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Am 25. März 1996 wird Jan Philipp Reemtsma entführt. Sein Sohn Johann (Claude Heinrich) und seine Frau Ann Kathrin (Adina Vetter) erleben mit, wie sich ihr Zuhause über Nacht in eine Einsatzzentrale verwandelt. Zwei Betreuer der Polizei (Yorck Dippe, Enno Trebs), der Anwalt der Familie (Justus von Dohna& 769;nyi) und ein enger Freund (Hans Löw) bilden eine Schicksalsgemeinschaft, verbunden nur durch das gemeinsame Ziel, Johanns Vater möglichst schnell und unversehrt nach Hause zu holen.
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Produktbeschreibung
Am 25. März 1996 wird Jan Philipp Reemtsma entführt. Sein Sohn Johann (Claude Heinrich) und seine Frau Ann Kathrin (Adina Vetter) erleben mit, wie sich ihr Zuhause über Nacht in eine Einsatzzentrale verwandelt. Zwei Betreuer der Polizei (Yorck Dippe, Enno Trebs), der Anwalt der Familie (Justus von Dohna& 769;nyi) und ein enger Freund (Hans Löw) bilden eine Schicksalsgemeinschaft, verbunden nur durch das gemeinsame Ziel, Johanns Vater möglichst schnell und unversehrt nach Hause zu holen.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.2022

Auf der Rasierklinge des Unheils
Die Reemtsma-Entführung als Film: "Wir sind dann wohl die Angehörigen" im Kino

Auf dem Höhepunkt dieses Films liegen sich zwei Menschen in den Armen. Mutter und Sohn. Aber die gewohnte Ordnung der Gesten und Gefühle gilt nicht mehr, es ist der Sohn, der die Mutter festhält und tröstet. An diesem Tag im April hat sie dem Druck, der seit Wochen auf ihr lastet, schließlich doch nachgegeben und ist im Hausflur zusammengebrochen. Der Dreizehnjährige kauert sich neben sie und zieht sie zu sich heran, sie legt ihren Kopf an seine Brust und schluchzt.

Am 25. März 1996 wurde der Literaturwissenschaftler und Historiker Jan Philipp Reemtsma, Alleinerbe eines Zigarettenfabrikanten, vor seinem Haus in Hamburg-Blankenese von zwei Männern überwältigt und entführt. Die Entführer verlangten zunächst zwanzig Millionen und später dreißig Millionen D-Mark für seine Freilassung. Nachdem mehrere Geldübergabeversuche durch Reemtsmas Frau Ann Kathrin Scheerer und den Familienanwalt Schwenn unter Aufsicht der Hamburger Polizei gescheitert waren, organisierte Scheerer eine Übergabe des Lösegeldes ohne polizeiliche Überwachung. Gut vierzig Stunden später kam Reemtsma frei. Er hatte dreiunddreißig Tage angekettet in einem dunklen Keller im niedersächsischen Garlstedt zugebracht. Noch im gleichen Jahr schrieb er über seine Erlebnisse ein Buch, das Anfang 1997 erschien: "Im Keller".

Zwanzig Jahre später, im März 2018, veröffentlichte Reemtsmas Sohn Johann Scheerer, inzwischen ein erfolgreicher Musikproduzent, seinen eigenen Bericht über das Geschehen. "Wir sind dann wohl die Angehörigen" beginnt damit, dass sich Johanns Mutter morgens an sein Bett setzt und ihm erklärt, sie müssten jetzt gemeinsam "ein Abenteuer bestehen", denn sein Vater sei entführt worden. Johanns erster Gedanke ist, dass er die für diesen Tag angesetzte Lateinarbeit jetzt nicht schreiben muss. Gleich darauf folgt die Scham über seine Reaktion: "Es war so profan, unwichtig, absurd, so gemein und dumm, aber es war auch wahr." Erst dann setzt die Panik ein: "Ich schrie." Johanns Mutter umarmt ihn. Da ist die familiäre Ordnung noch intakt. Erst nach drei Wochen vergeblichen Hoffens wird sie sich umkehren, und der Sohn hält die Mutter. Im Buch sind das ein paar nüchterne Sätze. Im Film, auf der Leinwand, wirkt es wie eine Explosion.

Entführungsfilme sind Rachegeschichten. Sie zeigen die Tat und ihr Opfer, den Schmerz und Zorn der Angehörigen, die Ermittlungen der Polizei, die Befreiung der Entführten und die Bestrafung der Täter, oft durch die Hand der Betroffenen. Sie bauen ein Wutgefühl auf, das sich im Finale entlädt. Die einzige bisherige Ausnahme im Mainstreamkino war ein Film, für den der Niederländer Pieter Jan Brugge im Jahr 2004 den Hollywoodstar Robert Redford gewinnen konnte. Brugges "The Clearing" erzählte, mit Redford in der Opferrolle, von einem Entführungsfall ohne Happy End (und scheiterte entsprechend an den Kinokassen). Jetzt gibt es einen zweiten, einen deutschen Ausnahmefilm zum Thema. Es ist Hans-Christian Schmids Adaption von Johann Scheerers Erinnerungsbuch.

Schmids Film beginnt, anders als Scheerers Bericht, am Vorabend der Ereignisse. Reemtsma (Philipp Hauß) sitzt mit Johann (Claude Heinrich) am Tisch, um ihn auf die kommende Lateinklausur vorzubereiten. Der Widerwille des Kindes gegen den Bildungseifer des Vaters ist körperlich spürbar. Den Reclamband mit Vergils "Äneis", in dem er lesen soll, wird Johann in seinem Zimmer in den Papierkorb werfen, während sich Reemtsma von seiner Frau (Adina Vetter) mit der Bemerkung verabschiedet, er werde noch einmal in sein Arbeitshaus rübergehen, um zu schreiben. Ein dunkler Gartenweg scheint ihn aufzusaugen. Es ist das Letzte, was man von ihm sieht. Tage später wird Johann das Vergil-Reclamheft aus der Mülltonne vor der Villa herauswühlen, um eine Lebensspur seines Vaters in der Hand zu halten.

Wie reagiert man auf den Einbruch der Gewalt, den Zusammenbruch des Alltags, das Ausgeliefertsein an einen fremden Willen, das den roten Faden aller Entführungsdramen bildet? Der erzählerische Kniff des Films besteht darin, dass er die Tat und das Versteck, in dem Reemtsma einen Monat lang gefangengehalten wurde, nicht zeigt. Sie bilden die Leerstelle, um die die Geschichte kreist. Man könnte auch sagen: Den Mahlstrom, in den sie hineingezogen wird. Denn nach kurzer Zeit ist klar, dass die Entführer sich gründlich vorbereitet haben und der Polizei, die ihnen eine Falle stellen will, immer eine Nasenlänge voraus sind. Das Geld, das Ann Kathrin Scheerer und ihr Anwalt Schwenn (Justus von Dohnányi) besorgt haben, soll zuerst an einer Bahnstrecke abgelegt werden, doch die Übergabe scheitert, da die Polizei zu lange für die Verkabelung des Familienwagens braucht. Dann wird Schwenn von den Tätern über die Rheinbrücke bei Kehl nach Frankreich gelotst, aber wieder geht alles schief, weil der Überwachungskonvoi der Ordnungshüter viel zu auffällig ist. Es sind die Momente, in denen Schmids Film zu dem Kinokrimi wird, der er nicht sein will: Ein nächtlicher Autobahnparkplatz. Scheinwerfer im Dunkeln. Ein Mann, der eine schwere Tasche über einen Maschendrahtzaun wuchtet. Aber gleich darauf setzt der Wirklichkeitssinn des Regisseurs und seines Drehbuchautors Michael Gutmann wieder ein. Als der Anwalt nach stundenlanger Fahrt in Hamburg ankommt, muss er sich vor Erschöpfung übergeben.

Dreiunddreißig Tage Angst. Und mittendrin ein Kind. Am Anfang versucht Johann noch, mit den im Haus eingezogenen Kriminalbeamten, die sich hinter den Tarnnamen Vera und Nickel verbergen, Freundschaft zu schließen, aber bald begreift er, dass ihre Jovialität zur Ermittlungsroutine gehört. Den Klassenkameraden, mit denen er eine Schülerband gegründet hat, erzählt er, er habe Mumps, aber irgendwann zieht diese Ausrede nicht mehr. Die Elektrogitarre, die er zu Ostern geschenkt bekommt, lenkt ihn für eine Weile von der Vorstellung ab, sein Vater könnte die Entführung nicht überleben. Schließlich aber hält er es nicht mehr aus, schwingt sich auf sein Rad und entwischt seinen Personenschützern ans Elbufer, wo er den Schiffen zuschaut. In unzähligen Kinogeschichten, die an Flüssen spielen, ist dieses Bild verschlissen worden. Hier wirkt es wieder groß.

Das Versagen der Behörden bei der Reemtsma-Entführung war ein Running Gag der deutschen Presse. Der Film kostet es nicht aus. Stattdessen spiegelt er die Niederlage der Polizei im erfolgreichen Handeln von Ann Kathrin Scheerer. Die Intensität, mit der Adina Vetter diese auf der Rasierklinge des Unheils balancierende Frau verkörpert, ist selbst bei Schmid, der schon mit Sandra Hüller und Corinna Harfouch gedreht hat, eine Entdeckung. Wenn Ingmar Bergman noch lebte, wäre sie die Heldin seines nächsten Films. Aber dort, wo Bergman stand, steht heute nur der preisgekrönte Zyniker Ruben Östlund.

Hans-Christian Schmid, Jahrgang 1965, hat nie das große Rad im deutschen Kino gedreht. Seine Filme erzählen von Verlierern: Selbstmörderinnen, Bürgerkriegsopfern, Flüchtlingen, Jugendlichen und ihren Sehnsüchten. Aber sie haben, was hiesigen Filmen meistens fehlt: eine klare Haltung und einen unbeirrbaren visuellen Instinkt. Deshalb sieht man "Wir sind dann wohl die Angehörigen" zwei Stunden lang mit angehaltenem Atem an, obwohl man weiß, wie die Geschichte ausgeht. Denn nicht in der Auflösung liegt ihr eigentlicher Trost. Sondern in den Bildern. ANDREAS KILB

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