Annie Ernaux
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Das Ereignis (MP3-Download)
Ungekürzte Lesung. 132 Min.
Sprecher: Kroymann, Maren / Übersetzer: Finck, Sonja
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Oktober 1963: Die 23-jährige Annie entdeckt, dass sie schwanger ist. Die Studentin weiß: Wenn sie ein uneheliches Kind zur Welt bringt, wird sie alles verlieren. Das hart erkämpfte Studium, die Hoffnung, dem prekären Milieu der Eltern zu entkommen. Sie möchte die Schwangerschaft beenden, doch im Frankreich der 1960er-Jahre ist Abtreiben illegal, und so beginnt ein Spießrutenlauf, der sie von der Praxis eines überheblichen Arztes ins Hinterzimmer einer Engelmacherin führt und schließlich in der Notaufnahme endet. Voller Scham versucht Annie, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewin...
Oktober 1963: Die 23-jährige Annie entdeckt, dass sie schwanger ist. Die Studentin weiß: Wenn sie ein uneheliches Kind zur Welt bringt, wird sie alles verlieren. Das hart erkämpfte Studium, die Hoffnung, dem prekären Milieu der Eltern zu entkommen. Sie möchte die Schwangerschaft beenden, doch im Frankreich der 1960er-Jahre ist Abtreiben illegal, und so beginnt ein Spießrutenlauf, der sie von der Praxis eines überheblichen Arztes ins Hinterzimmer einer Engelmacherin führt und schließlich in der Notaufnahme endet. Voller Scham versucht Annie, die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen, und begegnet dabei überall erschreckender Gleichgültigkeit.
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Annie Ernaux, geboren 1940, bezeichnet sich als »Ethnologin ihrer selbst«. Sie ist eine der bedeutendsten französischsprachigen Schriftstellerinnen unserer Zeit, ihre zwanzig Romane sind von Kritik und Publikum gleichermaßen gefeiert worden. Annie Ernaux hat für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen erhalten, zuletzt den Nobelpreis für Literatur. Sonja Finck übersetzt aus dem Französischen und Englischen, darunter Bücher von Jocelyne Saucier, Kamel Daoud, Chinelo Okparanta und Wajdi Mouawad. Für ihre Ernaux-Übersetzungen wurde sie mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

Produktdetails
- Verlag: Der Audio Verlag
- Erscheinungstermin: 15. Juni 2023
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783742428530
- Artikelnr.: 67883232
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Melanie Mühl stockt der Atem bei der Lektüre von Annie Ernaux' Buch über ihre ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung, das nun "endlich" auf Deutsch vorliegt. Um Empfindsamkeit geht es der Autorin als allerletztes, konstatiert Mühl, und mit schockierenden Details halte sie nicht zurück: Beschrieben werde etwa, wie die damals 23-Jährige zunächst erfolglos und unter großen Schmerzen selbst versucht, den Fötus mit dicken Stricknadeln abzutreiben. Aber auch schon der "erniedrigende Spießrutenlauf" zwischen bevormundenden Ärzten der sechziger-Jahre oder die kritischen Blicke von Ernaux' Kommilitoninnen schlauchen die Rezensentin; manchmal mag sie kaum weiterblättern. Von der Wichtigkeit des Buchs, das - gerade mit Blick auf Polen - auch zwanzig Jahre nach Ersterscheinung leider nichts an Aktualität verloren hat, hat sie aber keinen Zweifel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Nur keine Sentimentalitäten
Nach zwanzig Jahren erscheint "Das Ereignis" von Annie Ernaux endlich auf Deutsch, weniger aktuell ist das Abtreibungsbuch aber leider nicht geworden.
Eine Frau wird ungewollt schwanger. Sie ist dreiundzwanzig, stammt aus einer Arbeiterfamilie, lebt und studiert in Rouen, und wir schreiben das Jahr 1963. Abtreibungen sind in Frankreich per Gesetz verboten. Wer trotzdem selbst über seinen Körper und sein zukünftiges Leben bestimmt, wer sich aus welchen Gründen auch immer gegen das in ihm heranwachsende Kind entscheidet, dem droht eine Geld- oder Gefängnisstrafe. Die Frau, inzwischen längst eine berühmte Autorin zahlreicher autofiktionaler Romane, die sich als "Ethnologin ihrer selbst"
Nach zwanzig Jahren erscheint "Das Ereignis" von Annie Ernaux endlich auf Deutsch, weniger aktuell ist das Abtreibungsbuch aber leider nicht geworden.
Eine Frau wird ungewollt schwanger. Sie ist dreiundzwanzig, stammt aus einer Arbeiterfamilie, lebt und studiert in Rouen, und wir schreiben das Jahr 1963. Abtreibungen sind in Frankreich per Gesetz verboten. Wer trotzdem selbst über seinen Körper und sein zukünftiges Leben bestimmt, wer sich aus welchen Gründen auch immer gegen das in ihm heranwachsende Kind entscheidet, dem droht eine Geld- oder Gefängnisstrafe. Die Frau, inzwischen längst eine berühmte Autorin zahlreicher autofiktionaler Romane, die sich als "Ethnologin ihrer selbst"
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bezeichnet, heißt Annie Ernaux, das Buch, das sie über ihre Abtreibung geschrieben hat und das nun auf Deutsch vorliegt, "Das Ereignis".
Vielleicht ist das Verblüffendste an dieser schmalen Erzählung, dass die Autorin keine Sekunde mit dem Gedanken spielt, dieses Kind, mit dessen Vater sie eine dahinplätschernde Fernbeziehung führt, zu bekommen. Sie malt sich nicht aus, wie es wäre, Mutter zu sein. In ihrem Tagebuch steht weder "Ich erwarte ein Kind", noch "Ich bin schwanger" "und erst recht nicht ,Schwangerschaft', auf Französisch grossesse, was wie ,grotesk' klingt. Dies hätte die Akzeptanz einer Zukunft bedeutet, die nicht eintreten würde. Es lohnt sich nicht zu benennen, was wegzumachen ich beschlossen hatte. In meinem Kalender steht ,es', ,das Ding', nur ein einziges Mal ,schwanger'." Kühl klingende Sätze, die indes nichts mit Herzlosigkeit zu tun haben, sondern Ausdruck tiefer Verzweiflung sind.
Annie Ernaux, wissenshungrig, intellektuell, ist die Erste in ihrer Familie, die studiert, sozial aufsteigt. Ihr graust vor einem stigmatisierten Leben als unverheiratete Mutter, in dem ihre geistigen Fähigkeiten verkümmern. Die Schwangerschaft trennt sie von ihren Kommilitonen, von den Frauen mit den "leeren Bäuchen". Jene, denen sie ihr Geheimnis erzählt, begegnen ihr mit voyeuristischer Neugierde. Sie betrachten Annie Ernaux, als wäre sie die Hauptdarstellerin eines Dramas mit ungewissem Ausgang. Bestürzt und fasziniert zugleich weiden sie sich an ihrem Unglück. Jean beispielsweise schlägt lachend vor, ihr gemeinsam mit Freunden eine Sonde einzuführen.
Annie Ernaux' Stil ist nüchtern, und sie erzählt so präzise, wie es ihre eigenen Erinnerungen erlauben, denen sie mit aller Kraft nachspürt. Vor schockierenden Details schreckt sie nicht zurück. Nichts liegt ihr ferner als Sentimentalität. Das Geschriebene entfaltet mitunter eine derart erschütternde Wucht, dass man zögert umzublättern, weiterzulesen. Von dem erniedrigenden Spießrutenlauf etwa auf der Suche nach jemandem, der sie von dem Fötus befreit. Statt ärztlicher Empathie dominiert im Frankreich der sechziger Jahre die Arroganz weißbekittelter Männer, die auf Frauen wie Ernaux herabblicken. Schließlich versucht sie es selbst mit dicken, metallisch blauen Stricknadeln, aber der Schmerz lässt sie rasch aufgeben.
Über Umwege gelangt sie zu einer "Engelmacherin" in Paris, die wie eine "Hexe" aussieht und den Eingriff für vierhundert Francs in ihrem Schlafzimmer vornimmt. Erst nach einem zweiten Besuch stößt sie den Fötus ab. Ernaux verliert ihn im Studentenwohnheim, wie eine Granate schießt er aus ihr heraus. "Ich sah eine kleine Babypuppe an einer rötlichen Schnur aus meiner Scheide hängen. Ich hatte keine Vorstellung davon gehabt, dass ich so etwas in mir trug. Ich nahm es in eine Hand - es war seltsam schwer - und überquerte den Flur, indem ich es zwischen meinen Schenkeln hielt. Ich war ein Tier."
"Das Ereignis" ist bereits vor zwanzig Jahren in Frankreich erschienen, doch die Geschichte hat nichts an Aktualität und Brisanz eingebüßt, im Gegenteil. Ein Blick nach Texas oder Polen, wo rigide Abtreibungsgesetze den Spielraum von Frauen existenziell begrenzen, zeigt, dass der weibliche Körper noch immer durch Paragraphen zu beherrschen versucht wird. Erst Anfang Januar protestierten Tausende von Menschen in mehreren polnischen Städten gegen das Abtreibungsverbot, das einen legalen Schwangerschaftsabbruch quasi verunmöglicht - eine junge Frau war an einem septischen Schock gestorben, weil die Ärzte nach dem Verlust des Fruchtwassers erst den Tot des Fötus abwarten wollten, bevor sie ihr halfen.
Annie Ernaux, die bei dem Abgang viel Blut verliert, muss ebenfalls ins Krankenhaus, wo ihre Gebärmutter ausgeschabt wird. Die einzige Schuld, die sie je auf dieses Ereignis bezogen empfunden habe, schreibt Ernaux, sei, dass sie aus dieser Erfahrung von Leben und Tod nichts gemacht habe - eine Schuld, die sie beglichen hat. MELANIE MÜHL
Annie Ernaux: "Das Ereignis".
Aus dem Französischen von Sonja Finck. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 104 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vielleicht ist das Verblüffendste an dieser schmalen Erzählung, dass die Autorin keine Sekunde mit dem Gedanken spielt, dieses Kind, mit dessen Vater sie eine dahinplätschernde Fernbeziehung führt, zu bekommen. Sie malt sich nicht aus, wie es wäre, Mutter zu sein. In ihrem Tagebuch steht weder "Ich erwarte ein Kind", noch "Ich bin schwanger" "und erst recht nicht ,Schwangerschaft', auf Französisch grossesse, was wie ,grotesk' klingt. Dies hätte die Akzeptanz einer Zukunft bedeutet, die nicht eintreten würde. Es lohnt sich nicht zu benennen, was wegzumachen ich beschlossen hatte. In meinem Kalender steht ,es', ,das Ding', nur ein einziges Mal ,schwanger'." Kühl klingende Sätze, die indes nichts mit Herzlosigkeit zu tun haben, sondern Ausdruck tiefer Verzweiflung sind.
Annie Ernaux, wissenshungrig, intellektuell, ist die Erste in ihrer Familie, die studiert, sozial aufsteigt. Ihr graust vor einem stigmatisierten Leben als unverheiratete Mutter, in dem ihre geistigen Fähigkeiten verkümmern. Die Schwangerschaft trennt sie von ihren Kommilitonen, von den Frauen mit den "leeren Bäuchen". Jene, denen sie ihr Geheimnis erzählt, begegnen ihr mit voyeuristischer Neugierde. Sie betrachten Annie Ernaux, als wäre sie die Hauptdarstellerin eines Dramas mit ungewissem Ausgang. Bestürzt und fasziniert zugleich weiden sie sich an ihrem Unglück. Jean beispielsweise schlägt lachend vor, ihr gemeinsam mit Freunden eine Sonde einzuführen.
Annie Ernaux' Stil ist nüchtern, und sie erzählt so präzise, wie es ihre eigenen Erinnerungen erlauben, denen sie mit aller Kraft nachspürt. Vor schockierenden Details schreckt sie nicht zurück. Nichts liegt ihr ferner als Sentimentalität. Das Geschriebene entfaltet mitunter eine derart erschütternde Wucht, dass man zögert umzublättern, weiterzulesen. Von dem erniedrigenden Spießrutenlauf etwa auf der Suche nach jemandem, der sie von dem Fötus befreit. Statt ärztlicher Empathie dominiert im Frankreich der sechziger Jahre die Arroganz weißbekittelter Männer, die auf Frauen wie Ernaux herabblicken. Schließlich versucht sie es selbst mit dicken, metallisch blauen Stricknadeln, aber der Schmerz lässt sie rasch aufgeben.
Über Umwege gelangt sie zu einer "Engelmacherin" in Paris, die wie eine "Hexe" aussieht und den Eingriff für vierhundert Francs in ihrem Schlafzimmer vornimmt. Erst nach einem zweiten Besuch stößt sie den Fötus ab. Ernaux verliert ihn im Studentenwohnheim, wie eine Granate schießt er aus ihr heraus. "Ich sah eine kleine Babypuppe an einer rötlichen Schnur aus meiner Scheide hängen. Ich hatte keine Vorstellung davon gehabt, dass ich so etwas in mir trug. Ich nahm es in eine Hand - es war seltsam schwer - und überquerte den Flur, indem ich es zwischen meinen Schenkeln hielt. Ich war ein Tier."
"Das Ereignis" ist bereits vor zwanzig Jahren in Frankreich erschienen, doch die Geschichte hat nichts an Aktualität und Brisanz eingebüßt, im Gegenteil. Ein Blick nach Texas oder Polen, wo rigide Abtreibungsgesetze den Spielraum von Frauen existenziell begrenzen, zeigt, dass der weibliche Körper noch immer durch Paragraphen zu beherrschen versucht wird. Erst Anfang Januar protestierten Tausende von Menschen in mehreren polnischen Städten gegen das Abtreibungsverbot, das einen legalen Schwangerschaftsabbruch quasi verunmöglicht - eine junge Frau war an einem septischen Schock gestorben, weil die Ärzte nach dem Verlust des Fruchtwassers erst den Tot des Fötus abwarten wollten, bevor sie ihr halfen.
Annie Ernaux, die bei dem Abgang viel Blut verliert, muss ebenfalls ins Krankenhaus, wo ihre Gebärmutter ausgeschabt wird. Die einzige Schuld, die sie je auf dieses Ereignis bezogen empfunden habe, schreibt Ernaux, sei, dass sie aus dieser Erfahrung von Leben und Tod nichts gemacht habe - eine Schuld, die sie beglichen hat. MELANIE MÜHL
Annie Ernaux: "Das Ereignis".
Aus dem Französischen von Sonja Finck. Suhrkamp Verlag, Berlin 2021. 104 S., geb., 18,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»In ihren schmalen Büchern steckt eine ganze Welt. Es ist eine oft brutale Welt. Ernaux' Reflexionen rütteln auf, und sie machen zornig. Sie bedeuten auch: Es darf nicht so bleiben. Das Erreichte muss verteidigt, das Mangelhafte beseitigt werden.« Mira Landwehr neues deutschland 20211216
Gebundenes Buch
kurzes, prägnantes Abtreibungsbuch
Die Bücher von Ernaux sind schnell gelesen. Dieses aber hinterlässt mich nachdenklich. Die Autorin schreibt von ihrer Erfahrung in den 60er Jahren in Frankreich eine Abtreibung vorzunehmen, als das noch illegal war. Schwierig war es für sie …
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kurzes, prägnantes Abtreibungsbuch
Die Bücher von Ernaux sind schnell gelesen. Dieses aber hinterlässt mich nachdenklich. Die Autorin schreibt von ihrer Erfahrung in den 60er Jahren in Frankreich eine Abtreibung vorzunehmen, als das noch illegal war. Schwierig war es für sie überhaupt eine „Engelmacherin“ zu finden. Auch mit den Details der Prozedur verschont sie uns nicht.
An einer Stelle vergleicht sie ihr Leben mit den Flüchtlingen von Callais, die illegal ins Vereinigte Königreich wollen. Aber darf man alles erlauben, nur weil es Menschen gibt, denen die bestehenden Gesetze nicht passen?
Dieses Werk ist kein Buch für Abtreibungsgegner, die das Leben des Kindes schützen. Der Embryo wird nur „das Ding“ genannt.
Vor allem wegen der Kurzweile vergebe ich alle 5 Sterne. Ich finde einfach nichts zu meckern.
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