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Produktdetails
  • Verlag: Blackstone Publishing
  • Gesamtlaufzeit: 720 Min.
  • Erscheinungstermin: 24. Dezember 2019
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-13: 9781094071268
  • Artikelnr.: 57165773
Autorenporträt
Janek Wasserman is associate professor at the University of Alabama. He is the author of Black Vienna: The Radical Right in the Red City, 1918-1938.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.10.2020

Im Seminar mit Hayek
Eine Geschichte der Österreichischen Schule

Immer wieder liest man, ein Land habe wegen seiner Hinwendung zum "Neoliberalismus", oder einer "Hayek'schen Wende", eine bedenkliche Richtung eingeschlagen. Dabei werden diese Ideen kaum beschrieben, auch wird nicht gefragt, wie sie denn politisch wirken konnten. Daher weckt Janek Wassermans Buch Neugierde, in dem er die Ökonomen der Österreichischen Schule in den "Kampf der Ideen" einordnen will. Nicht gerade bescheiden, verspricht der junge Amerikaner, "eine Familienbiographie, eine Geschichte des ökonomischen Denkens, eine Wissenssoziologie, eine transnationale politische Geschichte und eine Geschichte politischer Ideologien" zu präsentieren.

Seine Schilderung beginnt zwangsläufig mit Carl Mengers 1871 erschienenem Buch "Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", das Konsum statt Produktion in den Vordergrund rückte und damit "die klassische Ökonomie auf den Kopf" stellte. "Marginalisten" wurden sie genannt, weil sie den Wert von Gütern nicht aus der Produktion ableiteten, sondern aus dem Nutzen, die der Konsument der letzten, eben marginalen, Einheit eines Gutes abgewinnt.

In der Wiener Zeit der Österreichischen Schule, bis 1935, bilden sich Muster heraus. Alle studierten an der Juristischen Fakultät der Wiener Universität bevor die Ökonomie sich als Disziplin verselbständigte, so dass der Berufsweg in die Bürokratie wie in die Wissenschaft führen konnte. Eugen von Böhm-Bawerk und Friedrich von Wieser hatten ihr Studium schon abgeschlossen, als die "Grundsätze" erschienen. Sobald sie selbst zu publizieren begannen, Böhm über Kapital und Zinsen, Wieser über Werttheorien und Spekulation, bewegten sie sich auf Mengers Spuren. Während Wieser über Jahrzehnte in Wien lehrte, begann Böhm eine erfolgreiche Karriere im Finanzministerium und kehrte später an die Universität zurück. Er publizierte weiter, etwa zur Rolle der Zeit in Entscheidungen - und er erfand die österreichischste aller Institutionen, das "Privatseminar", zu dem er in sein Büro Professoren, Beamte und Publizisten, aber auch wissenschaftlichen Nachwuchs einlud. Diese Novizen wiederum ergänzten später das Spektrum der Schule um ihren je eigenen Gegenstand.

So wurden in den letzten Jahren der Monarchie die Stars der nächsten Generation in das Privatseminar aufgenommen: Ludwig von Mises und Joseph Schumpeter. Und obwohl Schumpeter bald eigene Wege ging, genossen beide weiterhin Böhms und Wiesers Protektion. Dass sie zu Debatten der Zeit Stellung nahmen (Schumpeter mit "Krise des Steuerstaates" und Mises etwa mit "Gemeinwirtschaft", dem Auslöser der Debatte über die Unmöglichkeit sozialistischer Kalkulation), missbilligt Wasserman als politische Parteinahme - als ob politische Ökonomie von politischen Folgerungen zu trennen sei. Während Schumpeter sich auf den Weg nach Harvard machte, wurde Mises zum Wiener Statthalter. Er gründete das Institut für Konjunkturforschung und übernahm Böhms Rolle als Gastgeber des Privatseminars und als Mentor der fünf, die im Winter 1918/19 ihr Studium begonnen hatten: Friedrich von Hayek, Herbert von Furth, Gottfried von Haberler, Fritz Machlup und Oskar Morgenstern. Sie verpflanzten später die Schule in die angelsächsische Welt, doch zunächst versammelte man sich jeden Freitagabend in Mises' Büro zum Privatseminar.

Mit Hayeks Wechsel nach London 1931 begann der Exodus, der schließlich damit endete, dass auch Mises 1935 Wien verließ. Die Jüngeren fanden Zuflucht in Harvard und Princeton von wo Haberler und Machlup später die Handels- und Währungstheorie und die entstehenden internationalen Organisationen wie die Weltbank oder den WTO-Vorläufer GATT beeinflussten. Morgenstern entwickelte in Princeton eine österreichisch eingefärbte Spieltheorie. Dabei half es, dass Hayek von London aus mit seiner Kritik an Keynes und durch seine Hausmarke, das Thema des Wissens und seiner sozialen Verwertung, in der englischsprachigen Welt Vorarbeit geleistet hatte.

Mises, der an der New York University keine dauerhafte Anstellung fand, tat sich schwerer, bis sein Buch "Human Action" im Erscheinungsjahr 1949 gleich drei Neuauflagen erlebte. Das Buch verschaffte ihm noch einmal Anerkennung. Das führte, wie im Falle von Israel Kirzner, zu einer amerikanischen Generation von "Österreichern", ließ aber auch um das Ludwig-von-Mises-Institut herum eine radikal-libertäre Gruppe entstehen. Insgesamt war die Österreichische Schule in der Neuen Welt angekommen und der Nobelpreis für Hayek bestätigte 1974, dass sie, obwohl nicht Mainstream, doch international etabliert war. Die österreichische Neigung zur Zirkel-Bildung führte außerdem zur Zusammenarbeit mit vielen Stiftungen und zur internationalen Mont Pèlerin Society als einem überdimensionierten "Privatseminar" mit mehreren hundert Mitgliedern.

Wassermans Buch löst zwar die vollmundigen Ankündigungen (einer Wissenssoziologie) nicht ein, bietet aber eine verlässliche Geschichte der Österreichischen Schule. Offenbar fürchtet der Verfasser, zu sehr in deren Nähe geraten zu sein, weshalb er, anspielend auf Hayeks berühmtes "Why I am not a Conservative", unter der Überschrift, warum er jedenfalls kein Hayekianer sei, schließlich diejenigen aufzählt, die er für solche hält, oder die sich als solche bezeichnen. Doch daraus lernt der Leser höchstens etwas über Wassermans Vorlieben. Österreichische Analysen von den politischen Folgerungen zu trennen gelingt Wasserman nicht. Der Leser kann dessen kundige Darstellung dennoch nutzen und Wassermans politische Einstellung dabei getrost ignorieren.

MICHAEL ZÖLLER

Janek Wasserman: The Marginal Revolutionaries. How Austrian Economists Fought the War of Ideas. Yale University Press, New Haven, 2019, 353 Seiten. 25 Euro.

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