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Auf diese Erzählungen ließe sich anwenden, was Richard Eder in der 'Los Angeles Times' über Salters Erzählungssammlung 'Dämmerung' von 1976 sagte: "Knappe, glanzvolle, gekonnt geschriebene Erzählungen - sie werden Ihnen das Herz brechen."

Produktbeschreibung
Auf diese Erzählungen ließe sich anwenden, was Richard Eder in der 'Los Angeles Times' über Salters Erzählungssammlung 'Dämmerung' von 1976 sagte: "Knappe, glanzvolle, gekonnt geschriebene Erzählungen - sie werden Ihnen das Herz brechen."
Autorenporträt
James Salter, 1925 in New Jersey geboren, wurde 1945 Pilot bei der Air Force. Nach dem Abschied vom Militärdienst erschien 1957 sein erster Roman. Seitdem lebte er als freier Schriftsteller in New York, auf Long Island und in Aspen. James Salter verstarb im Juni 2015, nur wenige Tage nach seinem 90. Geburtstag.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.09.2005

Die Hinhaltetaktik des Lebens
Löcher in der Seele, Steine im Schuh: James Salters neuer Erzählungsband „Letzte Nacht”
James Salter ist ein Fatalist, aber es wäre viel zu simpel, das auf seine zwölf Jahre bei der Air Force und seine Einsätze während des Koreakrieges zurückzuführen. Es ist jetzt fast fünfzig Jahre her, seit Salters erster Roman 1957 erschien, und es sieht ganz so aus, als habe das hohe Risiko des Schriftstellers Salter, über die Liebe zu schreiben, das hohe Risiko des Kampfpiloten Salter abgelöst. Also müsste der 1923 geborene New Yorker seinem despotischen Vater, der ihn nach West Point schickte, dankbar sein. Er hat dem Sohn Themen für seine Romane gegeben. Krieg ist ja nur ein Wort für den Machtkampf, und Salter zeigt, dass die Hinhaltetaktiken im Krieg und in der Liebe ähnlich sind.
Deshalb erzählt er von feindlichen Übernahmen der Gefühle und stellt den Alltag und seine Systeme, also die Gewohnheiten, in deren Mittelpunkt. Das war in seinem schönsten Buch „Lichtjahre” so, und so ist es auch im neuen Erzählungsband „Letzte Nacht”. Als Anna in der Erzählung „Die Gabe” verlangt, ihr Mann solle seine erotische Beziehung zum Dichter Des aufgeben, gehorcht er tief traurig und spioniert dem Geliebten hinterher, „wie eine Frau es bei einem Mann tut, den sie nie heiraten konnte”. Den Stein aus dem Schuh schütteln, sagt Salter dazu. Das gelingt Leutnant Newell nie mehr. Die mannstolle Tschechin, die er geheiratet hat, ruiniert sein Leben.
Keiner seiner Figuren kommt der Erzähler besonders nahe. Salter liebt die Distanz, die das Private verallgemeinert. In seinem Kopf sitzt die Idee, eine gültige Geschichte amerikanischer Mittelstandsehen zu schreiben. Keine Fortsetzung von Albees dramatischer „Virginia Woolf”, keine Seelenstrips oder Psychoseancen, sondern eine Chronik des Aneinandervorbeischauens. Denn das private Amerika hat sich verändert. Und seine Schriftsteller auch. Sie streiten nicht mehr über die Bedeutung Tschechows, sondern über die politische Vergangenheit Ezra Pounds. Die Kriege und die Narben, die sie hinterlassen haben, gehören zu den inneren Verletzungen der Männer, nicht nur in Salters Generation.
James Salter ist nüchtern. Seine Personen sind es auch. Sie haben keine Illusionen, meist ein gutes Auskommen, sie denken nur ausnahmsweise über ihr Leben nach und wissen das Deprimierendste: Nie sind sie in der Gesellschaft, in der sie gerne sein möchten. Wenn jemand fragt, ob sie was falsch gemacht haben, antworten sie „wahrscheinlich”. Die Männer haben keinen Schimmer, was die Frauen an ihrer Seite denken, weshalb sie so und nicht anders handeln. Für sie zählt nur der Moment des Begehrens. Beim Abendessen betrachtet ein Mann seine Frau. Und was geschieht? Sie erinnert ihn an Fotos, die man hätte wegwerfen sollen.
Der Tod holt die Frauen eher
In den meisten Erzählungen beschreibt Salter leise alternde Frauen, ihre noch nicht ganz, aber schon bald verwesenden Reize, und er schickt sie, gegen die Statistik, vor den Männern in den Tod. Wenn die Liebe nach dem Fall der Konventionen noch eine Strahlkraft hat, dann ist sie kurz. Liebe und gutes Leben sind deckungsgleich. Die rasenden erotischen Zeiten haben sich in die Phantasie zurückgezogen. Viri und Nedra in „Lichtjahre” kämpften noch um ihre Freiheit und wider die alten Zwänge. In der „Letzten Nacht” ist alles möglich und Bindung in jeder Form ein Missverständnis. Salter will, dass Marit, die sterbenskranke Frau, die Todesspritze bekommt. Aber er lässt sie perfiderweise ihre „letzte Nacht” überleben. Auch wenn diese Wiederauferstehungserzählung ziemlich abgedroschen ist, zeigt sie Salters Botschaft am deutlichsten: Der Mensch bleibt gefangen, in der Elternbeziehung, in der ersten Liebe, in einer Schuld. „Letzte Nacht” ist eine Sammlung von Erzählungen über das kleine Leben, in kleinen unkomplizierten Sätzen niedergeschrieben. Das Kunststück ist, dass keine Kunst ausgestellt wird. Das liest sich leicht und ist erschreckend. Der Einzelne, sagt der achtzigjährige Mister Salter in diesen Texten, scheitert, und meistens merkt er es gar nicht. Es ist ein leises und in Salters Œuvre ein eher bescheidenes Werk.
VERENA AUFFERMANN
JAMES SALTER: Letzte Nacht. Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von Malte Friedrich. Berlin Verlag, Berlin 2005. 140 Seiten, 18 Euro.
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