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In einer Stadt im Ruhrgebiet taucht eine junge Frau namens Fiona auf, die als Haushaltshilfe bei der Familie Bauer arbeiten wird. Vater, Mutter, Tochter, Sohn leben für sich, Kommunikation untereinander findet nicht statt. Fiona soll aufräumen, die Kinder versorgen und das Haus sauber halten. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Ihre Abwesenheiten, ihre Verwirrung, ihre Verweigerung lassen Seltsames erahnen. Langsam gerät etwas aus den Fugen und ein leiser Horror schleicht sich ein. Warum beginnt Frau Bauer plötzlich zu weinen? Was macht Fiona mitten in der Nacht mit dem Baby auf der…mehr

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Produktbeschreibung
In einer Stadt im Ruhrgebiet taucht eine junge Frau namens Fiona auf, die als Haushaltshilfe bei der Familie Bauer arbeiten wird. Vater, Mutter, Tochter, Sohn leben für sich, Kommunikation untereinander findet nicht statt. Fiona soll aufräumen, die Kinder versorgen und das Haus sauber halten. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Ihre Abwesenheiten, ihre Verwirrung, ihre Verweigerung lassen Seltsames erahnen. Langsam gerät etwas aus den Fugen und ein leiser Horror schleicht sich ein. Warum beginnt Frau Bauer plötzlich zu weinen? Was macht Fiona mitten in der Nacht mit dem Baby auf der Landstraße? Totem ist ein alltäglicher Horrorfilm, den eine Art Störgeräusch durchzieht, das keiner hört, Schatten, die keiner sieht. Nur das Kino.

Bonusmaterial

- Einleger mit Original-Presseheft zu den Internationalen Filmfestspielen Venedig 2011 - Audiokommentar von Regisseurin Jessica Krummacher - Drehbuchauszüge - Trailer
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2023

Die Magie der brennenden Brötchen
Abschied gehört zum Leben und zur Kunst, auch im Traumdschungel: "Tótem" von Lila Avilés im Kino

Wie ein Geisterchor schleichen sich summende Stimmen in den dunklen Kinosaal, noch bevor das erste Bild von "Tótem" erschient. Eine Melodie kristallisiert sich heraus, sie setzt ein, wenn man Sol zum ersten Mal sieht. Dieses Mädchen sitzt auf der Toilette, und die Mutter bringt ein Lied in Erinnerung: "Das ist der Moment, in dem der Himmel singt. Weißt du noch, wie die Geschichte weitergeht?" Sol rollt nachdenklich die Augen: "Sie wird verrückt." Was die Mutter ihrer gut zehnjährigen Tochter hier ins Gedächtnis ruft, ist die Handlung der italienischen Oper "Lucia di Lammermoor", in der eine Frau aus Verzweiflung über den Verlust ihres Geliebten dem Wahnsinn verfällt.

In dieser Szene, die dem Titel wie eine Ouvertüre vorangestellt ist, kondensiert die mexikanische Regisseurin Lila Avilés bereits die Hauptmotive ihres Films: es geht um Trauer und Abschiednehmen und darum, dass beides zum Leben gehört - warum sonst würden Mutter und Tochter dieses Gespräch am profansten Ort, den es gibt, einer öffentlichen Toilette, führen?

Schon hier bleibt die Kamera meist auf Sol hängen, fängt das Gesicht des Mädchens ein, dem die Jungschauspielerin Naíma Sentíes einen offenen, neugierigen Blick in die Welt gibt. Die Mutter wird sie in dem Haus absetzen, in dem der Vater aufgewachsen ist. Er lebt dort, gepflegt von seinen Schwestern, weil seine Frau arbeiten muss und ihn eine Krebserkrankung kaum noch aus dem Bett aufstehen lässt. Sol wird den Tag mit den Tanten verbringen, die alles für ein großes Fest vorbereiten, denn Sols Vater hat Geburtstag. Immer wieder fragt das Mädchen, ob sie ihn sehen darf. Immer wieder wird ihr eine der Tanten erklären, dass er sich noch ausruhen müsse für die Feier.

Aus diesem Warten spinnt Avilés ihre Geschichte. In vielen kleinen Szenen beobachtet sie die Familie, zeigt die Interaktion der Schwestern und ihrer Kinder als Vignetten, aus denen man auf ihr Verhältnis zueinander, auf ihre Probleme miteinander rückschließen kann. Klugerweise behält sie dabei fast immer die Perspektive des Kindes bei, das keine Wertung vornimmt, sondern still die Erwachsenen in ihrem Tun beobachtet. Im Kameramann Diego Tenorio hat die Regisseurin einen Komplizen gefunden. Er lässt die Kamera auf Kopfhöhe des Kindes sinken, nimmt beim Entdecken der Wohnung ihren Blick ein. So folgt man Sol durch die dunklen Flure der Wohnung, schaut mit ihr auf düstere Barockgemälde, lauscht am Arbeitszimmer des Großvaters, in dem der Psychologe gerade eine Sitzung mit einer jungen Frau abhält, die an ihrer Beziehung verzweifelt. Und schließlich landet man im Garten, der auf Höhe des Mädchens wie ein Dschungel anmutet mit seinen feuchtgrünen Blättern, unter denen Sol Schnecken einsammelt, die sie später auf den Barockgemälden verteilt. Sie kriechen langsam über die dicken Pinselstriche, machen die Malerei zu ihrem horizontalen Reich, nehmen die Bewegung der auf der Leinwand abgebildeten gebauschten Vorhänge in ihren gewundenen Häusern wieder auf.

Solche Momente voller Poesie, wie nur Kinder sie beim aufsichtslosen Herumstreifen finden können, sammelt "Tótem" wie einen Blumenstrauß. Dazwischen blicken die dornigeren Blüten der brutalen Realität hervor, wenn plötzlich Sols Vater, ein Künstler, keine vierzig Jahre alt, zu sehen ist, wie er abgemagert auf seinem Bett liegt. Die Krankheit frisst seine Lebensenergie. Gemeinsam mit der Pflegerin Cruz kämpft er dagegen an, lässt seine mageren Knochen durchbewegen, schleppt sich unter die Dusche. All das tut er im verhangenen Zwielicht mit abgedunkelten Fenstern, die seine Welt in einen starken Kontrast zum hellen Rest der Wohnung setzen. Die Beleuchtung ahnt die Todesnähe voraus.

Mexiko hält seine Geister lebendiger als die meisten Orte, pflegt einen anderen Umgang mit dem Tod. Avilés lässt eine Geisterbeschwörerin auftreten, die die Wohnung ausräuchert und von negativen Schwingungen befreien soll. Es bleibt offen, ob die Tante, die die Frau bestellt hat, es aus Aberglauben oder Verzweiflung tat, weil beim Bruder keine Therapie anschlagen will und der Familie das Geld für die Medikamente ausgeht. Auch hier, bei der Geistervertreibung, gelingt es der Regie, die Balance zwischen neutraler Beobachtung des Geschehens und Kommentierung zu halten. Avilés löst das über die Dialoge ihrer Figuren. Wenn die selbst ernannte Schamanin mit einem brennenden Brötchen die Wände abfährt, regt sich Sols Großvater auf: "Raus mit diesem satanischen Humbug, ihr fackelt mir noch das Sprechzimmer ab." Solche Randbemerkungen dienen nie dazu, die Handlung voranzutreiben, sie geben hier immer einen größeren Einblick in die Motivation der Figur. Im Falle des Großvaters steckt in diesem Kommentar und der Tatsache, dass er seinem todkranken Sohn einen liebevoll im Wuchs bearbeiteten Bonsai schenkt, eine gesamte Lebensphilosophie, die von Verstand, Vernunft und dem Wunsch, als Mensch etwas gegen die Unbill der Natur unternehmen zu können, geprägt ist.

So sanft und subtil, wie Avilés von ihren Figuren erzählt, nimmt sie auch weibliche Körperlichkeit in den Blick. Immer wieder sehen wir die Frauen in Badezimmern, beim Duschen, auf der Toilette, beim Haarewaschen an Küchenspülbecken. Nichts daran ist voyeuristisch, alles besitzt eine Natürlichkeit, die man so auch im europäischen Arthousekino nur sehr selten zu sehen bekommt. Manchmal entsteht zwischen den Müttern und ihren kleinen Töchtern eine komische Situation. So greift etwa eine Vierjährige die saubere Menstruationstasse von der Badezimmerarmatur und fragt, ob man aus diesem Becher denn Wein trinken könne, und die Mutter erklärt lachend, dass der Becher für etwas anderes da sei. All das ist ohne Peinlichkeit gefilmt und meilenweit vom Fäkalhumor etwa in einschlägigen US-Komödien entfernt.

"Tótem" ist der zweite Spielfilm von Lila Avilés. Sie zeigt, dass sie es an psychologischer Tiefe und emotionalem Verstand mit den Größten ihres Landes im Regiefach aufnehmen kann. Die Wärme für ihre Figuren hat sie von Guillermo del Toro, den Verstand, wie phantastische Elemente in einen sonst realistisch anmutenden Film einzubetten sind, könnte sie Carlos Reygadas abgeschaut haben. "Tótem" kommt leichtfüßig daher, baut aber mit jeder Minute eine Wucht auf, die sich am Ende auf der Feier entlädt. Das Lied vom Anfang taucht wieder auf, gewinnt neue Bedeutung bei diesem Fest der Liebe und der Freundschaft, wo in jeder Geste schon der Abschied steckt.

Die stärkste Szene hebt Avilés sich bis zum Schluss auf. Es ist der Blick eines jungen Mädchens durch ein Kerzenmeer, der irgendwann die Kamera trifft, dabei aber nicht platt die vierte Wand durchbricht, sondern durch sie hindurchschaut, mitten hinein in eine Zwischenwelt, in der der Wunsch nach Leben mit dem Schicksal ringt. Selten trifft ein Blick so tief. MARIA WIESNER

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