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Michael Lüders kennt die arabisch-islamische Kultur wie kaum ein anderer aus persönlicher, langjähriger Lebenserfahrung: er war politischer Berater der Friedrich-Ebert-Stiftung, Nahost-Korrespondent der ZEIT, hat Dokumentarfilme gedreht und dabei die großen Städte von Kairo bis Bagdad kennen gelernt - aber auch die entlegensten Wüstendörfer. Er ist Arafat und Ghaddafi begegnet - aber auch den einfachen Menschen mit ihrem Stolz, ihrer Leidenschaft und ihren durch die Arroganz des Westens verletzten Gefühlen. Sein Buch führt uns heraus aus einer langen Kette von Missverständnissen und…mehr

Produktbeschreibung
Michael Lüders kennt die arabisch-islamische Kultur wie kaum ein anderer aus persönlicher, langjähriger Lebenserfahrung: er war politischer Berater der Friedrich-Ebert-Stiftung, Nahost-Korrespondent der ZEIT, hat Dokumentarfilme gedreht und dabei die großen Städte von Kairo bis Bagdad kennen gelernt - aber auch die entlegensten Wüstendörfer. Er ist Arafat und Ghaddafi begegnet - aber auch den einfachen Menschen mit ihrem Stolz, ihrer Leidenschaft und ihren durch die Arroganz des Westens verletzten Gefühlen. Sein Buch führt uns heraus aus einer langen Kette von Missverständnissen und Vorurteilen, die verantwortlich sind für den tiefer werdenden Graben zwischen den islamisch geprägten Ländern und dem säkularen Westen. Kenntnisreich, humorvoll, spannend und nie ohne Anteilnahme schildert er Mythos und Wirklichkeit Arabiens aus der Fülle seiner Erfahrungen. Lüders plädiert für einen aufrichtigen und respektvollen Umgang mit den Ländern der arabischen Welt und er ist überzeugt, dass wir mit Kriegen auf Dauer keinen Frieden ernten werden.
Autorenporträt
Michael Lüders, geboren 1959 in Bremen, Studium der arabischen Literatur in Damaskus, der Islamwissenschaft, Politologie und Publizistik in Berlin. Promotion über das ägyptische Kino. Langjähriger Nahost-Redakteur der ZEIT. Buchveröffentlichungen. Der Autor lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.06.2004

Feuer im Herzen
Der Westen liebt die islamische Welt nicht - aber er kennt sie auch zu wenig, um sie zu mögen
„Jeder Prozess der Selbsterforschung ist schmerzhaft. In der Begegnung mit dem Fremden sich selber zu erkennen, erfordert Mut, manchmal auch Masochismus.” So sagt es Michael Lüders, der uns die Welt im islamischen Arabien erklären möchte. Er verlangt dem Leser einiges von dem ab, was er sich selbst abverlangt hat. Enthüllt etwa die jüngst verstorbene Islamforscherin Annemarie Schimmel in ihrem großen wissenschaftlichen Werk die kulturellen Schönheiten der islamischen Welt, wobei sie die politischen Fragen des Alltags beiseite lässt, so versucht Michael Lüders es genau umgekehrt. Er berichtet in bester journalistischer Tradition von den Begegnungen im Alltag, von den fast unmöglichen Gesprächen mit Frauen, die ein Mann in der arabischen Welt ja nur selten treffen darf.
Die intensive Begegnung mit dem Islam muss hart erarbeitet, Sprache und Religion müssen begriffen werden. „Warum tue ich mir das an?”, fragt sich der Autor zwischendurch. Doch die Antwort liegt auf der Hand: Diese Welt wird in den nächsten Jahren unser Schicksal sein. Da die Abhängigkeit vom Öl fortbestehen wird und die Kluft zwischen Okzident und Orient weiter wächst, werden die Länder zwischen Kuwait und Marokko wichtig bleiben.
In Damaskus hat Lüders studiert und dabei nicht ohne Entsetzen alle Entfremdungen mitbekommen, die in der von Geheimdiensten durchsetzten arabischen Welt dem Westler als Zumutung erscheinen. In Syrien musste er sich einer Hinrichtung nach dem Gesetz der Scharia aussetzen. „Das Bild der fünf Gehenkten am Platz der Abbasiden in Damaskus vermittelt einen Widerschein jenes Terrors, der Europa vor einem halben Jahrhundert überzog. Damals in Deutschland applaudierte die Masse den Henkern. In Damaskus enthielt sich die Menge des Beifalls und schwieg. Opfer mehr als Mitläufer.”
Es sind schwer verdauliche Brocken, die der Autor da hinwirft. Die Frauen, die er in einem zentralen Kapitel vorstellt, sind privilegierte Ausnahmefiguren. Er begegnet in Algier während der schlimmsten Phase des Bürgerkrieges der Journalistin Saliha. Ihr Vater wurde von einer Autobombe getötet, sie entging zweimal einem Anschlag. Saliha muss sich vor zwei Mördertrupps fürchten: vor den Islamisten, die wahllos töten - zumal Frauen, die sich öffentlich zeigen. Aber auch vor den Geheimdiensten des Regimes, das die Macht nicht abgeben will.
Lüders ist überzeugt, es knistere und knackse im Gebälk dieser stockkonservativen Gesellschaften, vielleicht mehr als der Westen ahnt. Aber die Bewegung gehe nicht unbedingt in Richtung unserer allein selig machenden Gesellschaftsordnung, glaubt er. „Keine Gesellschaft ist unveränderlich, Menschen wandeln sich.” Das gelte auch für die Religion. Möglicherweise werde es im Islam niemals eine ideologische Revolution geben, „einen muslimischen Martin Luther, der als Einzelner ein Fanal setzt”. Als Leser würde man sich einen solchen an Stelle von Osama bin Laden oder des ermordeten Scheich Ahmed Yassin wünschen.
Religion als Korsett
Das Buch ist ein Plädoyer gegen die tief verwurzelte Vorstellung der westlichen Welt, dass ihre Lebensweise die beste sei. Lüders wendet sich damit auch gegen die Weltsicht des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, der sagt: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.” Die Achse des Bösen, eine dritte Formel dieses westlichen, imperialen Gestus, wird auf drei Länder und drei Völker beschränkt: auf Irak, Iran und Nordkorea. Der Autor hält es lieber mit Lim Kooi Fong, Journalist bei einem buddhistischen Radiosender. Die tatsächliche Achse des Bösen, sagte dieser Buddhist, laufe entlang der Grenzlinien von Gier, Hass und Intoleranz.
Lüders wendet sich gegen die europäischen Agnostiker, die glauben, Wissenschaft und Kunst reichten aus, um die Welt zu beleben und Religion sei eine überflüssige Sentimentalität. Das Gespräch zwischen Ost und West hat noch nicht begonnen. Was soll Lüders also einem Jordanier antworten, der fragt, warum die EU den Terror der Hamas verurteile, aber zu der Gewalt in den besetzten palästinensischen Gebieten schweige? Wieso droht die EU Israel nicht mit Sanktionen, falls es seine Siedlungspolitik fortsetzt? In solchen Fällen - so Lüders - „versuche ich, auf die besondere moralische Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel hinzuweisen”.
Die Araber antworten ihm dann in der Regel: Wenn die Deutschen ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Vergangenheit haben, warum sollen die Palästinenser den Preis dafür bezahlen? Dann bleibe ihm nur noch das Argument, dass die Araber von den Europäern nicht mehr Engagement für Palästina fordern könnten, als sie selbst zu leisten bereit seien, kontert wiederum der Islam-Experte Michael Lüders.
Wer den Autoren deshalb einen „Apologeten des Terrors” nennen will, möge das tun, stören wird ihn das nicht mehr. Der Vorwurf ist, wie die Lektüre dieses Buches belegt, auch einfach falsch. Lüders geht es darum, „Brücken zu bauen. Die Alternative wäre die Logik der Extremisten, hier wie dort”.
RUPERT NEUDECK
MICHAEL LÜDERS: Im Herzen Arabiens. Stolz und Leidenschaft - Begegnung mit einer zerrissenen Kultur. Herder Verlag, Freiburg 2004. 224 Seiten, 19,90 Euro.
„Es knirscht im Gebälk dieser stockkonservativen Gesellschaften - vielleicht mehr, als der Westen ahnt.”
Foto: AP
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