtig an Liebe ohne Sex. Erleichterung verspricht der Geheimbund der Karnivoren, die sich…mehr

Produktbeschreibung
Irgendwo in einem In-Viertel einer größeren deutschen Stadt, irgendwann in naher Zukunft: Bei einer Weihnachtsfeier bestellt ein junger Mann arglos eine Gänsekeule - und erntet von seinen Kollegen fassungslose Blicke. Alle sind inzwischen Vegetarier. Eine peinliche Situation, in der nur eines hilft: die Verkündung des Vorsatzes, ab Neujahr vollständig auf Fleisch zu verzichten. Doch ein Leben ohne tote Tiere auf dem Teller ist äußerst hart. Der Mittagstisch, einst Höhepunkt des Arbeitstags, erinnert verdächtig an Liebe ohne Sex. Erleichterung verspricht der Geheimbund der Karnivoren, die sich die Rettung der Menschheit vor dem Vegetariertum auf die Fahnen geschrieben haben.

Jakob Hein hält den Anhängern beider Fraktionen den Spiegel vor. Sprecher Stefan Kaminski darf hier sein komisches Talent entfalten.

Das gleichnamige Buch ist bei Galiani Berlin im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen.
Autorenporträt
Jakob Hein, geb. 1971 in Leipzig. 1977 hat er die ersten Geschichten geschrieben und seiner Mutter vorgelesen. Seine erste Regiearbeit wurde 1982 beim 'Fest der jungen Talente' mit einer Urkunde ausgezeichnet. 1988 entdeckte er die Möglichkeit, seine Geschichten auch anderen Leuten als seiner Mutter vorzulesen. Das macht er jetzt jeden Sonntag in der Reformbühne 'Heim und Welt' im Berliner 'Kaffee Burger'. Jedes Frühjahr moderiert er die 'Lesershow' im Roten Salon in der Volksbühne. In Wirklichkeit ist er Arzt an der Berliner Charite.

Stefan Kaminski, geb. 1974 in Dresden, hat an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" sein Schauspielstudium absolviert. Als Sprecher ist er vor allem durch seine Live-Hörspiele am Deutschen Theater und sein "Stimmen-Morphing" bekannt. Er gehört zum Ensemble des Deutschen Theaters Berlin und ist ein ungeheuer ausdrucksstarker, vielseitiger Hörbuchsprecher, der es wie kaum ein anderer versteht, mit seinen nuancenreichen Lesungen zu fesseln und zu begeistern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2011

Fleisch ist sein Gemüse
Jakob Heins parodistischer Monolog über den Vegetarismus

"Wahn! Wahn! Überall Wahn! / Wohin ich forschend blick / In Stadt und Weltchronik": So klagt Hans Sachs in Richard Wagners "Meistersingern". Seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hat die Literatur ihr Möglichstes getan, den Wahn nicht nur auf der Bühne, sondern auch in Prosaformen auszugestalten. Bis zum Jahr 2011 aber musste es dauern, bis sie uns den ersten durch vegetarische Mangelernährung bedingten Irrsinnsmonolog präsentiert.

Bei einem Weihnachtsessen fängt alles an: Dem namenlosen Ich-Erzähler bleibt die Gänsekeule im Halse stecken, weil seine Kollegen ihn plötzlich fassungslos anstarren: "Du isst noch Fleisch?" Dem massiven sozialen Druck ausgesetzt, wird er zwangsläufig zum Vegetarier, und zwar durch "kalten Entzug". Von heute auf morgen ist es aus mit Currywurst und geschmorten Nieren, der Duft von Fleisch ist bald nur noch eine ferne Erinnerung.

Der unter Entzugserscheinungen Leidende sucht Rat bei einem Blogger namens Tom Tofu, der Neu-Vegetariern die Fleischentwöhnung erleichtern will und ihn zum Durchhalten ermutigt. Doch sosehr er sich auch bemüht, stellt er bald fest: "Man kann sich nicht wohlschmeckend vegetarisch ernähren." Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Auf Kraft- und Antriebslosigkeit folgen bald Halluzinationen. Am Höhepunkt der grotesken Erzählung fehlt dem Mann plötzlich sein bestes Stück. Er rennt zum Arzt, doch der winkt ab: Wer kein Fleisch esse, der solle sich nicht wundern, wenn es abfalle.

Hier nun nimmt die Geschichte eine radikale Wendung: Über eine Internetgruppe namens "Meat Friends" stellt der Erzähler Kontakt zu anderen rückfälligen "Junkies" her und beginnt, heimlich wieder Fleisch zu essen. Durch sie wird er nun mit der Gegenideologie konfrontiert, nach der es eine Weltverschwörung der Vegetarier und seit Jahrzehnten eine "unheilige Allianz der Pharma- und Margarineindustrie" gebe. Eine Protestaktion mit den radikalisierten Karnivoren führt zu einem drastischen Ende, das auch erklärt, warum die ganze Erzählung als Geständnis auf einer Polizeistube angelegt ist.

Der Ideenreichtum, mit dem Jakob Hein der Debatte über das Tiere-Essen nach Jonathan Safran Foer und Karen Duve einen Dreh ins Wahnwitzige gibt, führt stellenweise zu komischen Glanzlichtern. Indem er allerdings in dieser Groteske zunächst die schlimmsten Vorurteile über das Vegetarierdasein verdichtet, dann aber nach der Kehrtwende auch die Fleischesser als irre Verschwörungstheoretiker darstellt, hat Hein am Ende für ein Remis der Ideologien gesorgt und ist somit sicher vor Kritikern, die für die eine oder andere Seite auch nur ansatzweise ernsthaft Partei ergreifen könnten.

Das Buchcover ist immerhin so eindrucksvoll gestaltet, dass man es Charlotte Roche durchaus als Tattoo empfehlen könnte. In die Geschichte der Weltliteratur werden die hundert Seiten Monolog aber wohl nicht eingehen. Sie wirken eher wie ein netter, schneller Wurf für die Lesebühne, auf der man Jakob Hein in Berlin seit Jahren häufig sehen kann: satirisches Fastfood zum sofortigen Verzehr, bevor der nächste Schriftsteller-Comedian drankommt - aber richtig sättigen kann es nicht.

JAN WIELE

Jakob Hein: "Wurst und Wahn". Ein Geständnis.

Galiani Berlin, Berlin 2011. 101 S., geb., 14,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Der Berliner Jakob Hein, im Hauptberuf Mediziner, ist ein Spötter bester Art: exzentrisch in der Pointe, aber nie plump. Ein Affe klagt über seine Dressur zum Menschen, wie hier ein Fleischesser über die zum Mode-Vegetarier. Es kann diese Mode so schädlich nicht sein, wenn sie solch brillante Komik in Prosaform hervorbringt." -- Quelle: Die Zeit über das Buch