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Delphine de Vigan
Audio-CD
Nach einer wahren Geschichte
Lesung. 577 Min.
Übersetzung: Heinemann, Doris;Gesprochen: Gedeck, Martina
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Ein raffiniert literarisches Spiel mit Fiktion, Wirklichkeit und IdentitätDelphine ist eine gefeierte Schriftstellerin, doch der Erfolg ihres letzten, überaus erfolgreichen Romans stürzt sie in eine Schaffenskrise. Da lernt sie scheinbar zufällig eine Frau kennen, die sie fasziniert: L. Völlig selbstlos nimmt L. ihr Erledigungen und Pflichten ab - und einen immer größeren Teil ihres Lebens ein. Als Delphine entdeckt, dass L. sogar ihre intimsten Notizen liest, spitzt sich die Situation zu: Ist Delphine paranoid oder liegt der wahre Stoff für ihren nächsten, großen Roman direkt vor ih...
Ein raffiniert literarisches Spiel mit Fiktion, Wirklichkeit und Identität
Delphine ist eine gefeierte Schriftstellerin, doch der Erfolg ihres letzten, überaus erfolgreichen Romans stürzt sie in eine Schaffenskrise. Da lernt sie scheinbar zufällig eine Frau kennen, die sie fasziniert: L. Völlig selbstlos nimmt L. ihr Erledigungen und Pflichten ab - und einen immer größeren Teil ihres Lebens ein. Als Delphine entdeckt, dass L. sogar ihre intimsten Notizen liest, spitzt sich die Situation zu: Ist Delphine paranoid oder liegt der wahre Stoff für ihren nächsten, großen Roman direkt vor ihren Augen?
Martina Gedeck leiht de Vigans preisgekröntem Meisterwerk ihre unverwechselbare Stimme.
(8 CDs, Laufzeit: 9h 37)
Delphine ist eine gefeierte Schriftstellerin, doch der Erfolg ihres letzten, überaus erfolgreichen Romans stürzt sie in eine Schaffenskrise. Da lernt sie scheinbar zufällig eine Frau kennen, die sie fasziniert: L. Völlig selbstlos nimmt L. ihr Erledigungen und Pflichten ab - und einen immer größeren Teil ihres Lebens ein. Als Delphine entdeckt, dass L. sogar ihre intimsten Notizen liest, spitzt sich die Situation zu: Ist Delphine paranoid oder liegt der wahre Stoff für ihren nächsten, großen Roman direkt vor ihren Augen?
Martina Gedeck leiht de Vigans preisgekröntem Meisterwerk ihre unverwechselbare Stimme.
(8 CDs, Laufzeit: 9h 37)
Vigan, Delphine de
Delphine de Vigan, geboren 1966, erreichte ihren endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin mit dem Roman No & ich (2007), für den sie mit dem Prix des libraires und dem Prix Rotary International 2008 ausgezeichnet wurde. Das Lächeln meiner Mutter (2010) führte wochenlang die französische Bestsellerliste an und stand auf der Shortlist des Prix Goncourt. Der Roman stieß in Frankreich auf eine ungeahnte Resonanz. Ihr neuester Roman Nach einer wahren Geschichte steht derzeit auf Platz 1 der Bestsellerliste in Frankreich und erhielt 2015 den Prix Renaudot. Die Autorin lebt mit ihren Kindern in Paris.
Gedeck, Martina
Martina Gedeck, geboren in München, gab ihr Theaterdebüt am Frankfurter Theater am Turm, es folgten Engagements in Hamburg, Basel und Berlin. Gleichzeitig begann ihre vielfach prämierte Karriere als Filmschauspielerin (u. a. Adolf-Grimme-Preis). Auch als Hörbuchsprecherin hat sie viele Fans. Für Random House Audio hat sie zuletzt Angelika Jodls Roman Die Grammatik der Rennpferde eingelesen.
Delphine de Vigan, geboren 1966, erreichte ihren endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin mit dem Roman No & ich (2007), für den sie mit dem Prix des libraires und dem Prix Rotary International 2008 ausgezeichnet wurde. Das Lächeln meiner Mutter (2010) führte wochenlang die französische Bestsellerliste an und stand auf der Shortlist des Prix Goncourt. Der Roman stieß in Frankreich auf eine ungeahnte Resonanz. Ihr neuester Roman Nach einer wahren Geschichte steht derzeit auf Platz 1 der Bestsellerliste in Frankreich und erhielt 2015 den Prix Renaudot. Die Autorin lebt mit ihren Kindern in Paris.
Gedeck, Martina
Martina Gedeck, geboren in München, gab ihr Theaterdebüt am Frankfurter Theater am Turm, es folgten Engagements in Hamburg, Basel und Berlin. Gleichzeitig begann ihre vielfach prämierte Karriere als Filmschauspielerin (u. a. Adolf-Grimme-Preis). Auch als Hörbuchsprecherin hat sie viele Fans. Für Random House Audio hat sie zuletzt Angelika Jodls Roman Die Grammatik der Rennpferde eingelesen.
Produktdetails
- Verlag: Random House Audio
- Anzahl: 8 Audio CDs
- Gesamtlaufzeit: 577 Min.
- Erscheinungstermin: 19. August 2016
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783837136418
- Artikelnr.: 44883296
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
© BÜCHERmagazin, Ann-Kathrin Maar (akm)
Täuschen Sie sich da mal nicht!
Delphine de Vigan wurde mit "Das Lächeln meiner Mutter" berühmt. Ihr neuer Roman kommt wie eine Autobiographie daher. Aber sollte man ihr glauben? Eine Begegnung in Paris
Der Erfolg eines Buchs ist ein Unfall, aus dem man nicht unversehrt hervorgeht. Er ist, sagt Delphine eines nachts, ganz beiläufig, zwischen zwei Gläsern Wodka und einer Runde auf der Tanzfläche, ein heftiges, brutales Ereignis, wie ein Zusammenprall, der noch lange nachhallt. Sie schiebt sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht: Der Erfolg eines Buchs ist eine unsichtbare Wunde, die sich langsam durch den Körper frisst, bis sie ihn schließlich lahmlegt. Delphine, die Protagonistin und Erzählerin in Delphine de
Delphine de Vigan wurde mit "Das Lächeln meiner Mutter" berühmt. Ihr neuer Roman kommt wie eine Autobiographie daher. Aber sollte man ihr glauben? Eine Begegnung in Paris
Der Erfolg eines Buchs ist ein Unfall, aus dem man nicht unversehrt hervorgeht. Er ist, sagt Delphine eines nachts, ganz beiläufig, zwischen zwei Gläsern Wodka und einer Runde auf der Tanzfläche, ein heftiges, brutales Ereignis, wie ein Zusammenprall, der noch lange nachhallt. Sie schiebt sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht: Der Erfolg eines Buchs ist eine unsichtbare Wunde, die sich langsam durch den Körper frisst, bis sie ihn schließlich lahmlegt. Delphine, die Protagonistin und Erzählerin in Delphine de
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Vigans neuem Roman "Nach einer wahren Geschichte", weiß, wovon sie spricht. Sie selbst hat gerade "aus Versehen" einen Bestseller geschrieben. Sie hat den Unfall er- und überlebt und versucht jetzt, die aufgesprengten Teile ihres selbst wieder zusammenzukleben, nur gelingt ihr das nicht so richtig. Sie fühlt sich bedrängt, beobachtet, überfordert, sie fühlt sich schuldig: War es richtig, die Geschichte ihrer Familie aufzuschreiben? Hatte sie das Recht dazu? Oder ist sie vielleicht doch die Betrügerin, als die sie die anonymen Briefe, die sie seit der Veröffentlichung erhält, bezeichnen?
Auf die wiederkehrende Frage nach dem "Danach", "Was schreibt man nach so einem Buch? Schreibt man überhaupt noch etwas?", findet die Schriftstellerin keine Antwort.
Delphine steckt fest. Delphine ist schutzlos. Delphine weiß nicht, wohin mit sich und ihren Zweifeln. Und dann lernt Delphine an jenem Abend, an dem viel Wodka getrunken wird, eine gewisse L. kennen. L. oder phonetisch "elle", sie, also die Andere, ist eine Frau, wie Delphine sie gerne wäre: selbstbewusst, beherrscht, stark, immer perfekt - perfekt geschminkt, perfekt gekleidet, perfekt frisiert. Sie ist faszinierend, sie versteht sie, sie ist für sie da. Dass L. auch manipulativ und vollkommen wahnsinnig ist, fällt Delphine erst auf, als die mysteriöse Unbekannte längst das Steuer ihres Lebens übernommen hat. L. ist eine ripleysche Figur, ein böswilliger Doppelgänger.
Ohne zu viel verraten zu wollen: Es wird bedrückend. Sogar sehr. Nicht nur weil es immer bedrückend ist, dabei zuzusehen, wie eine Person Macht über eine andere gewinnt, sondern weil man als Leser irgendwann das Gefühl hat, nicht mehr zu wissen, was real ist und was erfunden, wer hier eigentlich wer ist und was das alles soll.
Mit ihrem neuen Roman wagt die französische Bestsellerautorin Delphine de Vigan, die man in Frankreich bis zum Erfolg von "Das Lächeln meiner Mutter" eher für freundliche Sozialgeschichten kannte, zum ersten Mal, wirklich mit ihren Lesern zu spielen. Es ist, als habe sie endlich den Rat befolgt, den eine Figur in ihrem allerersten, 2001 unter Pseudonym geschriebenen autobiographischen Roman "Jours sans faim" (es geht um Anorexie, leider nicht übersetzt), gibt: "Hör doch endlich einmal auf, das gute Mädchen sein zu wollen!" Delphine de Vigan, so scheint es, will nicht mehr brav sein, sie hat beschlossen, uns zu täuschen. Und sie kann das verdammt gut.
Am Anfang scheint noch alles klar: Diese leicht verwirrte Frau, diese Delphine, ist natürlich Delphine de Vigan selbst. Sie trägt ihren Namen, ist in ihrem Alter (Ende vierzig), hat zwei Kinder, lebt im 11. Arrondissement von Paris und sieht aus wie sie (blond, strubbelig, groß, immer in Jeans, Pulli und Stiefeletten). So wie die reale Schriftstellerin ist auch die Delphine des Buchs mit einem gewissen "François" liiert (de Vigan ist seit Jahren mit dem Literaturkritiker und Fernsehmoderator François Busnel zusammen) und hat mit ihrem siebten Buch, dem zweiten autobiographischen, einen phänomenalen Erfolg erlebt. Es passt alles herrlich zusammen, man geht davon aus, de Vigan sei eben endgültig auf den Geschmack des Über-sich-selbst-Schreibens gekommen und erzähle uns jetzt die Zeit nach dem Bestseller, die inneren Kämpfe, die Einsamkeit, den Erwartungsdruck, die Angst, den drohenden Fall und so weiter. Man stellt das erst mal gar nicht in Frage.
Man will mehr hören von dieser Frau, die die Geschichte ihrer bipolaren Mutter vor vier Jahren in "Das Lächeln meiner Mutter" so liebevoll und schonungslos erzählte, dass ihr fast eine Millionen Leser weltweit folgten. Man will ihr einfach glauben, will wissen, wie sie mit den Wunden, nicht des Erfolgs, sondern ihrer Lebensgeschichte, weiterlebt, und ignoriert deshalb die eigenen Zweifel. Denn die gibt es von Anfang an: Warum lässt eine Frau wie Delphine eine Frau wie L. so einfach und so total in ihr Leben eindringen? Warum geht ihr dieses Ich-verstehe-dich-ich-will-deine-Freundin-sein-Getue nicht auf die Nerven? Wie kann sie es zulassen, dass eine Wildfremde ihr erklärt, was sie nun zu schreiben habe, nämlich auf jeden Fall etwas "Wahres"? Weshalb haben die Ghostwriterin L. und sie keine gemeinsamen Bekannten, wo das Pariser Literaturmilieu doch so klein ist wie eine Walnussschale? Wie kann es sein, dass nie jemand L. begegnet? Kann die Angst vor dem Schreiben wirklich so groß sein, dass man sich nicht einmal mehr in der Nähe seines Computers aufhalten kann, ohne sich zu übergeben? All das macht im Laufe des Buchs immer weniger Sinn, bis es zum Schluss wirkt, als würde de Vigan für die ganz Hartnäckigen mit einem "Achtung! Fiktion!"-Schild über die Seiten laufen.
"Täuschen Sie sich da mal nicht", sagt sie, als sie mir an einem verregneten Nachmittag in einem Café am Square Gardette in Paris gegenübersitzt. "Ich habe mehrmals Leser getroffen, die davon überzeugt waren, das sei alles von Anfang bis Ende wahr, alles genau so passiert. Eine Frau meinte: Ein bisschen übertrieben haben Sie aber schon, oder? Sie wollte lieber glauben, ich sei Mythomanin als Romancière."
Delphine de Vigan ist groß, hat blondes, leicht krauses Haar, trägt ein kariertes Hemd, Jeans und Stiefeletten. Sie sieht genauso aus wie die Figur ihres Romans und wirkt ebenso, wenn auch beherrschter, fragil. Selbst jetzt, wo klar ist, dieses Buch ist ein Roman im klassischen Sinn, bleibt ein winziger Zweifel. Was davon ist wirklich passiert? Schulterzucken, Lächeln. Konnte sie wirklich nicht mehr schreiben? "Sagen wir so: Ich denke bei jedem Buch: Vielleicht ist dieses das letzte." Und gibt es diese L. wirklich? "Ja, natürlich . . . In der ein oder anderen Form." Also ist sie ihr selbstzerstörerisches Alter Ego, der böse Geist, der ihr zuflüstert, sie sei ein lächerliches Nichts? "Hm, vielleicht. Wie Sie wissen, heißt meine Figur, also das magersüchtige Mädchen in ,Jours sans faim', Laura. L. / Laura . . . Wer weiß?" Mehr wird de Vigan dazu nicht sagen. Sie freut sich zu sehr darüber, die Leute dermaßen zu verwirren, die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion so gekonnt zu verwischen. Es macht ihr eindeutig Spaß.
Die Frage nach der Wahrheit ist natürlich das zentrale Thema des Buchs und wird permanent besprochen: L. und Delphine diskutieren beziehungsweise streiten seitenweise über die Wahrheit in der Literatur, die neue Lust der Leser an "wahren Geschichten" und den Einfluss von Social Media und Reality TV. L. meint, das Wahre sei das einzig Wahre, Delphine glaubt an die Fiktion. De Vigan offensichtlich auch, wobei die starke Präsenz des vorherigen Buchs in diesem keine reine Erfindung ist.
Nach dem für sie überraschenden Erfolg von "Das Lächeln meiner Mutter" hat sich die Frage nach der Wahrheit zwangsläufig gestellt - schon allein, weil sie tatsächlich Drohbriefe erhalten hat: Ein sich aus der Geschichte ausgeschlossen fühlendes Familienmitglied fand, sie würde lügen, alles falsch darstellen. "Natürlich ist es nur meine Wahrheit. Hätte sie ein anderer meiner Familie aufgeschrieben wäre es eine andere Geschichte geworden. Das ist ja klar. Ich glaube, jede Erzählung, selbst wenn sie autobiographisch ist, bleibt eine Form von Fiktion und umgekehrt. Das gilt auch für das Buch über meine Mutter."
Was beide Romane (auch "Das Lächeln meiner Mutter" ist als Roman gekennzeichnet), abgesehen von der potentiell gleichen Erzählerin, verbindet, ist das gebrochene Verhältnis zur Realität. Die Delphine des aktuellen Buchs scheint den Zugang dazu immer mehr zu verlieren, sie entgleitet ihr, so wie sie Lucile, de Vigans manisch-depressiver Mutter, mehrmals entglitten ist. Der Autorin selbst geht es da nicht viel anders: "Ich habe selbst ein sehr komplexes Verhältnis zur Wirklichkeit. Die Krankheit meiner Mutter war ein solcher Bruch, ein solcher Einschnitt in unser bisheriges Leben, eine 360-Grad-Drehung, dass danach nichts mehr ganz eindeutig war. Ich denke, ich habe deshalb angefangen zu schreiben, um meine Wirklichkeit festzuhalten."
Mittlerweile fühlt sie sich in der Lage, damit zu spielen, und wird dafür belohnt: Mit "Nach einer wahren Geschichte", ihrem achten Roman, hatte die ehemalige Meinungsforscherin als Schriftstellerin ihren endgültigen Durchbruch. Im vergangenen Herbst war sie in der ersten Runde des Prix Goncourt nominiert und wurde mit dem prestigereichen Prix Renaudot und dem Goncourt des Lycéens ausgezeichnet. Für die Verfilmung haben sich Roman Polanski und Olivier Assayas schon im Frühling gemeldet, Ende des Jahres sollen die Dreharbeiten beendet sein. Es läuft also weiterhin sehr gut für Delphine de Vigan. Wie übersteht sie diesen erneuten Unfall?
Ganz okay, sie schaut dem nächsten schon lächelnd entgegen.
ANNABELLE HIRSCH
Delphine de Vigan: "Nach einer wahren Geschichte". Roman. Aus dem Französischen von Doris Heinemann. Dumont-Verlag, 350 Seiten, 23 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auf die wiederkehrende Frage nach dem "Danach", "Was schreibt man nach so einem Buch? Schreibt man überhaupt noch etwas?", findet die Schriftstellerin keine Antwort.
Delphine steckt fest. Delphine ist schutzlos. Delphine weiß nicht, wohin mit sich und ihren Zweifeln. Und dann lernt Delphine an jenem Abend, an dem viel Wodka getrunken wird, eine gewisse L. kennen. L. oder phonetisch "elle", sie, also die Andere, ist eine Frau, wie Delphine sie gerne wäre: selbstbewusst, beherrscht, stark, immer perfekt - perfekt geschminkt, perfekt gekleidet, perfekt frisiert. Sie ist faszinierend, sie versteht sie, sie ist für sie da. Dass L. auch manipulativ und vollkommen wahnsinnig ist, fällt Delphine erst auf, als die mysteriöse Unbekannte längst das Steuer ihres Lebens übernommen hat. L. ist eine ripleysche Figur, ein böswilliger Doppelgänger.
Ohne zu viel verraten zu wollen: Es wird bedrückend. Sogar sehr. Nicht nur weil es immer bedrückend ist, dabei zuzusehen, wie eine Person Macht über eine andere gewinnt, sondern weil man als Leser irgendwann das Gefühl hat, nicht mehr zu wissen, was real ist und was erfunden, wer hier eigentlich wer ist und was das alles soll.
Mit ihrem neuen Roman wagt die französische Bestsellerautorin Delphine de Vigan, die man in Frankreich bis zum Erfolg von "Das Lächeln meiner Mutter" eher für freundliche Sozialgeschichten kannte, zum ersten Mal, wirklich mit ihren Lesern zu spielen. Es ist, als habe sie endlich den Rat befolgt, den eine Figur in ihrem allerersten, 2001 unter Pseudonym geschriebenen autobiographischen Roman "Jours sans faim" (es geht um Anorexie, leider nicht übersetzt), gibt: "Hör doch endlich einmal auf, das gute Mädchen sein zu wollen!" Delphine de Vigan, so scheint es, will nicht mehr brav sein, sie hat beschlossen, uns zu täuschen. Und sie kann das verdammt gut.
Am Anfang scheint noch alles klar: Diese leicht verwirrte Frau, diese Delphine, ist natürlich Delphine de Vigan selbst. Sie trägt ihren Namen, ist in ihrem Alter (Ende vierzig), hat zwei Kinder, lebt im 11. Arrondissement von Paris und sieht aus wie sie (blond, strubbelig, groß, immer in Jeans, Pulli und Stiefeletten). So wie die reale Schriftstellerin ist auch die Delphine des Buchs mit einem gewissen "François" liiert (de Vigan ist seit Jahren mit dem Literaturkritiker und Fernsehmoderator François Busnel zusammen) und hat mit ihrem siebten Buch, dem zweiten autobiographischen, einen phänomenalen Erfolg erlebt. Es passt alles herrlich zusammen, man geht davon aus, de Vigan sei eben endgültig auf den Geschmack des Über-sich-selbst-Schreibens gekommen und erzähle uns jetzt die Zeit nach dem Bestseller, die inneren Kämpfe, die Einsamkeit, den Erwartungsdruck, die Angst, den drohenden Fall und so weiter. Man stellt das erst mal gar nicht in Frage.
Man will mehr hören von dieser Frau, die die Geschichte ihrer bipolaren Mutter vor vier Jahren in "Das Lächeln meiner Mutter" so liebevoll und schonungslos erzählte, dass ihr fast eine Millionen Leser weltweit folgten. Man will ihr einfach glauben, will wissen, wie sie mit den Wunden, nicht des Erfolgs, sondern ihrer Lebensgeschichte, weiterlebt, und ignoriert deshalb die eigenen Zweifel. Denn die gibt es von Anfang an: Warum lässt eine Frau wie Delphine eine Frau wie L. so einfach und so total in ihr Leben eindringen? Warum geht ihr dieses Ich-verstehe-dich-ich-will-deine-Freundin-sein-Getue nicht auf die Nerven? Wie kann sie es zulassen, dass eine Wildfremde ihr erklärt, was sie nun zu schreiben habe, nämlich auf jeden Fall etwas "Wahres"? Weshalb haben die Ghostwriterin L. und sie keine gemeinsamen Bekannten, wo das Pariser Literaturmilieu doch so klein ist wie eine Walnussschale? Wie kann es sein, dass nie jemand L. begegnet? Kann die Angst vor dem Schreiben wirklich so groß sein, dass man sich nicht einmal mehr in der Nähe seines Computers aufhalten kann, ohne sich zu übergeben? All das macht im Laufe des Buchs immer weniger Sinn, bis es zum Schluss wirkt, als würde de Vigan für die ganz Hartnäckigen mit einem "Achtung! Fiktion!"-Schild über die Seiten laufen.
"Täuschen Sie sich da mal nicht", sagt sie, als sie mir an einem verregneten Nachmittag in einem Café am Square Gardette in Paris gegenübersitzt. "Ich habe mehrmals Leser getroffen, die davon überzeugt waren, das sei alles von Anfang bis Ende wahr, alles genau so passiert. Eine Frau meinte: Ein bisschen übertrieben haben Sie aber schon, oder? Sie wollte lieber glauben, ich sei Mythomanin als Romancière."
Delphine de Vigan ist groß, hat blondes, leicht krauses Haar, trägt ein kariertes Hemd, Jeans und Stiefeletten. Sie sieht genauso aus wie die Figur ihres Romans und wirkt ebenso, wenn auch beherrschter, fragil. Selbst jetzt, wo klar ist, dieses Buch ist ein Roman im klassischen Sinn, bleibt ein winziger Zweifel. Was davon ist wirklich passiert? Schulterzucken, Lächeln. Konnte sie wirklich nicht mehr schreiben? "Sagen wir so: Ich denke bei jedem Buch: Vielleicht ist dieses das letzte." Und gibt es diese L. wirklich? "Ja, natürlich . . . In der ein oder anderen Form." Also ist sie ihr selbstzerstörerisches Alter Ego, der böse Geist, der ihr zuflüstert, sie sei ein lächerliches Nichts? "Hm, vielleicht. Wie Sie wissen, heißt meine Figur, also das magersüchtige Mädchen in ,Jours sans faim', Laura. L. / Laura . . . Wer weiß?" Mehr wird de Vigan dazu nicht sagen. Sie freut sich zu sehr darüber, die Leute dermaßen zu verwirren, die Grenzen zwischen Wahrheit und Fiktion so gekonnt zu verwischen. Es macht ihr eindeutig Spaß.
Die Frage nach der Wahrheit ist natürlich das zentrale Thema des Buchs und wird permanent besprochen: L. und Delphine diskutieren beziehungsweise streiten seitenweise über die Wahrheit in der Literatur, die neue Lust der Leser an "wahren Geschichten" und den Einfluss von Social Media und Reality TV. L. meint, das Wahre sei das einzig Wahre, Delphine glaubt an die Fiktion. De Vigan offensichtlich auch, wobei die starke Präsenz des vorherigen Buchs in diesem keine reine Erfindung ist.
Nach dem für sie überraschenden Erfolg von "Das Lächeln meiner Mutter" hat sich die Frage nach der Wahrheit zwangsläufig gestellt - schon allein, weil sie tatsächlich Drohbriefe erhalten hat: Ein sich aus der Geschichte ausgeschlossen fühlendes Familienmitglied fand, sie würde lügen, alles falsch darstellen. "Natürlich ist es nur meine Wahrheit. Hätte sie ein anderer meiner Familie aufgeschrieben wäre es eine andere Geschichte geworden. Das ist ja klar. Ich glaube, jede Erzählung, selbst wenn sie autobiographisch ist, bleibt eine Form von Fiktion und umgekehrt. Das gilt auch für das Buch über meine Mutter."
Was beide Romane (auch "Das Lächeln meiner Mutter" ist als Roman gekennzeichnet), abgesehen von der potentiell gleichen Erzählerin, verbindet, ist das gebrochene Verhältnis zur Realität. Die Delphine des aktuellen Buchs scheint den Zugang dazu immer mehr zu verlieren, sie entgleitet ihr, so wie sie Lucile, de Vigans manisch-depressiver Mutter, mehrmals entglitten ist. Der Autorin selbst geht es da nicht viel anders: "Ich habe selbst ein sehr komplexes Verhältnis zur Wirklichkeit. Die Krankheit meiner Mutter war ein solcher Bruch, ein solcher Einschnitt in unser bisheriges Leben, eine 360-Grad-Drehung, dass danach nichts mehr ganz eindeutig war. Ich denke, ich habe deshalb angefangen zu schreiben, um meine Wirklichkeit festzuhalten."
Mittlerweile fühlt sie sich in der Lage, damit zu spielen, und wird dafür belohnt: Mit "Nach einer wahren Geschichte", ihrem achten Roman, hatte die ehemalige Meinungsforscherin als Schriftstellerin ihren endgültigen Durchbruch. Im vergangenen Herbst war sie in der ersten Runde des Prix Goncourt nominiert und wurde mit dem prestigereichen Prix Renaudot und dem Goncourt des Lycéens ausgezeichnet. Für die Verfilmung haben sich Roman Polanski und Olivier Assayas schon im Frühling gemeldet, Ende des Jahres sollen die Dreharbeiten beendet sein. Es läuft also weiterhin sehr gut für Delphine de Vigan. Wie übersteht sie diesen erneuten Unfall?
Ganz okay, sie schaut dem nächsten schon lächelnd entgegen.
ANNABELLE HIRSCH
Delphine de Vigan: "Nach einer wahren Geschichte". Roman. Aus dem Französischen von Doris Heinemann. Dumont-Verlag, 350 Seiten, 23 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Zwei Frauen und ein Geheimnisvolles Spiel
nhaltsangabe:
Zwei Frauen lernen sich auf einer Party kennen. Die zurückhaltende
Delphine, die sich mit fremden Menschen meist sehr schwer tut, ist
sofort fasziniert von der klugen und eleganten L., die als Ghostwriter
arbeitet. Aus …
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Zwei Frauen und ein Geheimnisvolles Spiel
nhaltsangabe:
Zwei Frauen lernen sich auf einer Party kennen. Die zurückhaltende
Delphine, die sich mit fremden Menschen meist sehr schwer tut, ist
sofort fasziniert von der klugen und eleganten L., die als Ghostwriter
arbeitet. Aus gelegentlichen
Treffen werden regelmäßige, man erzählt einander das eigene Leben,
spricht über Familie und Freunde, vor allem über Freundinnen. Und
natürlich über Bücher und Filme, die man liebt und bewundert. Delphine
ist glücklich über die Gemeinsamkeiten und fühlt sich verstanden wie
schon lange nicht mehr. Ganz entgegen ihrer Gewohnheit gibt sie in einem
Gespräch über das Schreiben die Idee für ihr nächstes Buch preis. L.
reagiert enttäuscht: Wie nur könne Delphine ihre Zeit auf eine erfundene
Geschichte verschwenden? Eine Autorin ihres Formats müsse sich der
Wahrheit verschreiben. Delphine ist entsetzt. L.s leidenschaftlich
vorgetragene Forderung löst eine tiefe Verunsicherung in ihr aus. Bald
kann sie weder Papier noch Stift in die Hand nehmen. L. scheint völlig
unglücklich über das zu sein, was sie in der Freundin ausgelöst hat.
Selbstlos übernimmt sie die Beantwortung von E-Mails, das Absagen von
Lesungen und Interviews, das Vertrösten des Verlags, der auf einen neuen
Roman wartet. Und all das in Delphines Namen. Keiner weiß davon, keiner
kennt L., und so ist Delphine allein, als sie feststellt, dass L. ihr
immer ähnlicher wird …
Meine Meinung zum Buch und Autorin:
Die Autorin Delphine de Vigan, hat in ihrem außergewöhnlichen Roman Realität, Fiktion und Authentizität , meisterhaft und mit sehr großem Raffinesse mit einander verwoben. Sie gewährt einem tiefe Einblicke in das Seelenleben ihrer Protagonisten und deren Gedankenwelt. Sie kehrt deren innerste nach außen, Eine sehr geheimnisvolle Geschichte, skurril, fesselnd und spannend. Sie lässt einem oft im unklaren, was ist wahr und was ist Fiktiv und lässt einem grübeln. Kein Roman für zwischen durch, ein Buch das einem herausfordert und zum nachdenken anregt. Ihren Schreibstil empfand ich als Kraftvoll, wortgewaltig und klar, ihre Schilderungen. sind sehr bildhaft und real. Die Protagonisten wirken sehr lebendig und zum greifen nah. Ein sehr bemerkenswerter Roman , auf dessen Verfilmung ich mich schon freue. Er wird von niemanden anderen als Roman Polanski verfilmt und soll 2018 in die Kinos kommen.
Meinung zu Inhalt:
Man fühlt und spürt wie sich die Schriftstellerin Delphine sie ausgelaugt fühlt, überfordert von den Erwartungen die man an sie stellt, den Lesereisen und den Signierstunden. Sie kam mir ausgebrannt vor, einfach am Ende ihrer Kräfte. Schon als Kind war sie ein sensibelchen, mochte keinen Rummel um ihre Person, wollte nie im Mittelpunkt stehen, zog sich gerne in ihr Schneckenhaus zurück. Eigentlich wollte sie an diesem Abend nach der Lesung nur ihre Ruhe, aber sie geht doch zur Party ihrer Freundin und hier begegnet sie L. Delphine ist von dieser Frau fasziniert, verkörpert sie doch alles was sie sein möchte, elegant, selbstbewusst, eine Frau die es gewohnt ist die Führung zu übernehmen. Beide freunden sich an, verstehen sich auf den ersten Blick, ihre Freundschaft wächst und L. Scheint immer mehr Raum in Delphine Leben ein zunehmen. Als Delphine in eine Schreibblockade verfällt, kein Finger mehr rührt, schlüpft L. In Delphines Körper und Leben, übernimmt deren Rolle. Aber auch L. Hat ihre Probleme und aus Gesprächen der beiden erfahren wir mehr aus L. Leben. Das bringt Delphine auf die Idee ein Buch über L. Zu schreiben, sie zeichnet, alles auf Tonband auf. Zwischen den Zweien , fängt es dadurch an zu bröckeln, es passiert so einiges, L. Verschwindet und taucht wieder auf, keiner scheint sie zu kennen. Gibt es L. Wirklich oder ist sie nur die Imaginäre Freundin von Delphine? Aber die Zwei haben doch soviel unternommen, das muss man nach und nach herausfinden, jedenfalls ist es sehr spannend.
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