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Produktdetails
  • Verlag: Audiogo
  • Gesamtlaufzeit: 624 Min.
  • Erscheinungstermin: 1. August 2013
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-13: 9781620649329
  • Artikelnr.: 39346602
Autorenporträt
Monique Truong
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2004

In Frankreich sind die Franzosen in Ordnung
Wohltaten einer emotionalen Bildung: Monique Truongs geistreicher Roman über ein internationales Dreiecksverhältnis

Da Deutschland seine Kolonien früh verloren hat, ist es heute zwar von den Folgen des Kolonialismus entlastet, andererseits aber auch unberührt von jener Literatur und jenen Theorien des Postkolonialismus, die seit Jahren die kulturellen Debatten in der angelsächsischen Welt bestimmen. Darin geht es weniger um den historischen Rückblick auf die Schuld als vielmehr um die labile Identität, unter der die ehemaligen Bewohner der Kolonien als Befreite - entweder in den einst unterdrückten Ländern oder aber als Emigranten in den Ländern ihrer einstigen Unterdrücker - zu leiden haben. Nicht mehr kolonisiert und doch noch nicht ganz frei, nicht mehr in der heimischen Tradition verwurzelt, aber auch noch nicht im aufgeklärten Westen heimisch: von diesem Zustand zwischen den Welten handeln etwa V. S. Naipauls Romane oder Homi K. Bhabas Abhandlung über "Die Verortung der Kultur".

Nach Deutschland kommen diese Berichte, Kontroversen und Fiktionen, die in den Vereinigten Staaten die Öffentlichkeit und die Universitäten beschäftigen, nur in Übersetzungen. So gelangt auch Monique Truongs Roman "Das Buch vom Salz" spät erst in einer Übersetzung hier in die Buchhandlungen, nachdem es schon in sieben Sprachen erschienen und mit vielen Preisen prämiert worden ist.

Nur einen einzigen zerdehnten Augenblick umspannt die Erzählung von Binh, dem Vietnamesen, der fünf Jahre lang Koch bei Gertrude Stein und Alice B. Toklas gewesen war. Der Roman beginnt in dem Augeblick, da ein Foto entsteht von "Madame und Madame", wie der Koch seine beiden Damen gerne nennt. Auf Knien liegt er vor ihnen, um Gertrude Stein einen von ihrem Schuh abgegangenen Knopf wieder anzunähen. Die Fotografen umschwärmen die Damen, die im Begriff sind, von einem Pariser Bahnhof aus ans Meer zu fahren, um sich von dort in die Heimat, nach Amerika, einzuschiffen. Monique Truongs Erstlingswerk endet damit, daß dieselben Personen noch immer am selben Ort auf demselben Foto zu sehen sind, das der Koch betrachtet.

Die Bedeutung dieses Bildes legt der Roman Schritt für Schritt aus, indem er den Bewußtseinsstrom des klugen Kochs notiert. In den drei Personen ebenso wie in der Wahl der drei Orte, die auf dem Foto - wirklich oder im Wunschtraum der Figuren - gegenwärtig sind, enthüllt es und damit der Roman selbst eine Art internationales Dreiecksverhältnis: das zwischen der Alten Welt, wo Gertrude Stein mit ihrer Freundin lange lebte, der Neuen Welt, wohin sie zurückkehrt, und den Kolonien, aus denen der Koch kommt.

Von Paris, dem intellektuellen Zentrum der europäischen Aufklärung, aus brechen die amerikanischen Damen in ihre Heimat auf. Eine "Heimat" aber, in die auch der Koch zurückkehren wollte, kann es für den Flüchtling aus dem französischen Indochina gar nicht geben. Ein Mutterland hat er ohnehin nie gehabt, denn Frauen genießen in seiner Heimat so wenig Respekt, daß sie wie nicht vorhanden zu sein scheinen. Die Erinnerung an das Vaterland hingegen ist eine unauslöschliche Bedrohung für ihn. Immer wieder taucht der Vater als böser Gott auf, der die glücklichen Minuten in der europäischen Freiheit überschattet.

Der Koch bewundert die Emanzipiertheit der einander erotisch zugeneigten "Mesdames", er ahnt die Wohltaten einer emotionalen Bildung, in der es mehr gibt als Kastengeist, Familiensinn und Fortpflanzung der patriarchalischen Herrschaft. Dennoch macht ihm das Foto, wenn er es am Schluß des Romans noch einmal betrachtet, seine entwürdigende Position bewußt. Nicht viel anders sieht er sich da behandelt als jene Hündchen, die die Damen stets bei sich führten und die sie nun ohne Skrupel in Europa zurücklassen: Er ist ein Wesen ohne Seele, das man wegwerfen darf. Mit einem letzten Blick auf das Foto rettet er ein Restchen Selbstbewußtsein und stellt sich dennoch unbewußt mit den beiden Hunden auf eine Ebene: "Glauben Sie mir, so naiv wie Basket und Pépé war ich nie. Ich hatte schon sehr früh begriffen, daß ich, ebenso wie die beiden, Amerika nie zu Gesicht bekommen würde."

Zu Unrecht fürchtet man, daß die romanhafte Darstellung Gertrude Steins für ein erneutes feministisches Bekenntnis zur wilden Freiheit dieser Dichterin genutzt würde. Vielmehr erscheint diese bei Monique Truong als Allegorie der guten Seiten der westlichen Kultur. Die Vorzüge dieser Kultur jedoch werden selbst noch in der Gegenwart immer nur für Augenblicke sichtbar. Ein namenloser Franzose fällt schließlich das Urteil über die ehemalige Kolonialmacht: ",In Frankreich sind die Franzosen in Ordnung.' Er meine damit, erklärte er, daß die Franzosen in ihren Kolonien ihre natürliche Neigung zu Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit verloren hätten."

Monique Truong ist in Saigon geboren und in den Vereinigten Staaten aufgewachsen. Die Folklore des Herkunftslandes verschafft ihrem Buch erst den sinnlichen Reiz. Die hier zum Plot geraffte Auseinandersetzung der Kulturen findet nicht als steifes allegorisches Figurentheater statt. Vielmehr hat der Leser einer Brandung von exotischen Details standzuhalten, die vielfältigen Nährstoff für seine Sinne anschwemmt. Gerade die Wahrnehmungsorgane bemerken den Unterschied kultureller Prägungen am schärfsten. Die Farbe Rot etwa assoziiert der Koch mit der Erinnerung an Wärme, Mutter, Leben; dem Europäer dagegen erscheint sie eher als Warnruf vor Gefahr und Verletzung. Das Gelb von Bananenschalen, auf Buchrücken vielleicht oder in Reklamen, erscheint dem Europäer als leuchtendes Gesundheitsglück, dem Vietnamesen hingegen als ein agrikultureller Mißgriff, bei dem eine unreife Frucht gepflückt worden war, noch ehe sie ihre sommersprossige Fülle erreicht hatte. Die Nase als der wichtige Spurensucher des Geschmacks ist der eigentliche Kompaß auf dem unsicheren Weg des Kochs zwischen den Kulturen, ohne daß die modische Vorliebe für Kochbücher und Kochromane strapaziert würde: "Jede Küche ist eine vertraute Geschichte, die ich mit Safran, Kardamom, Lorbeer und Lavendel ausschmücken kann."

In der Buntheit von Truongs Erzählung fehlt die graue Folie der Theorie des Postkolonialismus nicht, doch ist sie so dicht übermalt, daß sie, als sei sie selbst ein Stück Kolorit, nur hie und da hervorlugt. Nicht nur die für ein Buch aus dem Land der Colonial Studies geläufige Kulturtheorie verkleidet sich ins Kostüm buntscheckiger Assoziationen, auch Definitionen, wie etwa die der Poesie der Gertrude Stein, kommen daher wie nichtsnutzige Farbkleckse: "Gertrude Stein würde niemals weit für ihre Geschichten zu reisen haben. Diese stöbern vielmehr sie auf und bitten sie darum, erzählt zu werden."

Auch Monique Truong haben die Erinnerungen aufgestöbert, um erzählt zu werden - und Dichtern wie ihr, die vor dem Ansturm ihrer Phantasie schier fliehen müssen, folgt der Leser am liebsten.

Monique Truong: "Das Buch vom Salz". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Barbara Rojahn-Deyk. C. H. Beck Verlag, München 2004. 335 S., geb., 19,90 [Euro].

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It is beautifully written, a cooking up of love and self to feed the devouring appetites of Gerturde Stein and Alice B. Toklas that is nothing less than a masterpiece of delicate and -naturally- existentialist hedonism. Andro Linklater The Spectator