Produktdetails
  • Verlag: Voland & Quist
  • Gesamtlaufzeit: 70 Min.
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 9783938424117
  • Artikelnr.: 20785624
Autorenporträt
Bas Böttcher (geb. 1974 in Bremen) hat in Weimar am Bauhaus Mediengestaltung studiert und lebt in Berlin. 2000 war er Stipendiat des Literarischen Colloquiums in Berlin, 2005 Écrivain en résidence an der Sorbonne Nouvelle, Paris. Er absolvierte mehrere Welttourneen. Hinzu kamen Auftritte bei zahlreichen internationalen Literaturfestivals. Seine Texte erschienen in Anthologien, Schulbüchern und Zeitschriften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2006

Nutellafritz
Bas Böttcher reimt schön, aber es ergibt nicht immer einen Sinn

"Wir sind alle voll profund und deep, yo!" Das ist das Erfrischende an Bas Böttcher: Er nimmt seine Zunft der Rap-Poeten nicht so ganz ernst, und er macht sich mit deren eigenen Mitteln über ihre Wortwahl lustig. Auf seiner jüngsten Veröffentlichung "Das ist kein Konzert", einem Gedichtband mit beiliegender Audio-CD, schreibt und spricht er von diesen "realkeependen Freaks", zu denen er doch selbst gehört, von Blumenblüten, Urlaub in der Karibik und Sushi.

Zwanzig Gedichte finden sich im Textbuch, doch wirklich lebendig werden sie erst, wenn Böttcher sie liest, mit bemerkenswertem Lungenvolumen und hohem Tempo. Manchmal schnuddelt der Einunddreißigjährige sich ein bißchen durch die Zeilen, was das Verständnis mindert, aber durchaus gut klingt: Man ist Rap-Poet, und für einen solchen zählt in erster Linie das Klangerlebnis. Oder, wie Böttcher es formuliert: "Wir bleiben lieber underground und real. / Wir reden auf der Bühne durcheinander, laut und viel!"

Auch den Umstand, daß er, der seit Jahren live auftritt, nun mit einer Buchveröffentlichung in die Reihen der Autoren aufgenommen wird, kommentiert er selbstironisch in "Der stolze Literat", wo es heißt: "Ich hab' ein Buch rausgebracht. Mit Schampus wird der Tag enden. / Verehrerinnen dürfen sich gern an meinen Verlag wenden." Die Ambivalenz zwischen Performance-Purismus und dem Bedürfnis, der Großmutter gedruckte, gebundene Seiten präsentieren zu können, scheint Böttcher nicht ganz fremd zu sein. Doch die Selbstreflexion nimmt bis auf wenige Ausnahmen kaum Raum ein. In erster Linie beschäftigt sich derWahlberliner mit den Abgründen und Eigenartigkeiten der Jetztzeit. Dazu gehören sowohl elektronische Liebesbeziehungen als auch Computer-Fachchinesisch. Böttcher berichtet "aus'm Silicon Valley mit Drag'n'Drop und Plug'n'Play", ohne sich die Zunge zu verknoten - allein dafür müssen IT-Experten jahrelang üben.

Glanzstück der Zusammenstellung ist das Gedicht "Fünffacher Wortwert", in dem der Autor "Verbalaccessoires als Komplettset für jeden Anlaß" bietet. Welcher Mensch sollte welche Formulierungen benutzen und welche Wörter unbedingt meiden? Dem Typen "wilder Rebell" empfiehlt Böttcher, stets ein Dutschke-Zitat auf den Lippen zu tragen und unter anderem folgende Begriffe zu umschiffen: "Zuneigung, Realität, Mama, Brigitte-Diät, Bastei Lübbe, Vorhautverengung, Pizza Hawaii." Für das Glamour-Girl sind "Nickelallergie, 99-Pfennig-Paradies und Wohltätigkeitsbasar" tabu, für den Gentleman der alten Schule "Flittchen, Punkrock und Dani plus Sahne".

Leider bringt der Wortfetischist es nicht immer so auf den Punkt - manchmal scheitert er an seinen eigenen Ansprüchen und schießt am Ziel vorbei. Gelegentlich sind ihm auch einfach die Spielereien mit aufeinanderprallenden Konsonanten wichtiger als der Sinn, zum Beispiel in "Sushi": "Makis drippen vom Dippen. Nigiris suppen. / Wir nippen an Nippons Lippen bis tief in die Puppen."

Eine Textpassage wie ein Auffahrunfall. Zum Lesen ist das nicht besonders interessant, zum Hören ganz reizvoll. Manchmal allerdings bleibt sinnfrei sinnfrei, und wenn es noch so schön vorgelesen wird: "Ich liebe dich, mein Sonnenschein / Nutella, Nutella, Nutella." Da winken Jandl und Ringelnatz vom Horizont, aber der Weg ist noch weit.

JULIA BÄHR

Bas Böttcher: "Das ist kein Konzert". Gedichte. Voland und Quist Verlag, Dresden 2006. 28 S., 33 Minuten Spielzeit, geb., 13,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die CD macht es aus, befindet Rezensentin Julia Bähr angesichts dieses Lyrikdebüt mit zwanzig Gedichten und beiligender, vom Autor höchst selbst eingelesener Audio-CD. Zwar bescheinigt sie dem jungen "Rap-Poeten" einiges Sprachgefühl, Witz und Originalität. Doch weil Bas Böttcher "Spielereien mit aufeinander prallenden Konsonanten" ihrem Eindruck zufolge meist wichtiger findet als jegliche Form von Sinnproduktion, kommen die Texte für ihren Geschmack zu selten wirklich auf den Punkt. Am Horizont sieht die Rezensentin zwar Größen wie Ernst Jandl und Joachim Ringelnatz winken. Doch der Weg dahin sei für Böttcher noch weit, wie sie leider feststellen muss. Lustiger wird es für die Rezensentin erst, als sie dem Performance-erprobten Dichter beim Vortrag seiner Texte auf CD lauschen kann. Nicht nur "bemerkenswertes Lungenvolumen und Tempo", auch gelegentliches "Schnuddeln" von Passagen sorgen dann wenigstens für ein kleines Hörerlebnis.

© Perlentaucher Medien GmbH