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Stella wollte nicht sterben. Sie wollte nicht einfach so von einem Dach fallen. Aber als sie es tat, verloren in diesem kurzen Moment Martin seine Frau, Amanda und Bi ihre Mutter und der alte Axel eine Freundin ... Aus der Sicht dieser Personen und der Ermittlerin Corinne setzt sich eine Geschichte zusammen, die von Stellas Leben und damit auch von ihrer Familie und ihren Freunden erzählt. Und es bleibt die Frage: War es ein Unfall, oder war es Mord? Hat Stella den Halt verloren, oder wurde sie von Martin gestoßen? Eine Hörbuch- Inszenierung über die große Sehnsucht der Menschen nach Nähe und…mehr

Produktbeschreibung
Stella wollte nicht sterben. Sie wollte nicht einfach so von einem Dach fallen. Aber als sie es tat, verloren in diesem kurzen Moment Martin seine Frau, Amanda und Bi ihre Mutter und der alte Axel eine Freundin ... Aus der Sicht dieser Personen und der Ermittlerin Corinne setzt sich eine Geschichte zusammen, die von Stellas Leben und damit auch von ihrer Familie und ihren Freunden erzählt. Und es bleibt die Frage: War es ein Unfall, oder war es Mord? Hat Stella den Halt verloren, oder wurde sie von Martin gestoßen? Eine Hörbuch- Inszenierung über die große Sehnsucht der Menschen nach Nähe und Zärtlichkeit. Mit ihrem zweiten Roman beweist Linn Ullmann, dass man sie zu den großen Schriftstellerinnen Skandinaviens zählen kann.
Autorenporträt
LINN ULLMANN ist eine der bedeutendsten Autorinnen Skandinaviens. Ihre Romane sind vielfach preisgekrönt und in 30 Sprachen übersetzt, 2017 erhielt sie von der Schwedischen Akademie den Doubloug -Preis für ihr Gesamtwerk. Bei Luchterhand erschien zuletzt "Das Verschwiegene" - unter dem Titel "The Cold Song" u.a. auf der Jahresbestenliste der New York Times und eines der Lieblingsbücher von James Wood (New Yorker). Für "Die Unruhigen" erhielt sie den Hörerpreis des Norwegischen Rundfunks, der Roman war für den Kritikerpreis und den Nordischen Literaturpreis nominiert. Eine Bühnenfassung davon hatte im Herbst 2018 am Königlichen Dramatischen Theater Stockholm unter der Regie von Pernilla August ihre Uraufführung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2003

Das Gefängnis
der Liebe
Mehr als Papas Kino: Linn
Ullmanns „Wenn ich bei dir bin”
Müsste der Himmel über Oslo, zumindest in den hellen Monaten des Jahres, nicht gelegentlich einen Blick wert sein? Die Bewohner der norwegischen Hauptstadt sehen das offenbar anders. Oslo ist, wenn wir Linn Ullmann glauben dürfen, „eine Stadt, in der man entweder starr geradeaus schaut oder auf den Boden. Deshalb gehen in den Höhen Oslos ständig Dinge vor sich, die kein Mensch bemerkt.” Und doch gibt es Zeugen für das, was sich an einem warmen Sommerabend auf dem Dach eines Hochhauses am Frogner Park ereignet. Ein Mann und eine Frau balancieren an der Dachkante, die Frau trägt ein rotgelbes Kleid und rote Sandalen, sie geht mit kleinen Schritten, wie eine Seiltänzerin, auf den Mann zu, er umarmt sie, sie verliert den Halt und fällt, neun Stockwerke tief.
Ein Unfall, Selbstmord oder Mord? Am Ende des Romans, dessen Titel „Wenn ich bei dir bin” so heimelig nach Liebesschnulze klingt, ist diese Frage nebensächlich geworden. Die Geschichte, die Linn Ullmann erzählt, hängt an einem dünnen kriminalistischen Faden, aber der „Fall”, um den sie kreist, ist nicht das möglicherweise begangene Verbrechen, sondern ein Geflecht menschlicher Beziehungen, dessen innere Dramatik nach und nach offengelegt wird. Auf die Tochter des Regisseurs Ingmar Bergman, die vor einigen Jahren mit „Die Lügnerin” vielversprechend debütierte, hat die Neigung ihres Vaters, in psychologische Abgründe zu blicken, unübersehbar abgefärbt.
Auch was Formbewusstsein und Inszenierungskunst betrifft, lässt sich eine familiäre Kontinuität nicht leugnen. Die Lebens- und Leidensgeschichten, die hier miteinander verknüpft werden, sind wenig spektakulär, das Problemniveau entspricht etwa dem nordeuropäischen Durchschnitt an Wohlstandseinsamkeit, Kommunikationsstörungen, Ängsten und unerfüllten Träumen. Dennoch gelingt es der Autorin, durch raffinierte Balance zwischen Direktheit und Verschleierung ein mitfühlendes Interesse an den Figuren wachzuhalten, und mit dem alten Trick, den Bericht über das Geschehene auf mehrere Stimmen zu verteilen, erzeugt sie ein Kaleidoskop verschiedener Empfindungen und Sichtweisen, dem man sich kaum entziehen kann. Die Monologe, verklammert durch die Nachforschungen einer Polizeikommissarin, offenbaren die unstillbare Sehnsucht der Redenden nach Verständigung und Nähe: Jeder ist hier ausweglos gefangen in seiner eigenen Welt – oder in seiner eigenen Hölle, wie man bei einem Bergman-Film sagen würde. Ein Schritt ins Irreale, auch dies ein gleichsam filmischer Kunstgriff, vollzieht sich, wenn die Tote selbst das Wort ergreift: Stella, die schwangere junge Frau, die aus der Umarmung ins Leere fiel, klärt zwar nicht die Umstände des Absturzes auf, aber sie vermittelt in ihrem Bericht die beinahe tröstliche Botschaft, dass sie dadurch dem Gefängnis einer heillosen Liebesbeziehung entkommen ist.
Libidoprobleme
Allerdings wirken auch die freudianisch kostümierten Gespenster, die zwischen diesen Stadtneurotikern ihr Unwesen treiben, wie aus Papas Kino entsprungen. Die Krankenschwester Stella, von Verlustängsten geplagt, steht im Bann ihrer verstorbenen Mutter, die körperfeindlich und schweigsam war und ein Doppelleben führte. Der Möbelhändler Martin, Stellas leichtfüßiger und bindungsscheuer Ehemann, hat Albträume, in denen ihm seine kleine Tochter Bi in immer neuer, abscheulicher Gestalt erscheint. Amanda, Stellas ältere Tochter, wird von finsteren Pubertätsphantasien heimgesucht, in denen Martin als „böser Zauberer” auftritt. Der pensionierte Studienrat Axel Grutt, der ungeduldig auf den Tod wartet und Stella heimlich liebt, quält sich noch immer mit dem Fiasko einer Ehe, die an seinen Libidoproblemen zerbrochen ist. Außerdem gibt es für Stellas Tragödie einen „historischen Hintergrund”, der Martins Großvater betrifft und auf noch kompliziertere Psycho-Verstrickungen hindeutet.
Das alles wird von der Kommissarin Corinne kolportiert, einer stark übergewichtigen Dame, die behauptet, nie verliebt gewesen zu sein, dafür aber auf eine Karriere als Bauchrednerin, Puppenmacherin und Puppentheaterchefin zurückblicken kann. Der alte Axel Grutt wiederum gedenkt voller Nostalgie seines Vorfahren George Washington Ferris, der 1893 auf der Weltausstellung in Chicago als Erfinder des Riesenrades Furore machte und später im Elend starb. Mit solchen Abschweifungen und Anspielungen gibt Linn Ullmann zu erkennen, dass das Gaukler- und Jahrmarktsmilieu, von dem Ingmar Bergman sich früh inspirieren ließ, auch für sie eine besondere Anziehungskraft besitzt. Noch muten die betreffenden Romanpassagen ein wenig wie bunte Pappkulissen an, die um ihrer dekorativen Funktion willen hereingeschoben werden, und der Spiegel, in dem Stella sich zu ihren Lebzeiten häufig betrachtet, ist ein Requisit von allzu aufdringlicher Symbolik. Die Einfühlungskraft und Wärme jedoch, mit der Linn Ullmann Lebenslinien nachzeichnet und Menschen zum Sprechen bringt, lassen vermuten, dass sie sich im Kreis der skandinavischen Erzähler einen festen Platz erobern wird.
KRISTINA MAIDT-ZINKE
LINN ULLMANN: Wenn ich bei dir bin. Roman. Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Droemersche Verlagsanstalt, München 2002. 288 Seiten, 19,90 Euro.
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